"Gras" auf Rezept Wie die Cannabis-Abgabe in Deutschland funktionieren soll

Berlin/Düsseldorf · Das Gesetz von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zur medizinischen Anwendung von Cannabis tritt in Kürze in Kraft. Eine staatliche Agentur soll verhindern, dass die Mittel auf den Drogenmarkt geraten. Wir beantworten die wichtigesten Fragen dazu.

Das sollten Sie über Cannabis wissen
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Der deutsche Staat wird zum Cannabis-Händler: Um tausenden Patienten eine Therapie mit dem Pflanzenwirkstoff THC zu ermöglichen, soll künftig Cannabis in Deutschland angebaut und von einer staatlichen Agentur vertrieben werden. Hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen dazu.

Für eine Therapie mit Cannabis kommen Patienten infrage, die von einer Standardtherapie nicht profitieren können. So sieht es der Gesetzgeber vor. Eine klare Begrenzung auf einzelne Krankheiten gibt es jedoch nicht, und Ärzte können künftig Cannabis auch als erste Wahl verschreiben.

Bisher kommt die Therapie vor allem zur Linderung chronischer Schmerzen zum Einsatz, zur Behandlung von Spastiken bei Patienten mit Multipler Sklerose, bei Appetitlosigkeit wegen Aids, Krebs oder Alzheimer. Auch gegen Übelkeit nach Chemotherapien sollen Cannabis-Mittel helfen oder zur Behandlung des Tourette-Syndroms, einer Nervenkrankheit.

Von wie vielen Fällen geht man aus?

Derzeit erhalten etwa 1000 Patienten mit einer Ausnahmegenehmigung Cannabis-Mittel auf Rezept. Experten rechnen künftig mit einer Steigerung auf rund 5000 Fälle, verlässliche Schätzungen gibt es jedoch nicht.

Ein Arzt muss die Therapie verschreiben, die Substanzen selbst sollen über die Apotheken vertrieben werden.

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Hat ein Arzt ein Rezept ausgestellt, übernimmt künftig die Krankenkasse die Therapiekosten. Bisher mussten Patienten mit einer Ausnahmegenehmigung für eine Cannabis-Therapie die Kosten selber tragen.

Das Gesetz macht dazu keine konkreten Vorschriften. Das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) empfiehlt jedoch die Einnahme von Cannabis-Ölen oder Tropfen. Auch die Abgabe von getrockneten Blüten in Arzneimittelqualität wird künftig möglich sein. Wegen Nebenwirkungen rät das BfArM jedoch vom Rauchen der Cannabis-Pflanzen ab. "Es geht hier tatsächlich nicht um Kiffen oder Joint auf Rezept", sagte Gesundheitsstaatssekretär Lutz Stroppe. Eine Freigabe von Cannabis als Rauschmittel sei nicht geplant.

Bisher wird Cannabis zur medizinischen Verwendung vor allem aus den Niederlanden und Kanada importiert. Im vergangenen Jahr waren das rund 170 Kilogramm. Ab 2019 soll auch Cannabis aus deutschem Anbau verfügbar sein. Bei einem Tagesbedarf von etwa einem Gramm pro Patient würden derzeit 365 Kilogramm pro Jahr benötigt.

Dazu wird die neue Cannabisagentur beim BfArM den Anbau in lizenzierten Betrieben überwachen. Der Anbau soll ausgeschrieben werden, die Betriebe müssen die Ernte lagern. Die staatliche Agentur wird die Ernte schließlich aufkaufen, um sie an Arzneimittelhersteller, Großhändler oder Apotheken weiterzuverkaufen. Einfluss auf den Abgabepreis soll die Agentur nicht haben.

Bisher benötigten Patienten eine Ausnahmegenehmigung, um Cannabis einnehmen zu dürfen. Die Kosten mussten die Betroffenen jedoch selbst tragen, zudem war nicht immer eine Versorgung mit den Arzneimitteln gewährleistet.

Warum ist das Gesetz so umstritten?

Kritiker fürchten dahinter eine schleichende Legalisierung der am weitesten verbreiteten illegalen Droge. Sie wird vor allem in Form von Haschisch oder Marihuana konsumiert, dauerhafter Konsum kann zu Abhängigkeit führen. Mehr als 40 Prozent der 25- bis 29-Jährigen haben es schon einmal konsumiert. Besitz, Anbau und der Handel von Cannabis sind verboten.

Die Bundesärztekammer begrüßt das Gesetz. Mediziner erhoffen sich durch die Freigabe für Patienten weitere Erkenntnisse über die Wirksamkeit von Cannabis. Hersteller wie Bionorica sind aufgeschlossen, weil sie sich zusätzlichen Absatz versprechen. Kritisch sehen sie jedoch, dass die Verwendung von schlecht zu dosierenden Cannabisblüten erlaubt sein wird.

(jd)
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