Mindestens 3700 Kinder betroffen Allein und stigmatisiert: Die Ebola-Waisen von Westafrika

Monrovia · Seit die ersten Ebola-Fälle außerhalb von Westafrika bekannt geworden sind, konzentriert sich die Berichterstattung vor allem auf diese. Dass die Seuche aber nach wie vor in Guinea, Liberia und Sierra Leone grassiert, machen Helfer in Blogs deutlich. Sie berichten vor allem über die Kinder, die als Waisen und stigmatisiert zurückbleiben.

Die Coopers – Waisen durch Ebola
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Jo Dunlop arbeitet für das Kinderhilfswerk Unicef in Sierra Leone. In einem Blog schrieb sie Ende September über das Schicksal des 13-jährigen Francis und seiner Schwester fünfjährigen Schwester Rose. Francis lebt nicht mehr in seinem Haus, sondern bei einer älteren Frau, die sich um ihn und andere Kinder kümmert und bei ihrer Arbeit von Unicef und Save the Children unterstützt wird. Der Junge hat seine Eltern durch Ebola verloren, seine beiden Schwestern und seine Großmutter kamen ebenfalls mit Symptomen in die Klinik, nur er blieb gesund.

Inzwischen ist er auch wieder mit seiner Schwester Rose zusammen, die aus der Klinik entlassen werden konnte. Die andere Schwester starb. Es ist eine Geschichte, wie sie derzeit zu Tausenden in Westafrika zu hören sind. Familien werden durch das Virus auseinandergerissen, oft bleiben nur die Kinder zurück.

Mindestens 3700 Kinder haben laut Unicef in Guniea, Sierra Leone und Liberia einen oder beide Elternteile durch die Seuche verloren. Experten befürchten, dass sich diese Zahl bis Mitte Oktober verdoppelt. Die Kinder selbst aber leiden nicht nur unter dem Verlust der Eltern, sondern auch durch die Stigmatisierung, weil sie Kontakt mit Ebola-Opfern hatten.

Die Ebola-Waisen von Sierra Leone
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Nicht einmal die Verwandten wollten kommen

Die ältere Frau, die sich nun um Francis kümmert, sagt, die älteren Kinder wüssten genau, was passiere. "ich versuche sie dazu zu bewegen, ihre Gefühle auszusprechen", sagt sie. Francis sei, so schreibt Jo Dunlop, eines jener Kinder mit großen geweiteten Augen, das genau bei Gesprächen von Erwachsenen zuhöre und wissend herumschaue, während sie die Situation diskutierten. Francis vermisst seinen Vater, so wie seine Schwester Rose vor allem die Mutter. Die Kleine habe inzwischen ihr Zertifikat erhalten, dass sie gesund sei und habe es stolz in die Höhe gehalten, schreibt die Unicef-Mitarbeiterin. Und die beiden hoffen, dass ihre Großmutter überlebt und sich später um sie kümmern kann.

Dieses Glück hat die 16-jährige Promise Cooper nicht. Ihre Eltern, ihr fünf Monate alter Bruder Success — sie alle starben an Ebola. Ihr großer Bruder kam ebenfalls mit Ebola-Symptomen in die Klinik. Seither kümmert sie sich, so schreibt die Nachrichtenagentur AP, um ihre anderen Geschwister, den 15-jährigen Benson und die 13-jährige Ruth. Allein gelassen in der liberianischen Hauptstadt Monrovia. Denn seit bekannt wurde, dass bei den Coopers Ebola ausgebrochen ist, sei niemand mehr vorbeigekommen. Nur ein Onkel habe mal Geld vorbeigebracht.

Ebola - Von ersten Fällen zum Internationalen Gesundheitsnotfall
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Foto: Festa/ Shutterstock.com

Wenn sie etwas einkaufen wollten, wurden die Kinder nicht bedient, die Leute versprühten Desinfektionsmittel. Die Frauen machten Umwege beim Wasserholen, wenn sie Promise sahen. "Warum wollt ihr nicht mit mir reden", fragte Promise schluchzend. Ihr Glück war, dass sich ein engagiertes Gemeindemitglied um sie kümmerte. Und schließlich kam auch eine Tante vorbei, aß ein bisschen Reis mit ihnen. Auch sie wird nun gemieden.

Wegen Ebola-Angst den Job verloren

Über die Stigmatisierung von Menschen, die mit Ebola-Patienten in Kontakt kamen, berichtet auch Terry Howard für Unicef Nigeria in einem Blog. Als er mit einem Arzt in ein Haus mit fünf Familien ging, in dem eine Krankenschwester an Ebola gestorben war, habe ein vorbeilaufender Junge gesagt: "Das ist das Ebola-Haus." Die Familien in dem Haus haben alle getrennte Räume, benutzen aber ein gemeinsames Badezimmer. Nun werden sie jeden Tag auf Fieber und andere Ebola-Symptome untersucht.

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Sie alle berichten davon, so schreibt der Unicef-Mitarbeiter, dass sie von den anderen gemieden würden. So hätten etwa drei Männer ihren Job verloren. "Wenn wir auf die Straße gehen, rennen die Menschen vor uns weg. Sie haben Angst", sagt einer der Mitbewohner des Hauses.

Dass ihr das Zertifikat über ihren hervorragenden Gesundheitszustand helfen wird vor einer Stigmatisierung, hofft derweil Nessie, eine Frau, die behauptet, sie sei 100 Jahre alt, 85 Jahre dürfte sie auf jeden Fall sein. Getroffen hat sie Martin Zinggl, ein Österreicher, der für Ärzte ohne Grenzen in Liberia tätig ist. Nessie sei mit allen Ebola-Symptomen in ihrem Haus gefunden worden. Sie habe sich bei einer Messe angesteckt, wie viele andere auch.

Viele der Messebesucher seien gestorben, die meisten wesentlich jünger als die alte Frau. Entsprechend wenig Chancen zu überleben habe man ihr gegeben. Doch Nessie schaffte es und ließ sich bis zum Ende nicht davon überzeugen, Ebola gehabt zu haben, schreibt Zinggl. Sie habe eine Grippe, habe sie immer wieder gesagt. Für den Ärzte-ohne-Grenzen-Mitarbeiter ist sie aber vor allem eines: ein Wunder, das geschehen kann inmitten der vielen Todesfälle.

(das)
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