Coronavirus-Ausbruch Wie die „Task-Force Infektiologie“ in München gegen Viren kämpft

München · Trotz drastischer Gegenmaßnahmen breitet sich die neue Lungenkrankheit weiter stark aus: In China stieg die Zahl der bestätigten Infektionen binnen eines Tages sprunghaft um mehr als 400 Fälle auf 1372. 41 Menschen sind bislang tot. Wie reagieren deutsche Experten auf die Bedrohung?

Ein Mitarbeiter der "Task Force - Infektiologie Flughafen" am Flughafen München.

Ein Mitarbeiter der "Task Force - Infektiologie Flughafen" am Flughafen München.

Foto: dpa/Sven Hoppe

Am Münchner Flughafen kämpft zum Beispiel die „Task-Force Infektiologie“ gegen unsichtbare Gegner: SARS, die Schweinegrippe, Lassafieber, Masern und Windpocken. Vielleicht in wenigen tagen auch gegen das neue Coronavirus aus China?

An die Schweinegrippe im Jahr 2009 kann Bernd Wicklein sich noch gut erinnern. „Das war die intensivste Zeit“, sagt er. „Da waren wir jeden Tag von fünf Uhr morgens bis kurz vor Mitternacht im Dienst. Ich konnte mich manchmal gar nicht daran erinnern, wie ich nach Hause gekommen bin. So erschöpft sind wir gewesen.“

Wicklein arbeitet für die „Task-Force Infektiologie“ am Münchner Flughafen. Die steht in diesen Tagen wegen des sich ausbreitenden neuen Coronavirus in China möglicherweise wieder vor einer intensiven Zeit - und ist noch wachsamer als ohnehin schon.

Den chinesischen Behörden zufolge liegt die Zahl nachgewiesener Infektionen derzeit bei mehr als 1370. Mehr als 40 Patienten sind gestorben, meist ältere Menschen mit Vorerkrankungen.

Und das Land hat bereits drastische Maßnahmen ergriffen. Mehr als 40 Millionen Menschen in gut einem Dutzend Städten im Herzen des Landes wurden weitgehend von der Außenwelt abgeschottet, indem der Verkehr gestoppt wurde. Besonders betroffen ist die Elf-Millionen-Metropole Wuhan, wo das Coronavirus Ende vorigen Jahres vermutlich von einem Tiermarkt auf Menschen übersprang.

Die Krankenhäuser der Stadt sind offenbar völlig überfordert. Nach offiziell unbestätigten Berichten werden Patienten zurückgewiesen, weil es nicht genug Personal und Betten gibt. Nachdem in Wuhan mit dem Bau eines Hospitals mit 1000 Betten begonnen worden war, soll ein weiteres mit 1300 Betten folgen. Das erste Hospital in Schnellbauweise soll am Montag in einer Woche erste Patienten aufnehmen, das zweite zwei Tage später.

Aus anderen Teilen Chinas wurden mehr als 1680 Ärzte und Pfleger nach Wuhan entsandt. Auch wurden 14.000 Schutzanzüge bereitgestellt. Der öffentliche Nah- und Fernverkehr, Zug- und Flugverbindungen wurden gestoppt, Ausfallstraßen gesperrt. Von Sonntag an wird auch der gewöhnliche Autoverkehr in den großen Stadtbezirken Wuhans gestoppt.

Derweil wurden am Freitagabend aus Frankreich die ersten drei Fälle in Europa gemeldet. Alle drei Patienten waren aus China gekommen.

Mit der Reisewelle um das chinesische Neujahrsfest wächst die Gefahr einer Ausbreitung des Coronavirus. Um die 40 Flugbewegungen gibt es nach Angaben eines Flughafen-Sprechers pro Woche zwischen München und China. Die Region Wuhan wird allerdings von nirgendwo in Deutschland direkt angeflogen.

