Masern Auf und Ab und kein Ende in Sicht

Berlin · Die Hoffnung auf ein masernfreies Deutschland hat sich in diesem Jahr erneut zerschlagen. Die Zahl der Erkrankten stieg im Vergleich zum Vorjahr um mehr als das Zehnfache. Die Forderung nach einer Impfpflicht ist im Sande verlaufen - vorerst.

Sie beginnen zunächst mit Schnupfen, Husten oder Fieber, sorgen dann für bräunlich-rosafarbene Hautflecken und können mitunter tödlich enden: Masern. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will die Krankheit möglichst bald ausrotten. Doch Deutschland ist davon weit entfernt. In diesem Jahr ist die Zahl der Erkrankungen nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin im Vergleich zu 2012 sprunghaft gestiegen: von knapp 170 Fällen auf deutlich mehr als 1700 Erkrankungen bis Ende November. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) brachte zwar eine Impfpflicht als letztes Mittel ins Gespräch, die Diskussion darum verlief jedoch im Sande.

Um die Ziele der WHO zu erreichen, dürfe es in Deutschland höchstens 80 Fälle pro Jahr geben, also weniger als einen Kranken pro einer Million Einwohner, sagt Dorothea Matysiak-Klose vom RKI in Berlin. Doch diese Hoffnung habe sich in diesem Jahr erneut zerschlagen.

Die Zahl der Masernerkrankungen in Deutschland schwankt stark. 2001 wurden mehr als 6000 Masernfälle gezählt, 2004 waren es nur 123 und ein Jahr später wurden fast 800 registriert. "Es gab weder eine Verbesserung noch eine Verschlechterung", sagt Matysiak-Klose mit Blick auf die vergangenen Jahre. Die Masern seien hoch ansteckend. Deshalb hänge die Zahl der Erkrankungen stark davon ab, wie viele empfängliche Menschen sich in der Nähe eines Infizierten aufhalten. Außerdem würde die Krankheit auch aus dem Ausland ein eschleppt.

Im Frühjahr habe es einen größeren Ausbruch in Berlin-Brandenburg gegeben, weil ein Messebesucher viele andere der 30 000 Gäste ansteckte. "Danach wurde das Virus vermutlich nach Bayern gebracht und sorgte auch dort für einen Ausbruch", sagt die Expertin. Mit fast 800 beziehungsweise 500 Fällen führen Bayern und Berlin in diesem Jahr die Masern-Statistik an. 2011 hat laut Matysiak-Klose ein großer Ausbruch in Frankreich zu vielen Masern-Fällen in Deutschland gesorgt - der Erreger wurde importiert.

Einmal husten oder schniefen reicht schon, um das Virus zu übertragen. Es kann auch das Immunsystem schwächen: "Dadurch können zusätzlich bakterielle Super-Infektionen auftreten", erläutert Matysiak-Klose. So komme es bei einigen Erkrankten zu einer Mittelohr- oder Lungenentzündung. In einem von tausend Fällen folge sogar eine Gehirnerkrankung, die in 20 bis 30 Prozent tödlich enden könne. Komplikationen werden besonders häufig bei kleinen Kindern unter fünf Jahren und bei Erwachsenen über 20 Jahren beobachtet.

"Eine Impfung ist der beste Schutz gegen eine Krankheit. Das gilt nicht nur für Kinder, sondern ¿auch für Erwachsene", sagt eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums. Das sehen längst nicht alle Eltern so. Schlechter geimpft seien eher Kinder von Müttern mit einem hohen Ausbildungsgrad. Einige Eltern meinen auch, dass ihre Kinder die Masern durchmachen sollten, berichtet die Sprecherin.

Das Hauptproblem sei aber, dass viele Jugendliche und junge Erwachsene gar nichts von ihrem fehlenden Impfschutz wüssten, sagt Matysiak-Klose. Hier müsse mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden. Experten raten bei Kindern zu zwei aufeinanderfolgenden Impfungen.
Laut Gesundheitsministerium ist das in Deutschland bei durchschnittlich 92 Prozent der Schulanfänger der Fall. Idealerweise sollten laut RKI-Expertin Matysiak-Klose 95 Prozent der Gesamtbevölkerung immun sein.

Das Gesundheitsministerium hat unter dem Titel "Deutschland sucht den Impfpass" eine millionenschwere Kampagne aufgelegt, um über Masern und das Impfen zu informieren. Unterdessen machen Impfgegner unter dem Motto "Deutschland verbrennt den Impfpass" im Internet mobil und warnen unter anderem vor Impfschäden. Bei Facebook hatte die Gruppe Ende November bereits mehr als 3800 Anhänger.

Parallel zur Aufklärungskampagne prüfe das Ministerium verschiedene gesetzliche Regelungen, um den Impfstatus besser zu dokumentieren oder Ausbrüche besser zu bekämpfen, sagte die Sprecherin. So könnte bereits bei der Aufnahme in einen ¿Kindergarten der Impfstatus von Kindern erhoben werden. Das Vorhaben werde Aufgabe der ¿neuen Bundesregierung sein.

Kinder und Jugendärzte fordern, dass alle Kinder in öffentlichen Schulen und Kitas geschützt sein sollten. "Es sollte zumindest jeder geimpft sein, der von einer öffentlich getragenen Einrichtung profitiert", fasst der Arzt Ulrich Fegeler die dringende Empfehlung seines Berufsverbandes zusammen.

Fegeler geht davon aus, dass die Einführung einer Impfpflicht, wie es sie in der DDR gab, heute unrealistisch ist. Im Ministerium ist das Thema jedenfalls nicht vom Tisch. "Wenn es uns in den nächsten Jahren trotz einer stärkeren Aufklärung nicht gelingt, die ¿Impfquote zu erhöhen, wird die Diskussion um eine Impfpflicht kommen", ist die Sprecherin überzeugt.

(dpa)
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