Beratungen zum Organspendeskandal Bahr will gegen Organ-Trickserei vorgehen

Berlin · Die Zeit drängt. Bald verschicken die Krankenkassen bundesweit Organspendeausweise. Doch der Transplantationsskandal hat Vertrauen zerstört. Jetzt soll mehr Licht ins Organspendewesen kommen.

Die Chronik des Organspendeskandals
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Foto: dpa, Jan-Peter Kasper

Schärfere Kontrollen und harte Strafen sollen Manipulationen bei der Vergabe von Spenderorganen in Deutschland verhindern. "Wir müssen Kontrolle und Aufsicht verbessern, und wir müssen Transparenz und Konsequenzen verbessern", sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nach einem Spitzentreffen am Montag in Berlin. "Wir wollen mit den richtigen Konsequenzen das Vertrauen in die Organspende wieder stärken." Unter anderem soll ein Sechs-Augen-Prinzip bei der Organvergabe eingerichtet werden.

Klinikdirektoren sollen bei Tricksereien in ihrem Haus künftig persönlich zur Rechenschaft gezogen werden können. Für die Kontrollen in den Transplantationszentren soll weiter die Prüfkommission unter dem Dach der Bundesärztekammer zuständig bleiben. "Dafür muss nicht komplett eine neue Superbehörde geschaffen werden", sagte Bahr. Die Kommission soll aber aufgestockt werden und flächendeckend unangekündigte Stichproben machen. "Dafür müssen die Strukturen professioneller werden", forderte der Minister.

Länder, Ärzte, Krankenkassen und Kliniken verabredeten mit Bahr, dass Landesbehörden verstärkt bei Inspektionen in den Kliniken teilnehmen können. Bei der heiklen Frage der Organvergabe sollen stets auch Ärzte mitreden, die mit Transplantationen nichts zu tun haben. Dies solle durch die Verankerung eines Sechs-Augen-Prinzips geschehen, sagte der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Saarlands Ressortchef Andreas Storm (CDU).

Umstrittene Schnellvergabe

Dadurch soll auch die umstrittene Schnellvergabe weniger anfällig für Manipulationen werden. Schwer vermittelbare Organe von sehr kranken oder alten Menschen bleiben dabei in der Klinik oder Region, statt jedem möglichen Empfänger auf der allgemeinen Warteliste zur Verfügung zu stehen.

Schnell umgesetzt werden soll die seit 1. August geltende Regel, dass Ländervertreter in der Prüfkommission sitzen sollen. Neu ist, dass die Prüfberichte öffentlich und in Pressekonferenzen vorgestellt werden sollen. Zudem soll eine Stelle zur auch anonymen Meldung von Auffälligkeiten eingerichtet werden.

Um einen Wettbewerb um möglichst viele Transplantationen zu vermeiden, soll es keine Boni an Ärzte für viele solcher Eingriffe mehr geben. Bei eklatanten Verstößen könnten Kliniken die Erlaubnis verlieren, etwa Leber, Herz oder Niere zu verpflanzen. Schärfere Regeln im Strafrecht sollen auf Basis der laufenden Ermittlungen in Regensburg und Göttingen geprüft werden.

Patienten sollen in den Universitätskliniken der beiden Städte gegen Geld Organe bekommen haben. Krankheitsdaten sollen dafür manipuliert worden sein. Nach den Vorfällen zeigten Umfragen eine gesunkene Spendebereitschaft. Bald läuft eine große Werbeaktion für mehr Organspenden in Deutschland an.

Weichen werden gestellt

Bund und Länder stellten auch die Weichen, dass sie im Rat der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) vertreten sein sollen. Die DSO ist für die Organspende zuständig. Auch sie war ins Gerede gekommen, etwa weil Vertreter Gespräche mit Angehörigen zur Spende bei todkranken Patienten nicht ergebnisoffen geführt haben sollen.

Die Schritte würden nun weiter ausgearbeitet, Gesetzesänderungen würden folgen, sagte Bahr. Für diesen Dienstag hat Bahr die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen zu weiteren Beratungen eingeladen. Nicht alle Forderungen von Länder- und Kassenseite wurden aber erfüllt. So sprach sich die rheinland-pfälzische Ministerin Malu Dreyer (SPD) weiter dafür aus, dass die Richtlinien der Ärzte zur Transplantation stets von der Politik genehmigt werden müssen.

Die Bundesärztekammer veröffentlichte zeitgleich zu dem Treffen die Berichte der Prüfkommission. Zwischen 2000 und 2011 seien in 31 Fällen Verstöße bei der Organvergabe festgestellt worden. 21 dieser Verstöße seien den Behörden mitgeteilt worden. In Deutschland wurden in diesem Zeitraum 50.739 Organtransplantationen an die zuständige Stiftung Eurotransplant gemeldet. Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery räumte ein, dass es auch mehr Verstöße sein könnten, da nur stichprobenartig untersucht worden sei. Die Fälle von Göttingen und Regensburg seien teilweise enthalten.

(dpa)
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