„Trotzdem kann es natürlich auch in Deutschland zu Verdachtsfällen kommen“, sagt Wickleins Chef Martin Hoch, der Leiter der 2014 ins Leben gerufenen Task-Force. „Aber im Moment sieht es nicht so aus, als ob wir es mit einem zweiten Sars zu tun haben.“ An Sars (Schweres Akutes Atemwegssyndrom), das ebenfalls durch ein Coronavirus verursacht wurde, waren 2002/2003 etwa 800 Menschen gestorben.

Sollte es einen Notfall mit ansteckenden Krankheiten geben, übernimmt die Einheit die Einsatzleitung. Sie ist dabei nicht nur für den Münchner Flughafen zuständig, sondern auch für die in Nürnberg und Memmingen und die Schiffshäfen in Passau und Lindau. Ihren mit Schutzanzügen und Atemmasken gefüllten Einsatzraum hat die Task-Force direkt am Münchner Rollfeld - denn manchmal muss es schnell gehen.

„Wenn ein Alarm kommt, haben wir auch die Möglichkeit, ein Flugzeug zu separieren und am Rand abzustellen, um es zu untersuchen“, sagt Siegfried Ippisch, Organisatorischer Infektionsschutzleiter der fünfköpfigen Task-Force, der außerdem noch ein weiterer Arzt und eine Epidemiologin angehören.

Im Verdachtsfall rücken sie dann an mit Koffern voller Schutzanzüge, Atemmasken - und einem Fern-Fieberthermometer. Sie sprechen mit den Patienten, finden heraus, wo sie in der Vergangenheit waren und ob sie sich dort mit einer schweren Krankheit haben anstecken können.

Sie veranlassen eine Probenentnahme, die dann in einem Labor untersucht wird. Und sie sorgen dafür, dass tatsächlich infizierte Patienten so schnell wie möglich auf die Sonderisolierstation des Schwabinger Krankenhauses gebracht werden. Das Flugzeug, mit dem sie kamen, wird in solchen Fällen desinfiziert.

Die Einsatztruppe hat einen Alarmplan, der auch im Falle des neuen Coronavirus in Kraft treten würde. „Es gibt da mehrere Eskalationsstufen“, sagt Ippisch. Zunächst gehe es vor allem um Information. In Sachen Lungenkrankheit aus China sind in Bayern schon die Ärzte informiert worden, damit sie Augen und Ohren offen halten. In einem weiteren Schritt würden Flyer ausgeteilt und Informationen auf Bildschirmen im Flughafen verbreitet. Bei Eskalationsstufe drei schauen sich Kontrolleure die akommenden Passagiere ganz genau an, wenn sie aus dem Flieger kommen.

„Aber wenn jemand ein Fiebermittel oder andere Medikamente eingenommen hat, dann hat er möglicherweise keine Temperatur mehr und sieht möglicherweise auch nicht mehr krank aus“, sagt Ippisch. Der letzte Schritt auf der Eskalations-Skala wäre dann beispielsweise, Flüge aus Risikogebieten komplett zu streichen. So lange Ippisch und Wicklein am Flughafen arbeiten, ist das noch nicht vorgekommen.

Häufig werden nach Angaben der Taskforce Masern und Windpocken gemeldet. Und drei, vier Mal im Jahr gebe es „etwas Großes“ - den Verdacht auf Ebola oder Lassafieber zum Beispiel. Bestätigt habe der Verdacht sich bislang nie - „zum Glück“, sagt Ippisch und erzählt eine Geschichte: „Zu Zeiten des Ebolaausbruchs in Westafrika hatten wir mal einen dunkelhäutigen Passagier. Der war noch nie in Afrika gewesen, hatte sich aber auf die Lippe gebissen und die Stewardess hat das Blut gesehen. Daraufhin hat sie Ebola-Alarm ausgelöst. 150 Leute waren im Einsatz. Nach zehn Minuten hat sich das geklärt.“

Die Task-Force warnt darum davor, dass Leute in Zeiten des neuen Coronavirus wegen ihrer Herkunft stigmatisiert werden - denn: „Wenn jemand, der aus China kommt, Fieber bekommt oder hustet, dann handelt es sich am wahrscheinlichsten um eine normale Erkältung und nicht um das neue Virus.“

(felt/dpa)
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