Technischer Durchbruch Die Zunge wird zum Steuerknüppel für Rollstühle

Washington · Mehr Mobilität für Querschnittgelähmte: Mit Hilfe eines speziellen Zungenpiercings können Betroffene mit dem Mund Rollstühle steuern und Computer bedienen.

 In der Zunge des behinderten Menschen ist ein magnet eingelassen, der eine Steuerung des Rollstuhls erlaubt.

In der Zunge des behinderten Menschen ist ein magnet eingelassen, der eine Steuerung des Rollstuhls erlaubt.

Foto: dpa, Gary W. Meek

Je nach Position der Zunge ergeben sich verschiedene Befehle, die von einem mit Sensoren ausgestatteten Headset erfasst werden, wie US-Wissenschaftler im Fachmagazin "Science Translational Medicine" berichten. Von der Entwicklung sollen Menschen profitieren, deren Arme und Beinen gelähmt sind.

Wohin sich das Piercing im Mund bewegt, ließe sich anhand des veränderten magnetischen Feldes ablesen, schreiben die Forscher um Maysam Ghovanloo vom Georgia Institute of Technology in Atlanta. Die Befehle gehen an einen iPod, der die Zungenkommandos an ein Endgerät - beispielsweise einen Rollstuhl oder einen PC - übermittelt.

Die Testpersonen seien bereits nach einer halben Stunde Üben mit der Technik zurechtgekommen, berichten die Forscher. An den Tests waren 11 Querschnittgelähmte und 23 Gesunde beteiligt. Sie gaben der Studie zufolge mit der Zungensteuerung eine Telefonnummer ein, klickten am Computer auf Objekte oder absolvierten einen Hindernisparcours in einem elektrischen Rollstuhl.

Insgesamt seien mit der Technik sechs verschiedene Befehle möglich - mehr als bei einer bislang üblichen Rollstuhlsteuerung mittels Ein- und Ausatmen, schreiben die Forscher. Probanden, die bislang die Atemsteuerung nutzten, hätten Aufgaben mit der Zunge dreimal schneller - aber genauso akkurat - erledigt. In Zukunft wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie Patienten in ihrem gewohnten Alltag mit der neuen Steuerung zurechtkommen. Sie arbeiten zudem an einer Art Zahnspange, die das auffällige Headset überflüssig machen soll.

Mitte November hatten Forscher aus Göttingen bereits eine Rollstuhl-Steuerung mittels Ohrmuskeln präsentiert. Dabei hatten Testpersonen den Einsatz ihrer Ohrmuskeln zunächst mit einer Software trainiert. Der Vorteil der beiden neuen Methoden: Querschnittgelähmte können - anders als bei einer Steuerung über Atmung oder Blickrichtung - gleichzeitig Befehle geben und mit ihrem Umfeld interagieren.

(dpa)
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