Medizin Warum Forscher bei Versuchsmäusen für die Frauenquote sind

Gleichberechtigung ist eines der Themen unserer Zeit - jetzt wird es auch ins Labor getragen. Neben männlichen Mäusen sollenim Namen der Forschung auch mehr weibliche Tiere für Tierversuche herhalten. Was wie ein Witz klingt, könnte Forschungsergebnisse entscheidend beeinflussen.

Warum bei Versuchsmäusen jetzt die Frauenquote gilt
Foto: Shutterstock.com/ Mirko Sobotta

Tierversuche können grausam sein - das zeigte jüngst ein Fernsehbericht mit Bildern von blutverschmierten Affen, angeblich gefilmt in einem Max-Planck-Insitut in Tübingen. Wichtige Erkenntnisse für die Forschung können sie allerdings ebenfalls hervor bringen. Zum Beispiel zeigen sie, dass Schmerz bei männlichen und weiblichen Tieren ganz unterschiedlich übertragen wird.

Zu diesem Schluss kommen zumindest Forscherteams in einer Studie, die jüngst im Fachmagazin "Nature Neuroscience" erschienen ist. An Mäusen haben Teams unter anderem der kanadischen McGill Universität untersucht, wie Schmerzsignale innerhalb des Körpers übertragen werden. Dabei geht es um die sogenannten Mikrogliazellen, die im zentralen Nervensystem angesiedelt sind. Bereits 2011 hatten die Forscher herausgefunden, dass ein bestimmtes Protein dieser Zellen Schmerz zwar bei männlichen, aber nicht bei weiblichen Mäusen überträgt.

Um dieses Ergebnis zu überprüfen, starteten die Forscher mehrere Versuchsreihen. Hierfür hemmten sie unter anderem die Funktion der Mikrogliazellen. Das Ergebnis: Bei männlichen Mäusen war die Schmerzweiterleitung danach blockiert - bei weiblichen Mäusen jedoch nicht. Dies bestätigte sich nach mehrmaliger Wiederholung der Versuche. Weibliche Mäuse benötigen laut der Studie diese Zellen also nicht, um Schmerz zu spüren. Die Schmerzübertragung funktioniert bei ihnen ganz anders als bei männlichen Mäusen. Diese Erkenntnis ist nicht nur neu, sondern auch wichtig. Denn gewählt wurden Mäuse für das Experiment, weil sie ein dem Menschen sehr ähnliches Nervensystem haben.

So wird Schmerz bei Mäusen übertragen

Wie funktioniert die Übertragung von Schmerz also bei weiblichen Mäusen? Die Forscher hinter der Studie fanden heraus, dass bei ihnen Schmerz durch die sogenannten T-Zellen anstelle der Mikrogliazellen weitergeleitet wird. T-Zellen spielen auch im menschlichen Immunsystem eine wichtige Rolle, helfen etwa - vereinfacht gesagt - beim Kampf gegen Viren im Körper.

Ob die Erkenntnisse der Studie Bedeutung zum Beispiel für Menschen haben könnte, bleibt sicherlich abzuwarten. Die Forscher zeigen sich in einer Pressemitteilung der McGill Universität jedoch begeistert: "Die Erkenntnis, dass die biologische Grundlage für Schmerz zwischen Männern und Frauen so fundamental unterschiedlich sein könnte, wirft wichtige Fragen der Forschung und Ethik auf, wenn wir Leiden reduzieren wollen." Laut ihnen könnte die Studie ein wichtiger Wegweise für die Entwicklung neuer Schmerzmedikamente sein, da die Nervensysteme von Mäusen und Menschen sich sehr ähnlich seien.

So oder so steht für die Wissenschaftler fest, dass sie diese Erkenntnisse nur gewinnen konnten, weil in den Tierversuchen männliche und weibliche Mäuse in gleicher Zahl verwendet wurden. "Das ist ziemlich selten in unserem Bereich", so Jeffrey Mogil, Schmerzgenetiker und Ko-Autor der Studie. Meist werden für Tierversuche nur männliche Tiere eingesetzt.

Damit in der Forschung künftig akkurater Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Tieren festgestellt werden können, haben die US-amerikanischen "National Institutes of Health", die zum Gesundheitsministerium gehören, bereits beschlossen, Tierversuche an Tieren beider Geschlechter durchzuführen. Eine "Frauenquote" im Namen der Forschung, sozusagen.

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In Deutschland ist der Einsatz von Versuchstieren stark eingeschränkt worden. Die Kosmetikindustrie darf bereits seit den 90er Jahren keine Labortiere mehr benutzen. Seit 2010 gilt nun auch, dass hierzulande keine kosmetischen Produkte verkauft werden dürfen, die Inhaltsstoffe enthalten, die in Tierversuchen getestet wurden. Darüber hinaus gilt, dass Tierversuche durch eine Regierungsbehörde genehmigt werden müssen und nur von geschultem Personal durchgeführt werden dürfen. Kritiker weisen jedoch immer wieder darauf hin, dass die Gesetzgebung der Industrie viele Lücken bieten würde, um vor allem im Kosmetikbereich doch Tierversuche, einsetzen zu können.

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