Veränderte Essgewohnheiten Franzosen werden immer dicker

Paris (rpo). Einst galten die Franzosen als rank und schlank, die Frauen waren für ihre schmalen Taillen berühmt. Während andernorts Fettleibigkeit zur Zivilisationskrankheit wurde, blieben sie trotz traditionell viergängiger Mittag- und Abendessen recht zierlich. Das ist vorbei: Stark veränderte Essgewohnheiten lassen die Nation Jahr für Jahr ein bisschen dicker werden.

 Nicht mehr rank und schlank - die Franzosen werden immer dicker.

Nicht mehr rank und schlank - die Franzosen werden immer dicker.

Foto: AFP, AFP

Und weil die Regierung in Paris rasant steigende Gesundheitskosten fürchtet, steuert sie jetzt mit einer breit angelegten Kampagne gegen. Tatsächlich hat die Franzosen vor allem ihr langes Festhalten an Traditionen vor Bauchansatz und Hüftspeck bewahrt, wie Ernährungswissenschaftlerin France Bellisle vom Forschungsinstitut INRA sagt.

"Ein sehr strukturiertes Essverhalten mit festen Terminen für die Mahlzeiten und der Verzicht auf dazwischen eingenommene Snacks haben dazu beigetragen." Daneben habe viel Ausgehen am Abend Bewegung verschafft und für den Verbrauch überschüssiger Kalorien gesorgt. Dies hat laut Bellisle wie eine Art "kulturelle Bremse" gewirkt, zu dick zu werden.

Doch seit den 90er Jahren scheint dies nicht mehr zu funktionieren - zerfallende Familienstrukturen, der Einzug vom Fast Food und Fertiggerichten sowie immer neue Schleckereien der Süßwarenindustrie fordern auch in Frankreich ihren Tribut. Zwischen 1997 und 2003 stieg der Anteil der Übergewichtigen in Frankreich von 36,7 auf 41,6 Prozent, wie eine Studie des nationalen Instituts für Gesundheits- und medizinische Forschung (INSERM) und des Roche-Instituts ergab. Der Anteil der Fettleibigen kletterte von 8,2 auf 11,3 Prozent; bei gleichbleibenden Steigerungsraten 2020 könnte er schon ein Fünftel der Bevölkerung umfassen. "Wenn wir nichts tun, steuern wir auf eine ähnliche Situation wie die USA zu", warnt Ernährungsforscherin Bellisle.

Sorge bereiten Gesundheitsminister Xavier Bertrand vor allem die Kinder. 19 Prozent von ihnen sind seinen Angaben zufolge bereits jetzt dick. Da sie zu einem großen Teil auch als Erwachsene zu viel auf die Waage bringen werden, schrillen in seinem Ministerium die Alarmglocken. Denn schon heute gibt Frankreich für die Behandlung von durch Übergewicht mitverursachten Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Beschwerden und Diabetes pro Jahr fünf Milliarden Euro aus.

Paris will deshalb durchgreifen: So verschwanden zu Beginn des neuen Schuljahres zunächst die weit verbreiteten Automaten für Süßigkeiten und stark zuckerhaltige Erfrischungsgetränke aus den Schulen. Und durch den gesamten Herbst werden Kinder wie Erwachsene mit TV- und Kino-Spots über die Vorteile einer gesunden Ernährung aufgeklärt. 25 Prozent weniger Zucker, heißt dabei der pauschale Rat aus Bertrands Ministerium. Die Zuckerindustrie schlägt zurück. Mit ganzseitigen Zeitungsanzeigen versucht sie, die Kampagne als überzogen darzustellen: "Wer will eine Welt, in der Zucker verboten ist?", steht da unter einem Bild, auf dem ein Polizeiauto einen mit halsbrecherischer Geschwindigkeit fliehenden Eisverkäuferwagen verfolgt.

Dagegen haben die Fast-Food-Ketten eingesehen, dass sie sich dem von oben ausgeübten Druck auf Dauer nicht entziehen können. So bot der Hamburger-Brater Quick im Sommer erstmals Sport- und Ernährungsseminare für Kinder an. Und nach der Einführung von Menüs mit Salaten und Früchten wandelt McDonald's seine Spielzonen in "Ronald Gym Clubs" um: Zwischen dem Biss in den Burger und dem Knabbern an den Pommes Frites sollen die jungen Kunden dann Fahrrad fahren, Basketball spielen, tanzen oder klettern und überschüssige Energie gleich vor Ort wieder abbauen. Wenn das in Frankreich entwickelte Konzept funktioniert, will McDonald's es möglicherweise auch in andere Länder wie die USA übertragen.

(afp)
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