Foodwatch-Studie Gelobt wird, was fett macht

Berlin · Jedes siebte Kind in Deutschland ist übergewichtig. Eine Studie zeigt, dass die Lebensmittelindustrie vor allem ungesunde Produkte für diese Zielgruppe bewirbt. Ausgerechnet McDonald's und Burger King fielen positiv auf.

Foodwatch-Studie - Lebensmittel-Industrie wirbt für ungesunde Produkte
Foto: RP/Radowski

Egal ob Kekse, Frühstücksflocken oder Softdrinks: Mit ungesunden Lebensmitteln können Unternehmen besonders gut verdienen, bei Kindern stehen sie hoch im Kurs und das nicht zuletzt wegen eines erheblichen Werbeaufwands. Die Verbraucherorganisation Foodwatch wirft Lebensmittelherstellern in einer neuen Studie vor, Produkte mit hohem Zucker-, Salz- oder Fettgehalt zielgerichtet an Kinder zu vermarkten. Es brauche daher ein von der Politik verhängtes, weitreichendes Werbeverbot, um Kinder vor den Gefahren ungesunder Ernährung zu schützen.

Foodwatch hatte für die Analyse alle Produkte untersucht, die an Kinder vermarktet werden und von Herstellern stammen, die Teil einer europäischen Selbstbeschränkung sind. Foodwatch wollte wissen, ob die Unternehmen als Unterzeichner der seit 2007 bestehenden freiwilligen Selbstverpflichtung "EU-Pledge" nun verantwortungsvolles Marketing mit Kinderlebensmitteln betreiben.

Das Ergebnis: Nur 29 der 281 untersuchten Produkte könnten als ausgewogen gelten, 90 Prozent der gezielt bei Kindern beworbenen Lebensmittel seien also ungesund, teilte Foodwatch mit. Als Messlatte hatten die Verbraucherschützer die Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für ausgewogene Lebensmittel herangezogen. Ausgerechnet die Fastfood-Ketten Burger King und McDonald's schnitten im Test am besten ab, bei denen immerhin 24 und 32 Prozent der Kinderartikel die WHO-Kriterien erfüllten.

Auch der Lebensmittelriese Nestlé (etwa mit "Maggi"-Fertigsuppen) erreichte eine ähnliche Quote. Alle 26 getesteten Ferrero-Produkte ("Kinder-Schokolade") und sämtliche Joghurt-Kinderprodukte von Danone ("Fruchtzwerge") fielen hingegen wegen zu viel Fett und Zucker durch. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) müsse wegen dieser Ergebnisse dafür sorgen, dass nur noch gesunde Lebensmittel an Kinder vermarktet werden dürfen, sagte der Foodwatch-Experte für Kinderernährung, Oliver Huizinga, am Montag in Berlin.

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Kritiker bemängeln, dass Foodwatch bei dem Test nicht die Grenzwerte des "EU-Pledge" angelegt habe. Schließlich würden sich die Unternehmen an die Selbstverpflichtung halten, hieß es. Foodwatch betrachtet diese aber als "zu lasch". Geht es nach den selbst auferlegten Regeln, können Unternehmen beispielsweise auch noch Frühstücksflocken mit einem Zuckergehalt von 30 Prozent an Kinder vermarkten. Die WHO zieht aber bereits bei 15 Prozent Zucker in Cornflakes und Co eine Grenze. Hinzu kommen laut Foodwatch weitere Schlupflöcher in der EU-Selbstverpflichtung. So gelten Einschränkungen zwar für klassische Werbung im Fernsehen, bei Aktionen im Supermarkt könnten jedoch alle Kinderprodukte beworben werden, kritisiert Foodwatch.

Der Spitzenverband der Lebensmittelwirtschaft BLL wirft der Organisation unseriöses Arbeiten vor. "Foodwatch verunglimpft sichere und qualitativ hochwertige Lebensmittel aufgrund von (WHO-) Nährwertprofilen, die eine reine Empfehlung und keine verpflichtende Vorgabe darstellen (...)", sagte BLL-Chef Christoph Minhoff.

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Unterdessen warnten Mediziner vor den Folgen ungesunder Ernährung von Kindern. In Deutschland sind demzufolge 15 Prozent der Kinder übergewichtig, sechs Prozent davon fettleibig. Im Vergleich zu den 1990er Jahren habe sich der Anteil übergewichtiger Kinder verdoppelt. Und jährlich gebe es in Deutschland 300.000 neue Diabetes-Patienten, sagte Dietrich Garlichs, Geschäftsführer der Deutschen Diabetes Gesellschaft. In der Folge sei Übergewicht ein entscheidender Treiber für chronische Krankheiten und frühzeitigen Tod. Gesunde Essgewohnheiten müssten bereits in der Kindheit gefördert und erlernt werden, erklärte der Mediziner.

(jd)
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