Geburtshelfer Immer mehr Väter im Kreißsaal

Düsseldorf (RP). Kaum ein junger Mann will sich die Geburt seines Kindes noch entgehen lassen. Im OP können die werdenden Papas wichtige Helfer sein. Allerdings warnen Ärzte: Vor manchen Bildern müsse man die Väter schützen.

 Im Kreißsaal können Männer bei der Geburt ihrer Kinder wichtige Helfer sein.

Im Kreißsaal können Männer bei der Geburt ihrer Kinder wichtige Helfer sein.

Foto: AP, AP

Als Angelika Josten 1972 ihre Ausbildung zur Hebamme begann, waren Männer im Kreißsaal die absolute Ausnahme. Geburt war Frauensache und der Mann ein schlechter Helfer. Wenn Josten jetzt die neuen Teilnehmer ihrer Geburtsvorbereitung begrüßt, dann ist ganz selten eine schwangere Frau dabei, die ohne ihren Mann erscheint. "Ist das Kind gewünscht und die Beziehung intakt, dann ist die Geburt ein Gemeinschaftsprojekt", sagt Josten.

Eine Aussage, die auch eine Studie des Allensbacher Instituts belegt: 77 Prozent der Väter unter 45 Jahren gaben an, im Kreißsaal dabei gewesen zu sein. "Hätten sie die unter 30-Jährigen gefragt, wären sie bei 95 Prozent gelandet", behauptet Wolf Lütje, Chefarzt der Viersener Frauenklinik. Ein Trend, der auch muslimische Familien erfasst. "Geschätzte 60Prozent der türkischen Väter wollen sich die Geburt ihres Kindes nicht mehr entgehen lassen", sagt Lütje.

Längst ist der Mann aus seiner Zuschauerrolle herausgewachsen. In der Vorbereitung lernt auch er, wie eine Geburt abläuft, was die Frau erwartet. "Nicht nur die werdende Mutter hat Angst vor dem Unbekannten", sagt Josten. "In solchen Momenten muss das Paar zusammenhalten." Der Vater helfe schon, indem er nur die Hand hält, den Kopf massiert oder Kaffee holt.

Dass sich die Geburt negativ auf die Beziehung auswirken könnte, glaubt die Hebamme nicht. Im Gegenteil: "Die Entbindung eines Kindes ist Sexualität in Hochpotenz", sagt Josten. Beide Partner seien einer wunderbaren Situation absolut ausgeliefert. "Im Kreißsaal werden Männer ganz weich und sie verlieren jegliche Angst vor Gefühlen", so die Hebamme.

Wolf Lüdje ist die Zweisamkeit im Kreißsaal fast schon zu normal. "Es wird im Vorfeld zu wenig geredet", bemängelt der Arzt. Viele Männer sagen: Bei uns ist das klar, das ich dabei bin. "Ein neues Tabu hat ein altes abgelöst." Es sei kaum untersucht, welche Folgen ein Geburtserlebnis haben kann. "Kein Mann braucht eine heftige Geburtshilfe. Vor manchen Bildern müssen wir die Väter schützen", sagt Lüdje. Genauso muss eine Frau aber auch ehrlich sein, ob sie ihren Partner dabei haben möchte. "Eine Geburt ist so intim, da sollte nichts selbstverständlich sein."

(RP)
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