Gesundheitsreform Krebsvorsorge nun doch keine Pflicht

Berlin (RPO). Anders als ursprünglich in der Gesundheitsreform vorgesehen, sollen Krebsvorsorge und Gesundheitstests für Kassenpatienten nun doch keine Pflicht werden. Diesen Beschluss verkündete am Freitag der Gemeinsame Bundesausschuss. Damit wird ein höchst umstrittener Punkt der Reform ausgehebelt. Bundesministerin Ulla Schmidt hat allerdings ein Vetorecht.

 Die Früherkennungsquote ist sehr hoch.

Die Früherkennungsquote ist sehr hoch.

Foto: ddp

Sie deutete zwar am Freitag grundsätzliche Zustimmung an, will aber den Beschluss noch genau prüfen.

Statt der regelmäßigen Vorsorge selbst müssen Kassenpatienten demnach künftig nur eine einmalige Beratung über Vor- und Nachteile der jeweiligen Früherkennung nachweisen. Tun sie dies nicht, müssen sie im Fall einer künftigen Erkrankung höhere Zuzahlungen leisten. Auch das gilt aber nur eingeschränkt: für Frauen, die nach dem 1. April 1987 geboren sind, und Männer mit Geburtsdatum nach dem 1. April 1962.

Der Bundesausschuss, in dem Ärzte, Krankenkassen und Patientenvertreter sitzen, sollte eigentlich festlegen, welche Vorsorgeuntersuchungen vorgeschrieben werden sollen. Stattdessen habe man sich auf die Beratungspflicht geeinigt, sagte Ausschussvorsitzender Rainer Hess. Eine Vorsorgepflicht selbst wäre "mit ethischen Grundsätzen nicht ein Einklang zu bringen".

Jede Früherkennungsuntersuchung habe Vorteile - so etwa bei Krebs in der Regel größere Überlebenschancen - aber auch Risiken, sagte Bernd Metzinger vom Bundesverband der Innungskrankenkassen. Zu den Risiken gehören zum Beispiel Strahlenbelastung bei Mammographien zur Brustkrebserkennung sowie falsche Interpretation der Ergebnisse. Letztlich habe jeder Patient ein "Recht auf Nichtwissen".

Der Bundesausschuss sage nicht, dass die von den Krankenkassen bezahlten Vorsorgeuntersuchungen nichts taugten, sagte Metzinger. Aber bei einer "Zwangsuntersuchung" müssten strengere Maßstäbe gelten. Hess betonte, Ziel der Pflichtberatung sei es, die Patienten zur Früherkennung zu motivieren, nur eben freiwillig.

Experten hatten die Bedenken bereits während des Gesetzgebungsverfahrens vorgebracht. Trotzdem hatte der Bundestag die Regelung beschlossen. Wer Vorsorge versäumt, sollte demnach finanziell büßen: Beim Ausbruch einer schweren Krankheit, die hätte vorzeitig entdeckt werden können, sollten Patienten künftig nicht nur ein Prozent ihres Jahreseinkommens als Zuzahlung leisten, sondern bis zu zwei Prozent. Die Vergünstigung kann im Einzelfall mehrere Hundert Euro ausmachen.

Ziel war dabei, die schwachen Vorsorgequoten zu erhöhen. 2005 nahmen nur 16 Prozent der berechtigten Männer die für sie empfohlene Krebsvorsorge wahr; bei den Frauen lag die Quote bei 48 Prozent.

Obwohl der Beschluss des Bundesausschusses dem Gesetz eigentlich zuwider läuft - Hess sprach von der "Grenze des rechtlich Zulässigen" - deutete Schmidt Zustimmung an. Sie halte den Beschluss grundsätzlich für einen guten Kompromiss, erklärte sie in Berlin. Allerdings werde das Ministerium die Einzelheiten noch genau prüfen. Dazu hat es acht Wochen Zeit.

Der Marburger Bund der Klinikärzte begrüßte die Entscheidung des Ausschusses. Früherkennung könne für die Behandlung schwerer chronischer Krankheiten wichtig sein. Doch müsse jeder selbst entscheiden, welcher Untersuchung er sich unterziehe.

(ap)
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