Skandal um Brustimplantate Wie gefährlich ist der Silikon-Pfusch?

Paris · Die Sache ist ein Skandal. Zehntausende Frauen fürchten um ihre Gesundheit, weil der französische Hersteller PIP Billig-Silikon für Brustimplantate verwendet hat. Deutsche Mediziner mahnen zur Besonnenheit.

Skandal um PIP-Brustimplantate
8 Bilder

Skandal um PIP-Brustimplantate

8 Bilder

Nach dem Skandal um Brust-Implantate ermitteln die Behörden. Die Interpol-Suche nach dem Chef des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse (PIP), Jean-Claude Mas, erwies sich indes als Kolossales Missverständnis. Gegen Mittag stellte die Polizei klar: Er wird nicht im Zusammenhang mit dem Skandal um seine Firma weltweit gesucht. Hintergrund für den internationalen Fahndungsaufruf sei eine mutmaßliche Trunkenheitsfahrt im Juni 2010 in Costa Rica, teilte die im französischen Lyon ansässige internationale Polizeibehörde am Samstag auf ihrer Internetseite mit.

Anlass für Ermittlungen gibt es auch ohne Firmengründer Mas reichlich. Frankreich hatte am Freitag angeboten, die Kosten für die Entfernung der PIP-Implante von 30.000 Frauen zu übernehmen.Mit rationalem Handeln hat das nur bedingt zu tun. Der Staat hat sich entschlossen, das Übel mit der Wurzel auszureißen — wortwörtlich. Tausende von Frauen sollen sich ein Silikonimplantat in der Brust entfernen lassen, sofern es sich um ein Billigprodukt der mittlerweile insolventen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) handelt.

Bei acht Frauen mit diesem Implantat, dessen Hülle gerissen war, war Krebs festgestellt worden. Ob er mit dem Implantat in einem Zusammenhang steht, bezweifeln Kenner; aber letzte Sicherheit gibt es nicht. Die Aufmärsche besorgter Frauen in Paris haben die Regierung zu diesem historischen Schritt einer Rückrufaktion bewogen. Betroffen seien neben den PIP-Produkten auch sogenannte M-Implantate der Firma Rofil Medical Nederland.

Kann das auch bei uns passieren? PIP-Produkte sind in Deutschland seit 2010 verboten, aber weil es Frauen gibt, die sich Brustimplantate in anderen Ländern oder in früheren Jahren haben einoperieren lassen, ist die Dunkelziffer hoch. Im Unterschied zur französischen Regierung empfiehlt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte den Frauen mit potenziell gefährlichen Brustimplantaten aus Frankreich nicht pauschal die Entfernung des Silikonprodukts. Betroffene sollten zum Arzt oder in die Klinik gehen, in der sie operiert worden seien, und sich dort beraten lassen, sagte Sprecher Maik Pommer.

Angeblich kein Grund zur Eile

Den Empfehlungen aus Frankreich schließt sich hingegen die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen an. Sie hält eine vorsorgliche Entfernung der Produkte des Herstellers für sinnvoll. Die Implantate würden schneller reißen, und das austretende Silikon sei nur schwer zu entfernen, sagte der Präsident des Verbandes, Peter Vogt. Laut Auskunft der französischen Aufsichtsbehörde besteht aber kein Grund zur Eile.

Für ein Silikonimplantat gibt es zwei Gründe: Einer Patientin musste mindestens eine Brust nach einer Krebs-OP entfernt werden, und sie bekommt, sofern nicht brusterhaltend operiert wurde, ein Implantat. Oder es handelt sich um einen rein kosmetischen Eingriff ohne Krebs-Hintergrund. An spezialisierten Brustzentren mit onkologischem Schwerpunkt wie am Universitätsklinikum Düsseldorf (UKD) sind es "etwa 80 Prozent Patientinnen nach einer Krebsdiagnose, die ein Brustimplantat bekommen", sagt Professor Wolfgang Janni, Direktor der Frauenklinik; die restlichen 20 Prozent hätten rein ästhetische Gründe.

Da passieren mitunter "wilde Dinge"

Die plastischen Chirurgen in Deutschland nehmen ausschließlich nicht-onkologische Brustoperationen vor. Karin Zwiefel, Koordinatorin des Brustzentrums am UKD, weiß, dass es bei Implantaten "viele Anbieter" gibt, und nicht überall sei die staatliche Aufsicht so streng wie in den USA, wo nach einem Implantatskandal nur zwei Produkte überhaupt wieder zugelassen wurden.

Zwiefel: "In Deutschland wird zwar jedes Implantat geprüft, aber was etwa in osteuropäischen Ländern wie Polen oder Tschechien bei sogenannten günstigen Brustvergrößerungen implantiert wird, entzieht sich unserer Kenntnis." Da passieren mitunter "wilde Dinge". Frauen, die an der Qualität ihrer Implantate zweifeln, sollten in ihren Implantationsausweis sehen. Mittlerweile würden, so Zwiefel, nur noch sichere Implantate mit sogenanntem vernetzten Silikon verwendet.

Gewissheit lässt noch auf sich warten

Was die acht Patientinnen mit gerissener Implantathülle anlangt, die an Krebs erkrankten, so muss in konsequenter Fallprüfung untersucht werden, ob es sich um einen erstmals ausgebrochenen Krebs oder um ein sogenanntes Rezidiv handelt (also das Wiederaufflackern einer bereits per OP, Chemotherapie oder Bestrahlung behandelten Tumorerkrankung).

Rezidive sind auch bei operierten Frauen nicht zu vermeiden; sollten die acht französischen Frauen in diese Gruppe fallen, wäre die Aufregung schwer zu begreifen. Aber Rationalität ist in dieser Sache nicht zu erwarten. Insoweit hat die französische Regierung schnell gehandelt. Ob das auch nötig war, wird man erst demnächst wissen.

(RP/pst/csi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort