Warstein sucht nach der Quelle Legionellen - was man jetzt wissen muss

Düsseldorf · Das Umweltministerium Nordrhein-Westfalen gibt Entwarnung für die Biertrinker: Vom Gerstensaft aus der Warsteiner Brauerei gehe keine Gefahr aus, obwohl man in Abwasserleitungen Legionellen fand. Die Reisewarnung bleibt bestehen.

Fragen und Antworten rund um die Legionärskrankheit
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Foto: AP

Der Legionellen-Fall im sauerländischen Warstein, dem bislang zwei Menschen zum Opfer fielen, hält die Behörden weiter in Atem. Nach Angaben von Nordrhein- Westfalens Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) herrscht über die Quelle des Legionellenbefalls weiterhin Unklarheit. Weltweit, so der Minister, habe es einen vergleichbaren Fall noch nicht gegeben. 165 Menschen mussten ärztlich behandelt werden; 26 Patienten liegen noch im Krankenhaus.

Wie ist die aktuelle Lage in Warstein? Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht die kommunale Kläranlage, in der eine hohe Belastung mit Legionellen festgestellt worden ist. Diese Anlage wird aus drei Strängen befüllt. Bei Überprüfung der Zuleitungen aus der Stadt und aus einem Krankenhaus wurden keine Auffälligkeiten festgestellt. Bei der dritten Zuleitung, die von der in Warstein ansässigen Brauerei stammt, wurden die Behörden dagegen fündig. Und zwar sollen die Legionellen von der betrieblichen Vor-Kläranlage über Kanäle in die kommunale Kläranlage gelangt sein. Unklar ist jedoch, wo sich der Legionellenherd gebildet hat. Die Reisewarnung für Warstein bleibt bestehen.

Kann dies beim Brauprozess geschehen sein? Das ist nach Auskunft des NRW-Umweltministeriums nahezu ausgeschlossen. Beim Brauvorgang entstünden Temperaturen von bis zu 100 Grad. Bereits bei einer Temperatur von 60 Grad werden die Keime abgetötet. Es wurden aber auch Legionellen in den Kühlanlagen gefunden, in denen das Bier heruntergekühlt wird.

Was geschieht auf dem Gelände der Brauerei? Der Vorfluter auf dem Brauereigelände wurde abgedeckt, damit eventuell vorhandene Legionellen nicht in die Atemluft gelangen. Allerdings gilt es als unwahrscheinlich, dass die oben offene Vorklär-Anlage durch Vogel-Kot mit Legionellen kontaminiert worden ist. Die Kühlanlagen wurden durch UV-Bestrahlung desinfiziert. Die Brauerei führt keine Besuchergruppen mehr durch ihre Anlagen.

Ist das Biertrinken problematisch? Remmel, der auch Minister für Verbraucherschutz ist und sich auf die Auskünfte von Experten bezieht, beruhigt die Liebhaber des Gerstensaftes: "Vom Bier geht keine Gefahr aus." Eine Infektion über Flüssigkeiten sei nicht möglich.

Hat sich das Land nicht zu spät eingeschaltet? Die Zusammenarbeit mit dem Kreis Soest, der für das Prüfverfahren zuständig sei, wird von Remmel als "sehr gut" bezeichnet. Allerdings schränkte der Minister gestern in Interviews seine Aussage doch etwas sein. Man müsse später "in Ruhe klären, ob Abläufe optimiert werden müssen".

Was sind das eigentlich für Keime, die jetzt in Warstein für Aufregung sorgen? Legionellen sind stäbchenförmige Bakterien, die im Wasser leben, keine Sporen bilden und von Geißeln angetrieben werden. Man kennt 48 Arten, aber nur eine ist für den Menschen bedrohlich: Legionella pneumophila.

