Sorge vor Engpass Ärzte fordern sparsameren Umgang mit Blutbeuteln

Düsseldorf · Deutschland verabreicht so viel Spenderblut wie kaum ein anderes Land. Auch aufgrund sinkender Spenderzahlen drohen Engpässe. Ein effizienteres Management könnte das Problem beheben.

 Blutbeutel in einer Blutbank des Deutschen Roten Kreuzes. (Archiv)

Blutbeutel in einer Blutbank des Deutschen Roten Kreuzes. (Archiv)

Foto: dpa/Marcel Kusch

Im vergangenen Jahr wurden hierzulande rund 4,4 Millionen Blutkonserven und Blutplasma-Spenden verbraucht. Damit steht Deutschland im internationalen Vergleich weit vorn. Dem aktuellen Barmer-Krankenhausreport zufolge ist die Bundesrepublik beim Pro-Kopf-Verbrauch von roten Blutkörperchen Weltmeister. Die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) fürchtet, dass es künftig zu einem Mangel an Blutkonserven kommt. „Studiendaten aus dem Saarland zeigen, dass der Blutverbrauch bei Menschen ab dem 60. Lebensjahr stark ansteigt. Und das gilt für ganz Deutschland“, sagt Hermann Eichler, Präsident der DGTI. Der Grund für den Trend sei, dass auch ältere Menschen von den Behandlungsmöglichkeiten der modernen Medizin profitierten. Als Beispiele nennt Eichler die Behandlung von Krebs oder die Gelenkchirurgie mit der Implantation von Prothesen. „Diese sind ohne den Einsatz von Blutpräparaten oft nicht möglich.“ Die Zahl der Blutspenden ist jedoch seit Jahren rückläufig.

Krankenkassen wie die Barmer fordern daher ein effizienteres Management der wertvollen Ressource Blut. Die Barmer schätzt, dass die Kliniken in Deutschland eine Million Blutkonserven im Jahr einsparen könnten – Konserven, die nicht notwendig seien und die Patientensicherheit sogar gefährden könnten, wie es heißt. „Eine Bluttransfusion ist eine Art Mini-Transplantation. Im Blut eines Fremden könnten theoretisch Viren und Bakterien enthalten sein, die wir als Mediziner heute noch gar nicht kennen“, sagt Patrick Meybohm, stellvertretender Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie an der Uniklinik Frankfurt: „Wir wissen heute, dass Patienten, die Bluttransfusionen erhalten, später häufiger gesundheitliche Probleme haben als die Patienten, die kein Spenderblut bekommen.“

Patienten mit Blutarmut würden derzeit vor einer Operation in der Regel oft mit einer Fremdblutkonserve versorgt, erklärt Meybohm: „Dabei ist diese sehr häufig nicht notwendig. Man kann auch die Blutarmut gezielt behandeln.“ Auch bei den Operationen selbst gebe es Einsparpotenzial. „Verliert der Patient Blut, bekommt er schnell eine Konserve in die Vene gedrückt. Man kann das Blut aber auch sammeln, reinigen und dem Patienten zurückführen. Die Technik dafür wäre seit Jahren vorhanden”, so Meybohm.

An der Uniklinik Frankfurt leitet Meybohm das Patient Blood Management (PBM). Dessen Ziel ist es, die Alternativen zur Fremdbluttransfusion voll auszuschöpfen. Die Idee zu dem Programm stammt aus den USA. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt es seit 2011. Die Uniklinik Frankfurt hat das Patient Blood Management in Deutschland als Erstes etabliert. Im Rheinland setzt seit 2017 beispielsweise das Katholische Karl-Leisner-Klinikum in Kleve diese Richtlinien um. Bisher machen aber nur ein paar Dutzend weitere Kliniken bei dem Programm mit. Dabei scheint es zu wirken: „Wir haben in Frankfurt durch das PBM den Verbrauch von Blutkonserven um 50 Prozent reduziert. Das sind Tausende vermiedene Bluttransfusionen pro Jahr, allein bei uns am Uniklinikum“, sagt Meybohm.

Im nahen Ausland ist das Patient Blood Management oder eine ähnliche Form des Blutsparens in vielen Kliniken Standard. So verbrauchen die Niederlande jährlich 25,1 Blutkonserven pro 1000 Einwohner. In Deutschland sind es laut der Barmer 47,7. Das Bundesgesundheitsministerium sieht jedoch keinen Bedarf, den Verbrauch von Blutkonserven erkennbar einzudämmen. Ein Sprecher teilt mit: „Anders als in vielen anderen Ländern werden Patienten bei uns selbst in hohem Alter auch intensivmedizinisch behandelt. Eine signifikante Einsparung von Bluttransfusionen zu fordern heißt, solche Therapien grundsätzlich infrage zu stellen.“

DGTI-Präsident Eichler betont dagegen die Bedeutung des Blutsparens: „Wir unterstützen und befürworten einen verstärkten Einsatz von sachgerechten Maßnahmen des Patient Blood Managements.“ Dennoch bleibe die Bluttransfusion für viele Patienten eine unverzichtbare Therapieoption.

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