Neuer Wirkstoff entwickelt Keine Angst mehr vor Karies

Düsseldorf (RP). Forscher arbeiten an einem Wirkstoff gegen das Bakterium, das Karies verursacht. Das Neue an diesem Antibiotikum: Es geht zielgerichtet vor und verschont die anderen Bakterien der Mundflora.

 Die deutschen Zahnärzte haben wieder vollere Wartezimmer.

Die deutschen Zahnärzte haben wieder vollere Wartezimmer.

Foto: ddp, ddp

Mit Geschichten vom fiependen Zahnarztbohrer wird man Kinder künftig nicht mehr vom Wert des Zähneputzens überzeugen können. Denn Forscher der Universität von Kalifornien in Los Angeles (Ucla) wollen dem Kariesbakterium mit einem neuartigen Wirkstoff den Garaus machen; die gesunde Mundflora soll davon unberührt bleiben.

Der Wirkstoff wird - in welcher Form auch immer - alle paar Tage zusätzlich zum Zähneputzen verwendet werden. Er trägt den Namen "selectively targeted antimicrobial peptides" (Stamps) und ist eine Kombination aus einem Signalmolekül, das auch bei dem Karieserreger (lat. streptococcus mutans) vorkommt, mit einem antimikrobiellen Eiweißfragment, dem Antibiotikum Novisipirin G10.

Das Signalmolekül dient zur Zielerfassung der richtigen Bazille, und das Antibiotikum tötet sie. Im Gegensatz zu herkömmlichen Antibiotika hat diese Methode den Vorteil, dass mit ihr nicht wahllos alle Bakterien abgetötet werden. In einer solchen Umgebung könnte es dann zur ungewollten Ansiedelung von Pilzen und zu Infektionen kommen.

Wie eine Wiese mit Löwenzahn

Mit den Stamps sei es wie mit einer Wiese auf der das Unkraut Löwenzahn wachse, so Wenyuan Shi, leitender Forscher an der Ucla. "Ein gewöhnliches Pflanzenvernichtungsmittel zerstört die gesamte Wiese einschließlich des Löwenzahns. Ein Herbizid, das genau auf die Vernichtung des Löwenzahns ausgerichtet ist, zerstört nur ihn. Allmählich wächst die Wiese in die Lücken, und der Löwenzahn kommt nicht mehr zurück." Ebenso verhalte es sich mit den Stamps, erklärt Shi.

Die amerikanischen Forscher erproben ihren Wirkstoff zurzeit in Speichelproben und Biofilmen, das sind Schleimschichten aus Bakterien, wie sie zum Beispiel im Zahnbelag vorkommen. "In Speichelproben töten die Stamps innerhalb von 30 Sekunden die Kariesbazillen ab", so Shi. "Auch in dickeren Biofilmen, die über mehrere Tage gewachsen sind und viele verschiedene Arten von Bakterien beheimaten, hatten die Stamps die gleiche Tötungsgeschwindigkeit und -rate. Sie sind auch damit regulären Antibiotika, die in Biofilmen einen sehr geringen Wirkungsgrad haben, weit überlegen", so Shi weiter.

Gegen geläufige Antibiotika entwickeln Bakterien relativ schnell Resistenzen, das heißt, die Bakterien verändern sich so, dass die Antibiotika keine Wirkung mehr auf sie haben. Resistenzen seien bei den Stamps sehr unwahrscheinlich. Denn sie seien so konstruiert, dass das Bakterium sich gleich in mehreren Eigenschaften auf einmal verändern müsse, damit es resistent gegen die Stamps werde, so Shi. Ein weiterer Vorteil der Stamps sei ihre einfache und kostengünstige industrielle Herstellung, schwärmt er.

Idee begeistert

Matthias Hannig, Direktor der Uniklinik des Saarlands für Zahnheilkunde und Prävention ist begeistert von der Idee der Amerikaner: "Die Grundidee und Wirkungsweise der Methode muss ich loben, sie ist sehr faszinierend." Hannig forscht selber an Kariesbakterien und Biofilmen. Einer der wenigen Kritikpunkte, die er anbringt ist, dass man noch ausschließen müsse, dass die Stamps wegen ihrer geringen Größe auch in Körperzellen eindringen und sie schädigen.

Laut Shi gibt es dafür jedoch keine Hinweise, weitere Versuche an Tieren und Menschen müssen das aber noch belegen. Hannig möchte außerdem die Ergebnisse dieser beiden Stufen des Testverfahrens der "Food and Drug Administration" (FDA), der amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörde, abwarten, bevor er sich zu Begeisterungsstürmen hinreißen lässt.

Voraussichtlich wird dieser Zulassungsprozess drei Jahre dauern. Haben die Stamps den FDA-Test aber erst einmal bestanden, sei es sehr wahrscheinlich, dass sie auch von der Emea, der Europäischen Arzneimittelagentur, zugelassen werden und damit auch in Deutschland auf den Markt kommen, so Hannig.

In Zukunft könnte die Methode dann auch benutzt werden, um Bakterien in anderen Teilen des Körpers zu vernichten, wo gewöhnliche Antibiotika Unheil anrichten würden.

Etwa in Nase und Ohr, Vagina und Magen-Darm-Trakt.

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