Nervenzellen in Blutbahnen Forscher entdecken verstecktes Sinnessystem

Seattle (RPO). Das Fühlen von Temperaturunterschieden und Schmerzen ist ein lebenswichtiger Mechanismus - so wichtig, dass die Natur für diese Sinneswahrnehmungen eine doppelte Sicherung eingebaut hat. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam um Frank Rice vom Albany Medical College in New York.

 Wer in der Sommerhitze arbeiten muss, kann schon mal ins Schwitzen geraten.

Wer in der Sommerhitze arbeiten muss, kann schon mal ins Schwitzen geraten.

Foto: AFP, AFP

Die Wissenschaftler entdeckten Nerven, die in den Blutgefäßen und Schweißdrüsen verlaufen und völlig unabhängig von den Nervenzellen in der Haut agieren. Die Sinneseindrücke sind in ihrer Ausprägung allerdings wesentlich schwächer, weshalb sie normalerweise von den Signalen überlagert werden, die direkt von den Nervenzellen der Haut registriert und ans Gehirn gesendet werden. Das erklärt, weshalb die Forscher die speziellen Sensoren bei Menschen entdeckten, bei denen die Nervenzellen der Haut aufgrund einer Erbkrankheit nicht funktionieren. Die Wissenschaftler berichten über ihre Studie im Fachmagazin "Pain".

Nur wer die Hitze des Feuers oder die beißende Kälte im Winter spürt, kann sich vor Verbrennungen oder dem drohenden Kältetod schützen. Und nur wer Schmerzen empfindet, kann rechtzeitig auf Verletzungen reagieren. Beides sind also lebenswichtige Alarmsignale. Doch einigen Menschen fehlen diese Sinneswahrnehmungen aufgrund eines ererbten Gendefekts.

In der Folge verletzen sie sich sehr häufig, ohne es zu merken. Dennoch gibt es Menschen, die trotz verringertem Schmerzempfinden ein nahezu normales Leben führen: Die beiden von den Forschern untersuchten Studienteilnehmer waren sich des Gendefekts gar nicht bewusst gewesen, bis sie wegen eines anderen Problems eine Klinik aufsuchten: Sie schwitzten übermäßig stark.

Erst bei den daraufhin anlaufenden Untersuchungen wurde das verringerte Schmerzempfinden nachgewiesen. Um sicherzugehen, entnahmen die Forscher einige Gewebeproben: "Es fehlten sämtliche Nervenzellen, die wir normalerweise mit Sinneseindrücken über die Haut assoziieren", berichtet Rice. Dennoch konnten die beiden Patienten nicht nur Temperaturunterschiede registrieren, sondern auch, womit die Forscher sie berührten und ob die Gegenstände rau oder weich waren.

Da die Betroffenen nicht verwandt waren und beide unter einer übermäßigen Schweißproduktion litten, nahmen die Forscher nun die Schweißdrüsen genauer unter die Lupe. Dabei stießen sie sowohl in den Drüsen als auch in winzigen Blutgefäßen auf eine bislang unbeachtete Art von Nervenzellen. Diese hätten sie zwar schon Jahre zuvor entdeckt, ihnen jedoch keine größere Bedeutung beigemessen: "Wir dachten, dass sie einfach nur den Blutfluss und das Schwitzen regulieren", erklärt Rice. Aber offensichtlich fühlten die beiden Patienten über eben diese verbleibenden Nervenzellen. Die Wissenschaftler halten es für denkbar, dass auch Schmerzkrankheiten wie Migräne und Fibromyalgie, deren Ursachen bislang unklar sind, mit Funktionsstörungen dieser Nervenzellen zusammenhängen.

(DDP/felt)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort