Toter in Belgien, neue Infektionen in Australien Sorge über resistente Superbakterie wächst

Brüssel (RPO). Eine sich vermutlich von Indien und Pakistan aus verbreitende Bakterie, die gegen nahezu alle Antibiotika resistent ist, sorgt zunehmend für Sorge. In Belgien ist ein Mann gestorben, der sich in Pakistan mit dem Keim namens NDM-1 infiziert hatte. Auch in Deutschland ist die Superbakterie bereits aufgetaucht.

 Das Robert-Koch-Institut berichtet von einzelnen Nachweisen von NDM-1 bildenden Bakterien in Deutschland.

Das Robert-Koch-Institut berichtet von einzelnen Nachweisen von NDM-1 bildenden Bakterien in Deutschland.

Foto: BELGA, AFP

In der Universitätsklinik Brüssel starb bereits im Juni ein Mann an der Bakterie. Der in Brüssel lebende und aus Pakistan stammende Mann habe bei einem Besuch in seiner Heimat einen Autounfall erlitten und sei mit einer schweren Beinverletzung in einem Krankenhaus vor Ort behandelt worden, sagte der Mikrobiologe Denis Piérard. Er sei dann nach Belgien gebracht worden, aber trotz Verabreichung eines starken Antibiotikums verstorben.

Ein weiterer in Belgien lebender infizierter Mann konnte dagegen geheilt werden. Der Mann habe in seiner Heimat Montenegro einen Unfall erlitten, sagte Youri Glupczynski von der Universitätsklinik Löwen. Er sei in Belgien behandelt worden und habe das Krankenhaus dann verlassen können.

Ein Krankenhaus in der australischen Hauptstadt Canberra meldete drei Infektionen. Der Arzt und Infektiologe Peter Collignon sagte der Nachrichtenagentur AFP, er behandle einen der Fälle, die weiteren Patienten befänden sich im Bundesstaat Queensland und in New South Wales. Collignons Patient unterzog sich demnach kürzlich in Mumbai, dem früheren Bombay, einer Schönheitsoperation. Collignon warnte vor einer weiteren Ausbreitung der Bakterie: "Es wird wahrscheinlich noch viel mehr Infizierte geben, denn was in Krankenhäusern entdeckt wird, ist nur die Spitze des Eisbergs".

Das Nationale Referenzzentrum (NRZ) in Bochum hat den superresistenten Keim hierzulande auch in Deutschland nachgewiesen. Auch das Robert-Koch-Institut berichtet von einzelnen Nachweisen von NDM-1 bildenden Bakterien.

NDM-1 ist resistent gegen praktisch alle Arten von Antibiotika. Selbst so genannte Carbapeneme kommen nicht gegen den Keim an. Diese hochwirksamen Antibiotika werden für Notfälle zurückgehalten und zur Behandlung von Infektionen eingesetzt, die durch multi-resistente Bakterien wie MRSA und den ebenfalls sehr häufigen Krankenhauskeim Clostridium difficile ausgelöst wurden.

Zwei Medikamente können nach Angaben von Experten bei Infektionen mit Carbapenem-resistenten Bakterien helfen: Das ältere Antibiotikum Colistin, das einige giftige Nebenwirkungen aufweist, und das Antibiotikum Tygacil. Die Pharma-Industrie hat die Antibiotika-Forschung jedoch seit vielen Jahren stiefmütterlich behandelt - zu groß ist die Kluft zwischen den großen Schwierigkeiten bei der Suche nach neuen Medikamenten und den bescheidenen Verkaufszahlen dieser Produkte, die gewöhnlich zur Behandlung der schwersten Fälle aufgespart werden. Die zunehmende Bedrohung durch Superkeime fördert allerdings ein Umdenken in der Branche. Die Entwicklung eines wirksamen Medikaments gegen Infektionen mit dem neuen Superkeim ist nach Aussage der Experten nicht absehbar.

In einem Bericht in der Fachzeitschrift "Lancet" warnen Forscher, der superresistente Keim NDM-1 berge große Gefahr, "zu einem weltweiten Gesundheitsproblem zu werden". Einer der Forscher hatte den Keim erstmals vergangenes Jahr bei einem schwedischen Patienten entdeckt, der zu einer Schönheitsoperation in Indien war. Zahlreiche Staaten im Süden Asiens, unter ihnen besonders Indien, erleben einen wahren Boom bei Reisen in Verbindung mit medizinischen Eingriffen. Gut ausgebildete Ärzte bieten unter anderem Schönheitsoperationen, die deutlich billiger sind als vergleichbare Eingriffe in Europa oder Nordamerika.

Das indische Gesundheitsministerium reagierte unterdessen verärgert auf die in "Lancet" veröffentlichte Studie. In einer Erklärung warf das Ministerium der Studie Panikmache vor und nahm besonders Anstoß an der Bezeichnung des Keims - das "ND" in NDM-1 steht für Neu Delhi. Zwar sei es denkbar, dass die Bakterie sich wegen der Zunahme der weltweiten Reisen verbreite, erklärte das Ministerium. Es sei aber falsch, dies mit der Sicherheit von Operationen in indischen Krankenhäusern in Verbindung zu bringen und unter Bezug auf einige "isolierte" Fälle nahezulegen, Indien sei kein sicheres Reiseland, unter anderem für Medizintouristen.

(rtr/afp/ap/rm)
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