Mehr Arbeitskräfte Jobmaschine Pflege

Düsseldorf (RP). Die Zahl der Arbeitskräfte im Pflegebereich wird sich in den nächsten Jahren verdoppeln. Die Deutschen werden älter und brauchen mehr Betreuung – und sie werden dafür mehr zahlen müssen.

 In Deutschland leiden rund 1,2 Millionen Menschen an Demenz. Viele von ihnen benötigen im Alltag Hilfe und Pflege.

In Deutschland leiden rund 1,2 Millionen Menschen an Demenz. Viele von ihnen benötigen im Alltag Hilfe und Pflege.

Foto: AP, AP

Düsseldorf (RP). Die Zahl der Arbeitskräfte im Pflegebereich wird sich in den nächsten Jahren verdoppeln. Die Deutschen werden älter und brauchen mehr Betreuung — und sie werden dafür mehr zahlen müssen.

Worüber sind sich die harten Unternehmensberater von McKinsey, FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler und der Deutsche Gewerkschaftsbund einig? Die wichtigste Beschäftigungschance der Zukunft für Deutschland sind weder Autoindustrie, noch Maschinenbau, noch die immer wichtiger werdende Freizeitindustrie, sondern das Gesundheits- und Pflegesystem. "Das Gesundheitswesen läuft als Jobmotor rund", jubelt Rösler. "Nirgendwo arbeiten mehr Menschen", sagt McKinsey. Und tatsächlich sind die Zahlen beeindruckend: Im gesamten deutschen Gesundheitswesen arbeiten laut McKinsey mindestens 4,6 Millionen Menschen — es könnten locker eine Million mehr werden, meinen die Berater.

Alleine im besonders schnell wachsenden Bereich der Pflege waren bereits 2008 mindestens 1,1 Millionen Menschen beschäftigt, in einigen Jahrzehnten werden es wohl mehr als zwei Millionen sein — selbst die Autoindustrie kommt aktuell nur auf knapp 800 000 Beschäftigte. Rund zwei Millionen werden in 40 Jahren allein in der Pflege arbeiten, im gesamten Gesundheitswesen können es dann leicht fast sechs Millionen sein, inklusive Verwaltung, Krankenkassen, Ärzten oder auch Bewegungstherapeuten.

Vorrangig die steigende Lebenserwartung ist Antreiber des höheren Pflegebedarfs. Aktuell sind 20 Prozent der Bevölkerung älter als 65 Jahre alt, in wenigen Jahrzehnten wird es ein Drittel sein, und immer mehr von ihnen leben allein.

Diese Senioren reisen gerne, sie unterstützen ihre Kinder und Enkel mit Freude, doch die Zeit mit Hilfsbedarf für Alltag und Gesundheit nimmt im gesamten Lebensverlauf zu. "Pflegebedürftigkeit ist aber nicht nur ein Thema im Alter — sie kann jederzeit eintreffen", sagt Stefan Juchems, stellvertretender Vorsitzender des Landespflegerats NRW, "grundsätzlich werden immer erfahrene Pflegepersonen gebraucht, um den Menschen dann auch zur Seite zu stehen." Tatsächlich sieht es mit dem Nachwuchs im Pflegebereich alles andere als gut aus. Mindestens 15 000 Pflegekräfte werden bundesweit gesucht, schätzt die Bundesanstalt für Arbeit. Tatsächlich sind es wohl noch deutlich mehr. "Viele Leute werden von Pflegehäusern und Firmen gegenseitig abgeworben", sagt ein Manager eines Pflegeheimes. Bernd Tews, Geschäftsführer des Bundesverbandes bpa, dem Verband der privaten Pflegedienste, ergänzt: "Wir sind in einem schweren Wettbewerb mit anderen Berufsfeldern um qualifizierte Kräfte."

Durch die Knappheit der Kräfte droht nun eine Verschärfung des Pflegenotstandes. "Sowohl bei der stationären Pflege wie bei der Betreuung zu Hause reichen die Kapazitäten bei Weitem nicht aus", sagt Dennis Ostwald, Geschäftsführer des Wifor-Instituts der TU Darmstadt. Besondere Knappheit herrscht dabei in vielen ländlichen Gebieten, aber auch in einigen Großstädten, weil dort die hohen Mieten möglicherweise arbeitswillige Interessenten abschrecken.

Was ist zu tun, um das Problem zu lösen? Zunächst müssen Arbeitslose stärker motiviert werden, in das Wachstumsgeschäft Pflege einzusteigen. "Gerade ältere Mitarbeiter sind in Pflegehäusern oft hochwillkommen", erzählt Tews, "die haben Lebenserfahrung gesammelt und verstehen sich mit Senioren oft besser als mancher junge Mensch."

Gleichzeitig drängt die Branche stärker darauf, mehr ausländische Kräfte für die Pflege anzuwerben. Und da das alles aufwendig ist und vor allem viel Geld kostet, wird auch über einen langfristigen Umbau des Pflegesystems in Deutschland nachgedacht. Dennis Ostwald: "Jüngere Leute sollten stärker angeregt werden, Kapital in einer privaten Pflegeversicherung zu sparen, um im Alter dann auch eigene Mittel im Notfall mobilisieren zu können."

(RP)
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