Wo kommen diese Keime vor? Der natürliche Lebensraum von Legionellen sind weltweit sämtliche Süßwasser- Reservoirs. Am besten vermehren sie sich in älteren Wasserleitungen, Klimaanlagen, in Schwimmbädern, Pools und Luftbefeuchtern; ideale Wachstumsbedingungen finden sie bei einer Wassertemperatur zwischen 25 und 60 Grad Celsius. Hauptansteckungszeit ist Sommer und Herbst, weil die Bakterien ein feucht-warmes Klima bevorzugen. Verhindern kann man Legionellen, wenn man länger nicht gebrauchte Leitungen über einige Minuten maximal heiß durchlaufen lässt. Dabei sollte man nicht daneben stehen bleiben.

Wie und wo schlagen sie zu? Die Infektion ist keine Kontakt- oder Schmierinfektion, sondern geht über Aerosole vonstatten, also zerstäubte Wassertröpfchen in der Luft, welche die Keime in sich tragen und weiter transportieren. Man atmet sie ein. Durchs Trinken von kontaminierter Flüssigkeit ist eine Übertragung ausgeschlossen.

Welche Krankheiten drohen? Die Legionellen-assoziierte Lungenentzündung (Pneumonie) kann bei älteren und immungeschwächten Patienten, aber auch bei gesunden Menschen einen lebensgefährlichen Verlauf annehmen. Die etwas mildere Variante ist das so genannte Pontiac-Fieber. Bei Rauchern fällt die Legionellose, die auch den Namen Legionärskrankheit trägt, besonders gravierend aus. Der Keim kann zudem in offenen Wunden, in der Herzinnenhaut und im Nierenbecken unangenehm werden.

Wie äußert sich eine solche Pneumonie? Nach einer Inkubationszeit von bis zu zwei Wochen kommt es zu einer Lungenentzündung mit akut hohem Fieber, meist Schüttelfrost, trockenem Husten, Luftnot, Kopf und Gliederschmerzen. Häufig zeigen sich, etwa bei einer Beteiligung des Zentralnervensystems, Verwirrtheitszustände; auch Nierenprobleme können auftreten.

Wie kann man Legionellen nachweisen? Mikrobiologen gehen für den Keimnachweis auf die Suche nach dem Legionellen-Antigen, und zwar in der Regel im Urin, im Speichel oder im Bronchialsekret.

Warum ist es wichtig, das Legionellen- Antigen im Urin nachzuweisen? Kursiert der Verdacht auf eine Legionellen- Infektion, die klinisch meist akut verläuft, aber auch wie eine atypische Lungenentzündung aussehen kann, ist die Frage der antibiotischen Therapie von großer Wichtigkeit. Länger als bei anderen Erregern muss bei Legionellen hart therapiert werden. Antibiotika aus der Gruppe der sogenannten Makrolide sollten zehn bis 14 Tage gegeben werden. Auch die Gruppe der Fluorchinolone leistet, gerade bei schweren Fällen, sehr gute Dienste; in jedem Fall muss vermieden werden, dass die Erkrankung in das gefürchtete ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome) übergeht.

Wie viele Fälle gibt es? Das Robert- Koch-Institut (RKI) in Berlin geht von mehreren hundert Fällen der Legionärskrankheit pro Jahr in Deutschland aus; laut gestrigem Stand (RKI) gab es 2013 bislang 545 nachgewiesene Fälle. Besorgnis erregt dabei immer wieder die Tatsache, dass 15 bis 20 Prozent der Todesfälle Menschen betrifft, die vorher gesund waren. Ältere, kranke oder immunschwache Menschen sind höher gefährdet; 70 Prozent von ihnen sterben an dem Keim.

Gibt es eine Dunkelziffer? Ja, vor allem bei der milden Form, dem Pontiac- Fieber. Diese nie tödliche Form der Legionellose hat eine kurze Inkubationszeit, und es zeigt sich lediglich ein Infekt der oberen Atemwege mit mäßigem Fieber und dem Bild eines typischen Katharrs, der aber innerhalb weniger Tage ausheilt. Nur wenige Ärzte würden bei diesem undramatischen Verlauf einen Erregernachweis betreiben; er wäre zielführend, dass der grippeähnliche Infekt in Wirklichkeit die leichte Form der Legionellose war.

(csr)
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