Hautkrankheit Warum sich die Krätze in NRW so stark ausbreitet

Düsseldorf · Eine Umfrage unserer Redaktion bei den Gesundheitsämtern zeigt: In vielen Städten NRWs steigen die Fallzahlen der Krätze massiv. Vor allem in Köln berichtet das Amt auch von Problemen in Flüchtlingsunterkünften. Zum Glück gibt es wirksame Therapien.

Krätze: Infos zu Behandlung, Übertragung und Symptomen von Scabies
Infos

Krätze: Die wichtigsten Fakten

Infos
Foto: molekuul.be/ Shutterstock.com

Nach den Weltkriegen sollte die Krankheit eigentlich verschwunden sein. Die Krätze breitete sich damals in Massenunterkünften, in Lazaretten und Schützengräben aus wie ein Lauffeuer. Nun ist die Erkrankung, die durch einen Parasiten verursacht wird, in NRW wieder auf dem Vormarsch. Grund zur Sorge ist das aber nicht. Wir geben die wichtigsten Antworten.

Die Krätze, medizinisch Scabies, ist eine ansteckende Hautkrankheit, die durch Milben verursacht wird. Die Tiere hinterlassen Eier und Kot in der Haut und lösen so eine allergische Reaktion aus. Es kommt zu Rötungen, Krusten und Bläschen, die mit Eiter gefüllt sind; vor allem entsteht ein geradezu unerträglicher Juckreiz. Er ist auch der Namensgeber der Krankheit, denn Krätze ist eine Ableitung von Kratzen.

Ja, die Krankheit ist ansteckend und wird durch Hautkontakt von Mensch zu Mensch übertragen. "Ein kurzes Händeschütteln reicht dafür aber in der Regel nicht aus", sagt Andreas Körber, Dermatologe an der Uniklinik Essen. "Umso länger und intensiver der Kontakt zwischen Menschen ist, umso mehr steigt allerdings die Ansteckungswahrscheinlichkeit." Besonders gefährdet sind deshalb Einrichtungen wie Kitas, Schulen, Altenheime oder auch Flüchtlingsunterkünfte - Orte eben, an denen viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen.

Um eine Massenansteckung mit den Milben rechtzeitig verhindern zu können, unterliegen Gemeinschaftseinrichtungen einer Meldepflicht. Sie müssen auftretende Fälle dem Gesundheitsamt mitteilen. Hausärzte sind dazu nicht verpflichtet. "Zu uns in die Ambulanz kommen deswegen auch Fälle, die in den Ämtern nicht auflaufen", sagt Körber. "Eine größere Gruppe sind beispielsweise Pärchen. Zwar ist die Krätze keine klassische sexuell übertragbare Krankheit, aber ohne Kleidung bei langem Hautkontakt können die Milben am leichtesten wandern."

In NRW berichten inzwischen mehrere Städte über massiv wachsende Fallzahlen; das ergaben Anfragen unserer Redaktion bei verschiedenen Gesundheitsämtern. Demnach stiegen die Fälle in Düsseldorf von 21 im Jahr 2013 auf 93 im Jahr 2016. In der Städteregion Aachen nahm die Zahl im gleichen Zeitraum von 11 auf 316 Fälle zu. In Duisburg war eine Steigerung von 44 Fällen im Jahr 2014 auf 163 Fälle im Jahr 2016 zu verzeichnen. Das Gesundheitsamt Köln vermeldet ein Wachstum von 26 Fällen im Jahr 2013 auf 65 im laufenden Jahr 2016.

Die Gründe dafür sind zahlreich: "Wir stellen zum einen fest, dass es immer mehr Kinder in Kitas und Schulen gibt, aber auch eine wachsende Zahl von Senioren in Altenheimen", sagt Anne Bunte, Leiterin des Gesundheitsamtes in Köln. "Zugleich muss man sagen, dass wir den größten Zuwachs an Fällen in Flüchtlingsunterkünften verzeichnen, vor allem in den letzten beiden Jahren." Als besorgniserregend stuft Bunte dies aber nicht ein.

"Ein Wachstum von 20 Fällen auf 65 ist nicht so groß, dass man von dramatischen Auswüchsen sprechen müsste." Vor allem in Flüchtlingsunterkünften würden jedoch häufig falsche Diagnosen gestellt und die Leidens- und mögliche Ansteckungszeit deswegen unnötig verlängert, berichtet Bunte. Wenn die Kinder dann in die Grundschule oder Kita gingen, könne es zu weiteren Ansteckungen kommen.

Auch Heinrich Rasokat, Dermatologe an der Uniklinik Köln, bestätigt dies: "Scabies ist nicht leicht zu diagnostizieren, weil die Inkubationszeit mit bis zu sechs Wochen sehr lang ist. Menschen aus anderen Ländern wissen sich zudem oftmals nicht richtig auszudrücken und beschreiben die Symptome anders." Alle Experten sind sich zudem einig, dass viele Patienten die Krankheit mit Neurodermitis verwechseln und deswegen lange unbehandelt bleiben. In beiden Fällen treten Ekzeme auf, und es kommt zu Juckreiz; man muss also sehr genau unterscheiden.

Die Krätze lässt sich nur von einem Dermatologen diagnostizieren - und zwar per Untersuchung von Haut unter dem Mikroskop. "Zu guter Letzt muss ich sagen, dass Scabies einfach eine Zivilisationskrankheit ist", sagt Körber. "Wo mehrere Menschen zusammenkommen, können sich diese Tiere ausbreiten, das war schon immer so und lässt sich auch durch alle modernen Hygienemaßnahmen nicht vollständig verhindern."

Die gute Nachricht für besorgte Eltern und Betroffene ist, dass sich die Krankheit inzwischen sehr gut therapieren lässt. "Man gibt eine Creme, die den Stoffwechsel der Milben blockiert, und außerdem ein Medikament", sagt Körber. Der Wirkstoff Ivermectin wurde erst 2016 in Deutschland zugelassen und beschleunigt die Therapie immens: "Binnen 24 Stunden sind alle Milben dank der Tablette abgetötet." Trotzdem müssen Betroffene umfangreiche Hygienemaßnahmen treffen, um sich nicht im eigenen Heim erneut anzustecken.

Dazu gehört das Schneiden der Fingernägel, das Saugen der Wohnung, das Waschen aller Handtücher und der Bettwäsche; zudem darf die getragene Kleidung zwei Wochen lang nicht wieder benutzt werden. "Leider halten sich viele Patienten nicht daran, weil es ihnen zu umständlich ist oder weil man sie nicht ausreichend über die Nebenwirkungen der Medikamente aufgeklärt hat", sagt Körber. "Manche Patienten müssen wir in der Ambulanz fünfmal hintereinander therapieren, weil sie sich an diese Regeln nicht halten." So könne die Salbe zu trockener Haut führen und das Medikament müde machen.

Was viele auch nicht wissen: Die Symptome können trotz der Behandlung nach drei bis vier Wochen wieder auftreten. Dann stößt der Körper Überreste von Tieren und Eiern ab, und es kann zu einer erneuten allergischen Reaktion kommen. Problematisch ist das laut Körber aber nicht. "Insgesamt muss man über die Krankheit sagen, dass sie zwar lästig, aber gerade durch das neue Medikament wirklich gut therapierbar ist." Die Hand würde der Dermatologe deshalb trotz der steigenden Zahlen jedem geben - ganz ohne Angst, mit einen ungebetenen Gast auf der Haut nach Hause zu kommen.

(ham)