Der Traum vom Gehen Roboterbeine für Querschnittsgelähmte im Test

Potsdam · Das biblische Wunder, Lahme zum Gehen zu bringen, beschäftigt Ärzte und Forscher seit langem. In Potsdam testen nun Querschnittsgelähmte einen Roboter, der Schritte auf eigenen Beinen ermöglichen soll.

So funktionieren Roboterbeine
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"Es ist ein schönes Gefühl aufrecht zu sein, zu laufen und jemanden auf Augenhöhe zu begegnen", sagt Peter Koßmehl und strahlt. Hinter dem 40-Jährigen aus Brandenburg liegt ein Test mit einem Roboter, der Querschnittsgelähmten wieder eigene Schritte ermöglichen soll. Als eine der ersten Einrichtungen in Europa testet das Rehazentrum Potsdam das sogenannte Exoskelett der US-Firma Ekso Bionics. Im Herbst 2011 hat das Unternehmen den Roboter Ekso vorgestellt, nun soll er weltweit an Querschnittgelähmten, aber auch an Schlaganfall- und Multiple-Sklerose-Patienten oder anderen gehbehinderten Menschen erprobt und für den heimischen Gebrauch weiterentwickelt werden.

"In Deutschland haben bislang nur Patienten in Aachen den Roboter Ekso vor ein paar Wochen getestet", sagt Firmensprecher Bastian Schink. In Potsdam sind es nun acht Menschen, die das etwa 23 Kilo schwere Skelett umschnallen und ausprobieren können. Mit Hilfe von Sensoren im Fußbereich wird die Gewichtsverlagerung in Schritte umgesetzt. "Ich möchte meine Patienten die Chance geben, frühstmöglich wieder aufrecht zu stehen", sagt Physiotherapeutin Bettina Quentin. Der 46-Jährigen obliegt die therapeutische Leitung im Rehazentrum. "Mich interessiert vor allem, ob die Technik die Betroffenen im Alltag voran bringt."

Der Rollstuhl ibleibt das schnellste Fortbewegungsmittel

Die Therapeutin warnt vor allzu großen Erwartungen - wie viele Experten. "Wer gut auf seinen Rollstuhl eingespielt ist, wird mit diesem immer schneller sein als mit dem Skelett", meint Professor Jan Schwab von der Abteilung Experimentelle Neurologie an der Charité Berlin. "Allerdings ist der psychische Vorteil nicht zu unterschätzen, wenn ein Patient sieht, dass er aufrecht steht."

Die Reaktionen der Potsdamer Patienten verdeutlichen dies ebenfalls: "Es ist ein schönes Gefühl zu stehen", sagt auch Andreas Klitzsch. Die Freude, wieder gehen zu können, ist dem 54-Jährigen deutlich anzusehen. Gleichwohl wünscht er sich eine deutliche Weiterentwicklung der Technologie: "Ich laufe nicht selbst. Es ist nur ein passives Laufen." Auch Koßmehl sieht noch viel Entwicklungsarbeit. "Aber es ist genau das richtige Hilfsmittel für die Reha."

Eine Alternative zum Rollstuhl sei der Roboter nicht, betont auch Rüdiger Rupp, Leiter der Abteilung für experimentelle Neurorehabilitation am Querschnittszentrum des Universitätsklinikums Heidelberg. Zumal die Gehhilfe nicht für alle Patienten geeignet sei. Insgesamt gebe es rund 60 000 Querschnittgelähmte in Deutschland.
"Davon kommen weniger als zehn Prozent dafür infrage", sagt Rupp. "Das ist ein sehr handverlesenes Publikum", erklärt er. "Jemand wie der bei "Wetten dass..." verunglückte Kandidat Samuel Koch hätte ein großes Problem, weil er den Rumpf kaum aktivieren kann."

Geh-Roboter liegen weltweit im Trend

Weltweit gibt es verschiedene Technologien, die Behinderten mehr Mobilität verschaffen sollen. Eine Möglichkeit ist die Elektrostimulation. Bei dem stimulierten Gehen fehlt jedoch die Stabilität. Experten halten darum durchaus viel von der Robotik, die ihren Ursprung im militärischen Bereich hat. Soldaten sollen mit der Gehhilfe rund 100 Kilogramm Last tragen können, ohne gesundheitliche Schäden zu riskieren. Rund um den Globus arbeiten Firmen an Modellen für Gehilfen, so beispielsweise auch in Israel, Japan und Neuseeland.

In den USA sind die Roboter laut Ekso Bionics seit Ende 2011 in zehn Reha-Zentren im Einsatz. Auch Kliniken in Dänemark, Spanien und der Schweiz testen nach Unternehmensangaben das Gerät. Dabei soll unter anderem untersucht werden, ob die Geräte einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben. So könnten etwa Wundstellen vermieden, die Durchblutung gefördert, Osteoporose eingedämmt und Gelenke flexibel gehalten werden.

Für die Betroffenen könnte die Gehilfe mehr Unabhängigkeit bedeuten: "Der Patient könnte zu Hause üben und wäre nicht ans Zentrum gebunden", sagt Schwab. Dafür müsste die Technologie allerdings finanzierbar sein. Bislang liegt der Preis jedoch bei etwa 120 000 Euro pro Gerät. "Das soll günstiger werden", so Firmensprecher Schink. Das Unternehmen peilt Kosten zwischen 50 000 bis 60 000 Euro für den Roboter Ekso an.

"In den kommen 12 bis 18 Monaten wird er aber nur an Kliniken ausgeliefert, um die Studien durchzuführen", so der Firmensprecher. Man wolle sich der Unterstützung der Ärzte sicher sein. Aus Sicht des Heidelberger Experten Rupp der richtige Weg. "Schließlich ist noch ist unklar, welche Spätschäden möglich sind."

(dpa)
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