Thailand Ein neues Bein aus Bierdosen

Nakhon Pathom (RPO). In Thailand hilft eine Prothesen-Stiftung körperbehinderten Menschen mit kostenlosen Prothesen. Das besondere daran ist, dass die Ersatzgliedmaßen aus Abfällen bestehen - nur so kann die Hilfe finanziert werden. Eine Unterschenkelprothese kostet in dieser Form nur umgerechnet 20 Euro.

 In Thailand werden Prothesen aus Bierdosen hergestellt.

In Thailand werden Prothesen aus Bierdosen hergestellt.

Foto: AFP, AFP

Matoha Dosare kam vor zwölf Jahren mit nur einem Bein zur Welt. Seine Eltern haben kein Geld, um dem schnell wachsenden Jungen immer neue Prothesen im Krankenhaus der Provinz Yala im Süden Thailands anfertigen zu lassen. "Ohne Prothese muss ich ihn zur Toilette tragen und auch alles andere für ihn erledigen", erzählt die Mutter Menah Jeloh. Im Tempel von Nakhon Pathom bekam der Schuljunge schließlich ein künstliches rechtes Bein - kostenlos, gefertigt aus Getränkedosen und Strümpfen. Matoha ist einer von tausenden Patienten, denen die thailändische Prothesen-Stiftung mit ihrer unkonventionellen Methode zu neuer Lebensqualität verholfen hat. "Jetzt kann er alles wieder selbst machen", freut sich die Mutter.

Die Stiftung wurde 1992 mit Unterstützung des Königshauses gegründet. In Krankenhäusern und Tempeln passen Orthopädietechniker der Hilfsorganisation den Patienten Prothesen an. Viele hätten bei Unfällen Gliedmaßen verloren, litten an Zuckerkrankheit oder seien behindert geboren worden, sagt der stellvertretende Stiftungsvorsitzende Thamrongrat Keokan. In Grenzgebieten seien die Menschen oft durch Minen verstümmelt worden. Seit ihrer Gründung fertigte die Stiftung mehr als 30.000 Prothesen. Die Anfertigung von 600 künstlichen Beinen innerhalb eines Jahres brachte ihr sogar einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde ein.

Die Gelenke an Matohas Bein sind aus eingeschmolzenen Flaschenverschlüssen und Dosen hergestellt, das Nylon von Strümpfen wird beim Formen der Prothese gebraucht. "Nur weil wir Abfallmaterial verwenden, können wir die Kosten niedrig und das Projekt am Laufen halten", erklärt Thamrongrat. Spender sammeln Dosen oder alte Aluminiumtöpfe. Eine Unterschenkelprothese auf diese Art herzustellen kostet die Stiftung 1000 Bath (20 Euro), eine konventionelle Prothese ist zehnmal so teuer.

Geringe Kosten bedeuten jedoch nicht zwangsläufig geringe Qualität. "Einige der hier verwendeten Elemente sind die besten, die ich auf der ganzen Welt gesehen habe", sagt der Professor für Medizintechnik, Jon Sensinger. Er ist mit 35 seiner Studenten von Bangkok zum Tempel in Nakhon Pathom gekommen, um sich die Arbeit der Stiftung anzusehen. "Bei anderen Teilen gefällt mir die Ausführung nicht, aber ich verstehe, warum hier Abstriche gemacht werden", sagt der Professor. Beispielsweise wird Aluminium statt Stahl verwendet. Das macht die Prothesen leichter und ist zudem billig aus Abfall zu gewinnen, nutzt sich aber schneller ab.

Die Stiftung versorgt Menschen kostenlos mit Prothesen, die sich die künstlichen Gliedmaßen sonst nie leisten könnten. Auch versuchen die Orthopädietechniker, die Prothesen den Bedürfnissen der Patienten anzupassen. Als sich Bauern beklagten, dass ihr neues Bein ständig im Schlamm stecken bleibe, entwickelten die Techniker das "Bauernbein" - das statt mit der Nachbildung eines Fußes mit einem Reifenprofil ausgestattet ist. "Wir haben es ähnlich wie ein Elefantenbein gebaut: es dringt in den Schlamm ein und kommt auch wieder heraus", sagt Thamrongrat.

Bauer Waew Tangthiang freut sich schon darauf, mit der neuen Prothese zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder auf dem Feld arbeiten zu können. Seit dem 57-Jährigen der Unterschenkel wegen seiner Zuckerkrankheit amputiert werden musste, konnte seine Frau den Bauernhof alleine nicht mehr profitabel betreiben. Auch Anong Chao hofft darauf, endlich wieder zur Arbeit zu gehen. "Wenn ich das künstliche Bein habe, kann ich meinen Lebensunterhalt selbst bestreiten, zum Beispiel, indem ich Essen verkaufe", sagt die 65-Jährige aus Bangkok. "Dann kann ich etwas anderes machen, als die ganze Zeit im Rollstuhl zu sitzen."

(AFP/rm)
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