Ursachen der Beschwerden meist völlig unklar 80 Prozent der Rücken-Schmerzen sind harmlos

Marburg (rpo). Genau in diesem Moment klagt jeder zehnte Erwachsene über Rückenschmerzen, bezogen auf die letzten sieben Tage waren es sogar mehr als jeder Dritte. Viele führt in solch einem Fall der erste Weg zum Arzt. Das ist jedoch meistens gar nicht notwendig.

"Mehr als 80 Prozent der Rückenschmerzen sind harmlos", sagt Inge Kokot vom Deutschen Grünen Kreuz (DGK) in Marburg anlässlich des Tages der Rückengesundheit am 15. März. Nach ein bis zwei Wochen seien die Schmerzen meist wieder verschwunden. Erst wenn sie länger als drei Tage anhielten und dabei schlimmer würden, sollte dies umgehend untersucht werden.

Auch bei anderen Warnsignalen ist ein Arztbesuch dringend angesagt: So kann bei zusätzlichen Lähmungserscheinungen an Blase, Mastdarm oder Gliedern, bei Osteoporose oder bei Fieber eine ernsthafte Erkrankung hinter den Rückenschmerzen stecken.

"Allein durch bestimmte Bewegungstests, Prüfung von Reflexen und Muskelkraft können wir meist schon zwischen gefährlichen und ungefährlichen Rückenschmerzen unterscheiden", sagt Jan-Peter Jansen, Schmerztherapeut und Vorstandsmitglied der Deutschen Schmerzakademie.

Stress am Arbeitsplatz

Schwieriger ist es dagegen, die genauen Ursachen der Beschwerden herauszufinden, denn meist sind diese ausgesprochen unspezifisch, wie Thomas Kohlmann, Leiter des Instituts für Community Medicine an der Universität Greifswald betont: Nur selten könnten Bandscheibenschäden, entzündliche Veränderungen der Wirbelsäule oder andere medizinische Diagnosen als eindeutige Ursache ausgemacht werden. So ist es möglich, dass Menschen mit einem Bandscheibenvorfall herumlaufen, ohne dass dieser irgendwelche Beschwerden verursacht.

Eine wichtige Schmerzursache sind dagegen psychische Belastungen wie Depressionen. Nach Angaben Kohlmanns haben Menschen mit solchen Störungen ein zwei bis drei Mal höheres Risiko, chronische Rückenschmerzen zu entwickeln.

Auch Stress am Arbeitsplatz oder Beziehungsprobleme können sich mit anhaltenden Schmerzen bemerkbar machen. Bundesweit sind rund 500.000 Deutsche aus allen Bevölkerungsschichten davon betroffen, allerdings haben laut Kohlmann Menschen mit niedrigerer Bildung und niedrigem Einkommen ein höheres Risiko.

Von Schonung wird abgeraten

Verabschiedet haben sich die meisten Mediziner mittlerweile von der alten Empfehlung, bei starken Beschwerden sich zu schonen und das Bett zu hüten. Denn ohne weitere Bewegung besteht die Gefahr, dass die Schmerzen noch schlimmer werden.

Bei chronischen Beschwerden empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO ein spezielles Stufenschema: Je intensiver der Schmerz, desto stärkere Schmerzmittel bis hin zu Opioiden müssen nach einem festen Plan eingenommen werden. Die Schmerzmittel sind oft überhaupt erst die Voraussetzung für Patienten, Bewegungstherapien durchzuführen.

Am besten ist jedoch eine Vorsorge gegen Rückenschmerzen. "Das fängt schon im Kindesalter an", sagt Kokot. So sollten Kinder möglichst häufig barfuß oder in Strümpfen herumlaufen. Auf diese Weise lerne das Kind, seinen Körper besser auszubalancieren und eine richtige und Rücken schonende Haltung einzunehmen. Eine dauerhafte Fehlhaltung kann nach Angaben der Schmerzexpertin dazu führen, dass Verspannungen auftreten und die kindlichen Knochen falsch wachsen.

"Für alle gilt, dass Bewegung das A und O der Rückenschmerzvorbeugung ist", sagt Kokot. Dabei sei es relativ egal, was man mache. "Man sollte die Bewegungsmöglichkeiten des Alltags nutzen", empfiehlt Kokot.

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