Aachener Cannabis-Start-up-Gründer „Mit der Legalisierung wird über Nacht ein Milliardenmarkt eröffnet“

Interview | Düsseldorf · Seit die Ampel angekündigt hat, Cannabis für den Freizeitkonsum zuzulassen, verliert das Rauschmittel sein Tabu. Lars Möhring, Mitgründer des Aachener Start-ups Enua Pharma, spricht im Interview über Vorurteile, Kiffen als Therapieform und seine Pläne für die Zeit nach der Legalisierung.

 Cannabis als Medikament ist in Deutschland schon seit 2017 legal, die Bundesregierung plant die Freigabe für den Freizeitkonsum.

Cannabis als Medikament ist in Deutschland schon seit 2017 legal, die Bundesregierung plant die Freigabe für den Freizeitkonsum.

Foto: imago(2), dpa

Herr Möhring, muss man ein überzeugter Kiffer sein, um ein Cannabis-Start-up zu gründen?

MÖHRING Nein. Ich selber konsumiere zum Beispiel kein Cannabis – weil ich es nicht gut vertrage. Meine Motivation für die Gründung kam aus einer anderen Richtung: 2017 erkrankte meine Tante an Brustkrebs. Um die Begleiterscheinungen der Chemotherapie zu lindern, wurde sie mit medizinischem Cannabis behandelt. Ich habe gesehen, wie es ihr geholfen hat, und ich wollte diese Therapieform mehr Menschen zugänglich machen. Deutschland war 2017 eines der ersten europäischen Länder, in denen schwerkranken Menschen medizinisches Cannabis verordnet werden darf. Da öffnete sich langfristig ein riesiger Markt. Das Potenzial haben wir gesehen.

Die Ampel-Koalition will Cannabis auch zu Genusszwecken legalisieren. Dass Cannabis einmal ein legales Freizeit-Produkt werden könnte, war vor fünf Jahren also noch nicht abzusehen?

MÖHRING Gewünscht haben wir uns das natürlich, und wir haben uns die Szenarien einer Legalisierung früh ausgemalt. Abzusehen war das jedoch damals nicht.

Bei vielen Menschen hat Cannabis nach wie vor den Ruf einer Einstiegsdroge. Glauben Sie, dass sich dieses Image durch die bevorstehende Legalisierung verändert?

MÖHRING Ja, und Umfragen zeigen, dass das bereits passiert. Seit klar ist, dass die Legalisierung von Cannabis als Vorhaben im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition fest verankert ist, gibt es in der Bevölkerung eine Art „gefühlte“ Legalität. Cannabis verliert sein Tabu. Es ist die einzige Droge, die keine letale Dosis besitzt, das heißt: Es gab noch keinen einzigen Cannabis-Toten. Das wird sich auch nicht ändern, denn eine tödliche Dosis kann ein Mensch auf natürlichem Wege gar nicht zu sich nehmen.

Wie groß ist die Nachfrage nach Cannabis?

MÖHRING In Deutschland gibt es Stand jetzt schon mehr als 150.000 Cannabis nutzende Patienten. Das Potenzial liegt aber bei geschätzt einer Million Patienten, das zeigen Länder wie die USA oder Kanada. Außerdem gibt es hierzulande bereits rund fünf Millionen Freizeit-Nutzer, die sich aktuell auf dem Schwarzmarkt versorgen. Wir werden also sozusagen über Nacht, mit Inkrafttreten des Gesetzes, einen Milliardenmarkt gesetzlich eröffnen. Diese fünf Millionen Cannabiskonsumenten gibt es bereits seit Jahren, die müssen nicht erst vom Cannabis überzeugt werden. Unsere Aufgabe besteht vielmehr darin, diese Nutzer langfristig auf eine funktionierende Industrie mit nachhaltiger Infrastruktur zu überführen.

Cannabis-Legalisierung in Deutschland – Pro und Contra im Überblick
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Die Legalisierung ist umstritten: Psychiater warnen vor den Folgen für Jugendliche; die Polizei befürchtet eine weitere Gefahrenquelle im Straßenverkehr. Können Sie diese Sorgen nachvollziehen?

MÖHRING Ja, absolut. Cannabis darf unter keinen Umständen verharmlost werden. Viele der möglichen Risiken, die mit dem Konsum Cannabis einhergehen werden, sind auf Verunreinigung oder Missbrauch zurückzuführen und werden leider durch eine gescheiterte Drogenpolitik begünstigt. Durch eine kontrollierte Abgabe von Cannabis kann gegen die Risiken vorgegangen werden. Das Strecken und Verunreinigen der Substanz, das auf dem Schwarzmarkt weiterverbreitet ist, könnte sofort verhindert werden. Und die Polizei wird entlastet, wenn sie sich nicht mehr mit Cannabisnutzung als Drogendelikt befassen muss. Die meisten solcher Anzeigen werden ohnehin fallengelassen, wenn es sich um Eigenbedarf und triviale Mengen handelt. Eine Legalisierung würde also auch den bürokratischen Aufwand für die Behörden drastisch verringern. Dazu kommen Steuereinnahmen für den legalen Cannabisverkauf. All diese frei werdenden Ressourcen könnte man für Aufklärungsarbeit nutzen. Und für einen besseren Jugendschutz. Cannabis soll ja – so der Gesetzesentwurf des Cannabiskontrollgesetzes – ausschließlich in lizensierten Fachgeschäften ausgegeben werden. So könnten Jugendschutz und Konsumverhalten besser kontrolliert und ein möglicher Drogenmissbrauch könnte früh verhindert werden.

In den USA und Kanada gibt es bereits entsprechende Geschäfte, dort werden etwa fertig gedrehte Joints und essbare Cannabisprodukte in verschiedenen Formen verkauft. Was sind Ihre Pläne für diese Zukunft?

MÖHRING Unsere Wurzeln sind im medizinischen Markt, und wir werden das Angebot für Freizeitkonsumenten, von dem für Patienten klar trennen. Das liegt auch daran, dass medizinisches Cannabis in der Apotheke abgegeben wird. Was Freizeit-Cannabis angeht, würden wir gern die Trends, die in den USA und Kanada den Markt anführen, hierherbringen. Das geplante Cannabiskontrollgesetz lässt aber momentan noch nicht sehr viel Spielraum. Ein Markttreiber werden zu Beginn die getrockneten Cannabisblüten sein, also die, die man im Verdampfer inhaliert. Das werden wir dann erweitern – je nach Gesetzeslage. Da gibt es – siehe USA und Kanada – noch viel zu entdecken.

Und wo könnte man die Produkte dann kaufen?

MÖHRING Wir planen die Eröffnung deutschlandweiter Fachgeschäfte. Das erfüllt uns den Traum des direkten Kontakts mit dem Kunden. Im medizinischen Bereich bleibt uns das verwehrt, denn die Abgabe erfolgt ja durch die Apotheken.

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