Unter bestimmten Umständen Bluttests auf Downsyndrom werden bald von Kassen bezahlt

Berlin · Werdende Mütter in Deutschland können künftig vermutlich leichter mit einem vorgeburtlichen Bluttest feststellen, ob ihr Kind das Down-Syndrom oder eine andere Chromosomen-Veränderung hat.

Downsyndrom: Bluttests werden bald von Kassen bezahlt
Foto: dpa/Bernd Thissen

Wie der "Spiegel" am Freitag vorab berichtete, wollen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für den Test in bestimmten Fällen übernehmen. Die Mitglieder des zuständigen Gemeinsamen Bundesausschusses von Krankenkassen, Ärzten, Kliniken und Patientenvertretern seien sich einig, dass Barmer, AOK und Co. den Test bezahlen - allerdings nicht als Regelleistung, sondern nur, wenn es besondere Risiken oder Auffälligkeiten in der Schwangerschaft gibt.

Der endgültige Beschluss soll bei der Sitzung am Donnerstag getroffen werden. Abschließend muss das Bundesgesundheitsministerium noch sein Placet geben. In Kraft treten würde die Regelung erst Anfang 2021; zuvor müssen auch noch verbindliche Patienteninformationen formuliert werden.

Inhaltlich hatte sich das Ja lange abgezeichnet. Der Vorsitzende des Gremiums, Josef Hecken, hat mehrfach erläutert, dass das Gremium einzig den Auftrag habe, das Verfahren wissenschaftlich-technisch zu überprüfen - und den Einsatz als medizinisch begründet bezeichnet. Zugleich betonte er aber, dass mit den Bluttests fundamentale ethische Grundfragen berührt seien - allerdings müsse darüber die Politik befinden und nicht der Bundesausschuss.

Der Test hat nämlich das Potenzial, das Erleben von Schwangerschaft und Geburt stark zu verändern. Die Pränataldiagnostik mache aus den Schwangeren Risikomanagerinnen, sagte kürzlich die Medizinhistorikerin Barbara Duden. Sie müssten lernen, "ihr Kind wie ein Aktienpaket zu behandeln, das je nach Wachstumschancen gehalten oder abgesetzt werden soll". Der "Spiegel" brachte es so auf den Punkt: "Der Test setzt Schwangerschaften in den Konjunktiv."

Befürworter argumentieren, schon seit 1986 hätten Risikoschwangere einen Anspruch darauf, dass ihre Kasse eine Fruchtwasseruntersuchung oder eine Biopsie bezahlt. Der neue Bluttest könne diese mit dem Risiko von Fehlgeburten behafteten körperlichen Eingriffe ersetzen.

Gegner wie die katholische Kirche und Behindertenverbände befürchten, dass Schwangerschaften auf Probe künftig die Regel werden, zumal schon bald nach weiteren Gendefekten gefahndet werden kann. Schwangerschaften könnten abgebrochen werden, bevor die Mutter überhaupt eine Beziehung zum Kind aufgebaut oder die Umwelt die veränderten Umstände registriert habe, so die Befürchtung. Der Bluttest ist schon ab der zehnten Schwangerschaftswoche möglich.

"Wir sind verdammt noch mal auch Menschen" - mit diesen Worten kämpft der mit Down-Syndrom lebende Berliner Schauspieler Sebastian Urbanski gegen ein Screening. Der Pränataltest sortiere "Menschen wie mich schon vor der Geburt aus". Die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, Ulla Schmidt, verweist zudem darauf, dass die Tests keinen therapeutischen Nutzen hätten. Zudem gaukelten sie nur Sicherheit vor. "Etwa jedes fünfte Ergebnis ist fehlerhaft", sagt die frühere Bundesgesundheitsministerin. Je jünger die Frau sei, umso höher sei die Fehlerquote. "Darum müssen zur Bestätigung weitere Untersuchungen wie die invasive und risikoreichere Fruchtwasser-Untersuchung folgen."

Seit 2012 gibt es den Gentest auf Trisomien auf dem deutschen Markt. Ein paar Tropfen Blut der werdenden Mutter können Aufschluss über Teile des Erbguts und den Gesundheitszustand des ungeborenen Kindes geben. Bislang müssen gesetzlich Versicherte diesen Test aus eigener Tasche bezahlen, manche Privatversicherungen übernehmen die Kosten schon.

Mehrfach hat sich der Bundestag mit den ethischen Folgen der Bluttests auseinander gesetzt. 2015 hatten sich in seltener Einmütigkeit 158 Abgeordnete aller Fraktionen an die Bundesregierung gewandt und ihre Sorge über mögliche Fehlentwicklungen in der vorgeburtlichen Medizin bekundet. Im vergangenen April stritt das Parlament in einer Orientierungsdebatte über die heiklen ethischen Fragen. Beschlüsse gab es nicht. Allerdings waren sich die meisten Abgeordneten einig, dass die Gesellschaft besser lernen müsse, Behinderungen zu akzeptieren und entsprechende Lebensverhältnisse zu schaffen.

(felt/kna)
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