Fast 1000 Ebola-Opfer in Westafrika Warum das Virus so schwierig zu bekämpfen ist

Conakry/Freetown · Voodoo-Zauber statt medizinischer Hilfe: Viele Ebola-Kranke in Westafrika wollen von westlichen Ärzten nichts wissen. Die Mediziner sind an ihre Grenzen gelangt.

Wenn Helfer des Roten Kreuzes derzeit in den Ebola-Gebieten in Westafrika unterwegs sind, werden die Autos wie so oft von Kindern belagert. Aber statt "Red Cross!" rufen die Kleinen plötzlich "Ebola! Ebola! Ebola!". So etwa geschehen in Kailahun, im äußersten Osten von Sierra Leone, wo die Seuche besonders heftig grassiert.

"Ich glaube, dass die Menschen ganz langsam zu begreifen beginnen, dass es Ebola wirklich gibt und die Krankheit ganz real existiert", sagt Katherine Mueller, die Sprecherin der Organisation in Afrika, während einer Reise in die Region. Zumindest sei der Name des Virus nun auch Kindern geläufig.

Das war lange nicht so, denn schließlich handelt es sich um die erste Ebola-Epidemie in diesem Teil des Kontinents. Aberglaube, Wunderdoktoren und Voodoo-Zauber taten ihr Übriges - und sind seit dem Ausbruch der Krankheit im vergangenen März die wohl mächtigsten Gegner der Ärzte. "Hier in Sierra Leone wenden sich viele Menschen zunächst an traditionelle Heiler, um behandelt zu werden", erklärt Mueller. "Oft ist es für sie zu spät, wenn sie endlich in eine der Krankenstationen kommen."

Erst wenige Stunden zuvor musste das Rote Kreuz vier neue Leichen abholen. "Am frühen Nachmittag bekamen wir einen Anruf, dass sieben neue Patienten ins Behandlungszentrum gebracht würden." Experten befürchten, dass es noch viele weitere Menschen mit Symptomen gibt, die entweder von ihren Familienangehörigen versteckt werden oder in so abgelegenen Gegenden leben, dass sie noch nicht entdeckt wurden.

Waren lange die Nachbarländer Guinea und Liberia am heftigsten von dem Virus betroffen, so dringen nun aus Sierra Leone die beunruhigendsten Zahlen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Dienstag wurden allein zwischen dem 8. und 12. Juli in allen drei Ländern 85 neue Ebola-Fälle verzeichnet, 49 von ihnen stammen aus Sierra Leone. In dem kurzen Zeitraum starben in der gesamten Region 68 Patienten, 52 davon in der ehemaligen britischen Kolonie.

Insgesamt ist die Zahl der Fälle in Westafrika den Statistiken zufolge damit auf 964 gestiegen. 603 Menschen sind bereits gestorben. "Und ich glaube nicht, dass wir schon den Höhepunkt der Epidemie erreicht haben", warnt Mueller.

Ihre Kollegen von "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) und den Vereinten Nationen stimmen der pessimistischen Prognose zu. "Es gibt immer noch Leute, die behaupten, dass es die Krankheit gar nicht gibt, und wieder andere denken, dass sie nicht behandelt werden muss", sagt Manuel Fontaine, der Unicef-Regionaldirektor für West- und Zentralafrika.

"Wenn wir die Übertragungskette von Ebola durchbrechen wollen, dann müssen wir mehr tun, als Patienten behandeln: Wir müssen an jede Tür klopfen, jeden Markt besuchen und in jeder Kirche und Moschee von Ebola erzählen." Dafür seien aber nicht nur dringend mehr Personal und Partner nötig, sondern auch finanzielle Mittel.

Trotz aller Bemühungen und Maßnahmen rechnen Beobachter deshalb damit, dass es noch Wochen oder sogar Monate dauern kann, bis die Epidemie unter Kontrolle gebracht wird. Oft tritt die Bevölkerung den Helfern in ihren Ganzkörperanzügen geradezu feindlich gegenüber. Etwa rund um Guéckédou in Guinea gebe es mehr als 20 Dörfer, die den Medizinern den Zutritt verwehren, warnt "Ärzte ohne Grenzen". Die Krankheit, die in bis zu 90 Prozent der Fälle tödlich verläuft, rafft immer mehr Menschen dahin. Fieber und schwere Blutungen sind die häufigsten Symptome.

"In Macenta in Guinea sind 15 Mitglieder einer Familie an Ebola gestorben", berichtet die Ärztin Hilde de Clerck, die für MSF bereits bei Ebola-Ausbrüchen unter anderem im Kongo und in Uganda im Einsatz war. Familienmitglieder hatten ihre Angehörigen - darunter auch Kinder - vor dem Zugriff der Helfer versteckt. Nur das Familienoberhaupt und seine Frau konnten gerettet werden. "Es reicht eben nicht, einzelne Mitglieder einer Familie von unserer Arbeit zu überzeugen, wir müssen das Vertrauen jedes einzelnen gewinnen."

Nicht nur für die Kranken, auch für die Helfer ist die Arbeit in den Einsatzgebieten hart - und zwar sowohl physisch als auch psychisch. Die futuristischen Anzüge, die den ganzen Körper bedecken, seien bei den hohen Temperaturen in der Region nur schwer zu ertragen, erzählen Ärzte und Pfleger.

Vor allem aber sei der Umgang mit Ebola-Patienten emotional sehr schwierig. "Die Patienten sind hochgradig verängstigt", sagt de Clerck. "Wir sind die letzten Menschen, die sie berühren, und viele von ihnen bitten uns, ihre Hand zu halten." Einem Sterbenden eine letzte Berührung zu verweigern, ist eine schwere Entscheidung - aber Ebola ist ein unsichtbarer, unter der Haut lauernder Gegner, der nur durch harte Maßnahmen besiegt werden kann.

(dpa)
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