Scharfe Kritik am Vorgehen der Behörden Hygiene-Experte: EHEC-Fragebogen "dilettantisch"

Berlin (RPO). Der Vorsitzende des Berufsverbandes der Deutschen Hygieniker, Klaus-Dieter Zastrow, hat das Vorgehen der Behörden in der EHEC-Krise scharf kritisiert. Der Fragebogen, mit dem die Erkrankten konfrontiert wurden, habe schwere methodische Fehler aufgewiesen.

EHEC - Was Experten derzeit empfehlen
Infos

EHEC - Was Experten derzeit empfehlen

Infos
Foto: AFP

"Man hat nicht nach den typischen, bekannten Lebensmitteln gefragt, also auch nicht nach Sprossen." Das sei ein schwerer methodischer Fehler, der nicht mal Anfängern unterlaufe, sagte Zastrow der "Berliner Zeitung".

Zastrow ist auch Leiter des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an den Berliner Vivantes-Kliniken. Wären die Erkrankten nach den Sprossen befragt worden, dem Erreger der bislang größten Ausbrüche, dann wäre die Epidemie viel früher beendet worden. Den Fragebogen bezeichnete er dilettantisch.

Zweitens, kritisiert Zastrow, habe man vor dem Verzehr von Gurke, Tomate und Blattsalat gewarnt, obwohl in diesen Gemüsesorten EHEC noch nie gefunden wurde. "EHEC ist bisher nur außen auf der Schale nachgewiesen worden, und die kann man abwaschen", sagt Zastrow.

Der Warnhinweis "gut waschen" hätte völlig ausgereicht. "Bei richtiger wissenschaftlicher Beratung hätte man erfahren, dass es im Innern von Gurken, Tomaten und Blattsalaten kein Ehec geben kann."

Sinkende Zahl an Neuerkrankungen

Derweil meldete das Gesundheitsministerium in Düsseldorf, eine 62-jährige Frau sei an einer Infektion mit EHEC gestorben. Die Frau hatte sich Mitte Mai mehrere Tage in Norddeutschland aufgehalten und dort mit dem Erreger angesteckt.

Insgesamt geht laut Robert-Koch-Institut (RKI) die Zahl der EHEC-Neuerkrankungen aber weiter zurück. Es werde sowohl bei den EHEC- als auch bei den HUS-Fallzahlen ein kontinuierlicher Rückgang beobachtet, teilte das RKI mit. Insgesamt seien bislang 3494 EHEC- oder HUS-Fälle übermittelt worden.

Kläranlagen können E.coli-Bakterien nicht komplett filtern

Der Fund des aggressiven EHEC-Erregers in einem Bach in Frankfurt am Main ist nach Einschätzung des Umweltbundesamtes (UBA) keine Überraschung. "Das ist für Gewässer direkt im Anschluss zur Kläranlage nichts Ungewöhnliches", sagte UBA-Sprecher Stephan Gabriel Haufe auf dapd-Anfrage in Dessau.

Kläranlagen könnten E.coli-Bakterien aus menschlichen Fäkalien nicht komplett aus Abwässern herausfiltern. Das geklärte Wasser werde durch die Einleitung in Bäche und Flüsse aber so extrem verdünnt, dass eine Ansteckung bei Beachtung üblicher Hygieneregeln sehr gering sei.

Eine Verunreinigung des Trinkwassers mit dem Keim ist nach Angaben der Behörde zudem praktisch ausgeschlossen. Werden auch nur geringe Mengen an E.coli-Bakterien bei den regelmäßig stattfindenden Tests gefunden, muss das Wasser beispielsweise mit Chlor desinfiziert werden. Der aggressive EHEC-Stamm O104:H4 wurde in Deutschland bislang noch nie in Trinkwasser gefunden.

Bakterien des Erregertyps O 104:H 4 waren am Freitag in dem Bach gefunden worden. Das Gewässer rückte ins Blickfeld der Behörden, nachdem auf einem nahegelegenen Gemüsehof weniger aggressive EHEC-Erreger nachgewiesen worden waren.

(DAPD/jre)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort