Europa und Nordamerika Erster Fall von Affenpocken in Deutschland bestätigt

Update | Madrid/London/Berlin/Melbourne · Fälle der eigentlich seltenen Affenpocken werden mittlerweile in immer mehr Ländern nachgewiesen – nun etwa auch in Deutschland, Belgien, Spanien, Portugal, Schweden, Kanada, Australien und den USA. Bisher sind meist Männer betroffen, die Sexualkontakte zu anderen Männern hatten.

In Deutschland ist der erste Fall von Affenpocken bestätigt worden. Wie das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr am Freitag in München mitteilte, wurde das Virus am Donnerstag bei einem Patienten zweifelsfrei nachgewiesen. Der Patient habe die charakteristischen Hautveränderungen gezeigt.

Auch in Australien ist ein erster Fall von Affenpocken nachgewiesen worden. Die Infektion wurde bei einem etwa 30 Jahre alten Mann bestätigt, der kürzlich aus Großbritannien zurückgekehrt war, wie die Gesundheitsbehörde des Bundesstaates Victoria am Freitag in Melbourne mitteilte. Der Mann habe bereits vor seiner Rückreise milde Symptome entwickelt und direkt nach seiner Ankunft am 16. Mai den Arzt aufgesucht. Er befinde sich in einem Krankenhaus in Isolation, seine Kontakte würden nun ermittelt.

Aus dem benachbarten Bundesstaat New South Wales wurde derweil ein Affenpocken-Verdachtsfall gemeldet. Es handele sich um einen etwa 40-jährigen Mann, der vor kurzem aus Europa nach Sydney zurückgekehrt sei, teilte die dortige Gesundheitsbehörde mit. Auch er habe milde Symptome und sei in häuslicher Isolation. Ein Testergebnis stehe noch aus.

In Kanada sind ebenfalls die ersten Fälle von Affenpocken bestätigt worden. Das Virus sei in zwei Laborproben in der Provinz Québec nachgewiesen worden, erklärte die kanadische Gesundheitsbehörde am Donnerstagabend. In Montréal, der größten Stadt in der Region, werden weitere Verdachtsfälle untersucht. Am Donnerstagmorgen hatten die örtlichen Behörden von 17 möglichen Infektionen gesprochen.

In Belgien ist einem Bericht zufolge ein erster Fall von Affenpocken nachgewiesen worden. Die infizierte Person habe sich beim Institut für Tropenmedizin in Antwerpen gemeldet, berichtete der öffentlich-rechtliche Sender VRT am Donnerstagabend unter Berufung auf die Forscherin Isabel Brosius. Die infizierte Person sei nicht sehr krank, hieß es. Die Kontakte der Person würden ermittelt.

Zuvor hatten bereits weitere europäische Länder sowie die USA Krankheitsfälle gemeldet. Betroffen sei eine Person aus dem Bundesstaat Massachusetts im Nordosten des Landes, teilte etwa die US-Gesundheitsbehörde CDC am Mittwoch mit. In Spanien wurden acht Infektionen in der Hauptstadt Madrid gemeldet, wie die Nachrichtenagentur Europa Press unter Berufung auf die Gesundheitsbehörden am Mittwoch berichtete. In Portugal schrieb die Zeitung „Público“ gar von etwa 20 Infizierten. Bei der Mehrheit der bisher bekanntgewordenen Fälle sind Männer betroffen, die Sexualkontakte zu anderen Männern hatten.

In Schweden ist am Donnerstag der erste Fall einer Infektion mit Affenpocken bestätigt worden. Wie die schwedische Gesundheitsbehörde mitteilte, ist eine Person im Großraum Stockholm infiziert. „Die mit dem Virus infizierte Person in Schweden ist nicht ernsthaft krank, aber in Behandlung“, sagte Infektionsmedizinerin Klara Sondén laut der Mitteilung. „Wir wissen noch nicht, wo sich die Person angesteckt hat. Die Ermittlungen dazu laufen.“

In Kanada untersuchen Gesundheitsbehörden laut örtlichen Medien rund ein Dutzend Verdachtsfälle. Ergebnisse würden in den kommenden Tagen erwartet. Über einen bestätigten Fall in der Provinz Quebec seien die Behörden informiert worden, berichtete der kanadische Rundfunksender CBC am Mittwochabend unter Berufung auf das dortige Gesundheitsministerium. Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst nicht.

