Gutes Essen macht froh Warum Genießer glücklicher sind

Düsselorf (RP). An den Feiertagen lassen es sich Menschen gut gehen. Besonders beim Essen. Gefüllte Gans, Rotwein und gutes Marzipan – viele Deutsche schlagen in diesen Tagen zu. Lassen sich diese Freuden auch in den Alltag retten? Ja, sagt die Initiative Genusskultur.

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Foto: ddp

Düsselorf (RP). An den Feiertagen lassen es sich Menschen gut gehen. Besonders beim Essen. Gefüllte Gans, Rotwein und gutes Marzipan — viele Deutsche schlagen in diesen Tagen zu. Lassen sich diese Freuden auch in den Alltag retten? Ja, sagt die Initiative Genusskultur.

Mehr als 100.000 Mahlzeiten essen wir durchschnittlich im Laufe des Lebens. Die Frage ist nur, wie viele davon gemütlich mit anderen am Tisch oder mal eben im Gehen mit dem Brötchen links und der Pizza rechts auf der Hand? Letzteres nennt Gunther Hirschfelder einen "Steinzeit-Snack".

Wieso das? Weil die Geschichte des Menschen eigentlich eine Geschichte des Essens sei, schreibt der Professor für Volkskunde an der Universität Regensburg in seinem Buch über die "Europäische Esskultur". In der Steinzeit streiften die Menschen durch die Savanne, aßen Pflanzen und Tiere am Wegesrand, hier einen Käfer, dort eine Schnecke.

Die Zivilisation bescherte uns die Verfeinerung der Sitten, es wurde gekocht, Besteck und Gabel kamen auf den Tisch, es gab gemeinsame Mahlzeiten, Essen entwickelte sich auch als Kommunikationsplattform.

Für Ernährungswissenschaftlerin Ines Heindl bedeutet Essen Reden mit anderen Mitteln und vor allem Genuss. Kann man genießen lernen? "Ja", sagen die Experten einhellig, man muss nur üben.

Denn Genuss und Geschmack — das untrennbare Paar — sind nicht angeboren. Sie sind auf der kulturellen, nicht auf der physiologischen Ebene (süß, salzig, bitter) betrachtet, mühsam gelernt, immer wieder trainiert. Genuss geht direkt durch die Sinne und braucht Sinnlichkeit, Gefühle, Erinnerungen. Essen ist anders als die Ernährung nicht kognitiv, sondern emotional gesteuert. Darum essen wir ganz selbstverständlich das, was wir in unserer Kindheit gelernt haben, und haben bestimmte Vorlieben.

"Hundert Speisen schmecken hundertmal verschieden!" Die sinnliche Vielfalt, die in diesem chinesischen Sprichwort zum Ausdruck kommt, macht das Leben spannend. Die Einfalt wiederholter industrieller Geschmacksstandards macht uns manipulierbar, weckt Langeweile und vor allem Sucht.

Denn wie ein Spitzengeiger sein Talent verspielt, wenn er statt Klassisches zu üben, nur Pop spielt, so mag jemand, der Apfelgeschmack lediglich als aromatischen Verstärker im Yoghurt kennt, keinen richtigen Apfel mehr, kann den natürlichen Aromen nichts abgewinnen.

"Alle Spitzenköche", so Hirschfelder, "haben von klein auf verschiedenste Geschmacksnuancen kennen- und schätzen gelernt." Sie haben ihre Wahrnehmung, ihr Sensorium geschärft. Schmecken bedeutet nämlich auch, schmecken zu lernen. Viele Kinder verlieren heute ihr "angeborenes Expertentum, weil sie mit Geschmacksstoffen bombardiert werden".

Um Gutes von Mittelmäßigem zu unterscheiden, muss man allerdings kein Gourmet werden. Es genügt die stete Übung, beim Essen so häufig wie möglich alle Sinne einzusetzen, und die Bereitschaft, gewohnte Pfade auch mal zu verlassen, um Neues kennenzulernen. Auf diese Weise entsteht mit der Zeit ein Reichtum an Schmeck-Erfahrungen, eine kulinarische Kopfbibliothek, die wächst — und mit ihr das Wissen um Qualität.

Kann jeder genießen? Grundsätzlich ja, und das mit einfachen, nicht zwangsläufig teuren Mitteln, sagen die Vertreter der Initiative Genusskultur (http://www.initiative-genusskultur.de/). Man braucht nicht viel Geld, um aus guten Kartoffeln und regionalem Gemüse Köstliches zu kochen. Essen, um satt zu werden, ist ein Bedürfnis, genießen eine Kunst. Und jeder Mensch kennt beides — schnell den Hunger stillen oder Mahl zelebrieren, das für nachhaltiges Wohlbefinden sorgt. "Das kann ein Hering mit frischem Brot vom Bäcker sein", meint Hirschfelder.

Leibliche oder geistige Genüsse sind ein individuelles Kulturgut. Ob Essen, Trinken, Kultur oder Geselligkeit — die Genuss-Welten sind vielfältig, doch unerlässlich für ein positives Lebensgefühls. Wer genießen kann, sorgt für Abwechslung im Alltag. Genuss hebt die Stimmung und funktioniert als Therapie erstaunlich simpel: Warum kann man sonst Kranken mit ihrem Lieblingsessen die größte Freude machen? Anders als Miesepeter oder Asketen leben Genießer leichter. Denn ihr Lustzentrum, eine Reihe von Hirnregionen, die für Wohlbefinden sorgen, ist aktiviert.

"Genuss, der Schlüssel für eine gesunde Ernährung, braucht wenig Zeit, aber viel Bewusstsein", so der Volkskundler Hirschfelder, und nicht unbedingt Gesellschaft. So gehen Spitzenköche gern solo zum Essen, oder man hört lieber allein Musik, geht zum Sport oder verwöhnt sich mit einer Massage. Wer Genuss zum Lebensprinzip erklärt, sorgt für Prosperität.

"Wer nicht genießen kann, wird ungenießbar" — lautet nicht ohne Grund ein uraltes Sprichwort. Dabei kann jeder, kulinarisch intelligent, zum Genussmenschen werden — nicht nur satt, sondern auch glücklicher.

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