Affenpocken-Infektionen beim Menschen waren bislang vor allem aus einigen Regionen Afrikas bekannt. Bereits angesichts der ersten bekanntgewordenen Fälle in Großbritannien, wo das Virus Anfang Mai nachgewiesen wurde, hatte das Robert Koch-Institut (RKI) Ärzte in Deutschland für die Virusinfektion sensibilisiert. In einem vom RKI veröffentlichten Beitrag heißt es, Affenpocken sollten auch dann bei unklaren pockenähnlichen Hautveränderungen als mögliche Ursache in Betracht gezogen werden, wenn die Betroffenen nicht in bestimmte Gebiete gereist seien. Männer, die Sex mit Männern haben, sollten laut RKI bei ungewöhnlichen Hautveränderungen „unverzüglich eine medizinische Versorgung aufsuchen“.

In Großbritannien hatte die Zahl erfasster Fälle nach Angaben der Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA) am Montag bei sieben gelegen. Verbindungen zwischen Betroffenen sind nur teilweise bekannt. Teils sei unklar, wo sich Betroffene angesteckt haben. Die Mehrheit der betroffenen Männer soll sich in London angesteckt haben. Die erste bekanntgewordene Infektion soll auf eine Ansteckung in Nigeria zurückgehen.

Die Virus-Erkrankung ruft nach Angaben der UKHSA meist nur milde Symptome hervor, kann aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen. Ansteckend seien nur symptomatisch Erkrankte bei engem Kontakt. Nach UKHSA-Angaben zählen zu den ersten Krankheitsanzeichen: Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen, geschwollene Lymphknoten, Schüttelfrost und Erschöpfung. Es könne sich ein Ausschlag entwickeln, der sich oft ausgehend vom Gesicht auf andere Körperteile ausbreite. Der Ausschlag sehe je nach Phase unterschiedlich aus und könne Windpocken und Syphilis ähneln. Es gibt keine spezifische Therapie und keine Impfung gegen Affenpocken.

Die Pocken des Menschen gelten seit 1980 nach einer großen Impfkampagne weltweit als ausgerottet. Wie das RKI erläutert, haben weite Teile der Weltbevölkerung mittlerweile allerdings keinen Impfschutz mehr. In Nigeria würden nun seit 2017 vermehrt Affenpocken-Infektionen beim Menschen diagnostiziert - und Fälle in Verbindung mit Reisen dorthin vor allem im Vereinigten Königreich.

Fachleute vermuten, dass der Erreger der Affenpocken in Nagetieren zirkuliert, Affen gelten als sogenannte Fehlwirte. „Infektionen können durch Kontakt mit Sekreten infizierter Tiere übertragen werden“, heißt es im RKI-Bericht. Übertragungen von Mensch zu Mensch durch Kontakte mit Körperflüssigkeiten oder Krusten seien mit Infektionsketten von bis zu sechs Menschen beschrieben. „Auch die sexuelle Übertragung von Pockenviren ist möglich“, hieß es.

 Diese vom Robert Koch-Institut zur Verfügung gestellte elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt das Affenpockenvirus.

Diese vom Robert Koch-Institut zur Verfügung gestellte elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt das Affenpockenvirus.

Foto: dpa/Andrea Männel

In einem Fachartikel von 2019 hielten drei RKI-Mitarbeiter fest: „Außerhalb von Afrika wurden Affenpocken bei Menschen lediglich dreimal identifiziert: im Jahr 2003 in den USA und im Jahr 2018 im Vereinigten Königreich und Israel“. Die meisten Menschen - über 30 Fälle wurden erfasst - steckten sich demnach in mehreren US-Bundesstaaten an.

(chal/felt/dpa/AFP)
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