Forschung Wie Wissenschaftler das Altern bremsen wollen

Köln · Jan Hoeijmakers will das Leben der Menschen verlängern. Der Molekularbiologe wählt dazu einen besonderen Weg. Er arbeitet nicht als Arzt mit Patienten, sondern setzt an den Wurzeln an: Er will das Altern verlangsamen.

Die Ersten, die an der Erasmus-Universität in Rotterdam von Hoeijmakers' Entdeckungen profitieren, sind eine spezielle Art von Labormäusen. Die Tiere dienen den Wissenschaftlern als Modell für den älter werdenden Menschen. In etwa 16 Wochen machen diese Mäuse den kompletten Alterungsprozess durch und sterben. Der Holländer konnte ihr Leben verlängern. Einige Mäuse lebten fast dreimal solange wie die gewöhnliche Altersmaus. Hoeijmakers präsentierte seine Ergebnisse jetzzt beim Center für Molekulare Medizin der Universität Köln.

Die Wissenschaftler haben recht gut verstanden, wie der Mensch langsam vergreist. Das Altwerden beginnt schon als Kind, der Widerstand dagegen gehört zum Alltag jeder Zelle unseres Körpers. Die Genetiker beschreiben den Alterungsprozess mit einem einfachen Modell. Sie richten den Fokus auf den wichtigsten Vorgang, der in einer Zelle zum Erhalt des Lebens abläuft: das korrekte Ablesen der Erbinformation, die fehlerfreie Verarbeitung der DNA. Nur dann erfüllt eine Zelle ihre Aufgabe, nur dann liefert sie die richtigen Proteine oder Botenstoffe, nur dann kann sie ihre spezielle Fähigkeit durch Zellteilung weitergeben. Es gibt viele Faktoren, die diesen empfindlichen Prozess stören können: UV-Licht der Sonne, Strahlung oder Umweltgifte beschädigen das Erbgut. Häufig ist es kein fremder Einfluss, sondern eine Auswirkung der Statistik. Auch die Natur leistet sich eine geringe Fehlerquote bei der DNA-Verarbeitung. Weil dieser Prozess ständig milliardenfach im Körper abläuft, ergeben sich daraus schnell tausende von Fehlern.

"Unsere Zellen verfügen aber über einen Reparaturmechanismus", erklärt Hoeijmakers. Stückweise bestimmen die Alterforscher die einzelnen Bestandteile dieser Selbsthilfe der Körperzellen. Die ersten Anhaltspunkte, um den überlebenswichtigen Reparaturbetrieb zu verstehen, lieferten Kinder, die am seltenen Cockayne-Syndrom erkrankt sind. Ein genetischer Fehler verhindert bei ihnen die Bildung körpereigener Substanzen, die zur Reparatur der DNA benötigt werden. Diese Kinder bleiben klein und vergreisen schnell. Mit zehn Jahren zeigen sie alle Symptome des Alters. "Die DNA-Reparatur ist ein komplexer Vorgang", sagt der Biologe, "aber die wichtigsten Substanzen, die beteiligt sind, haben wir identifiziert."

Viele Vorträge handeln von den Details dieses komplexen Systems. Forscher untersuchen, unter welchen Bedingungen der Reparaturmechanismus völlig versagt. Die Zellen sterben dann nicht ab, sondern entwickeln sich zu Krebszellen. Umgekehrt wollen die Wissenschaftler die Selbsthilfe der Zellen nutzen, um sie zu stärken. "Manche Zellen, deren DNA beschädigt ist, stellen vorübergehend ihre Aktivität ein, um Zeit zu gewinnen, die Schäden zu reparieren", nennt Björn Schumacher ein Beispiel. Die Zellen senden in dieser Zeit eine Information an das Immunsystem, die bewirkt, dass die Zellen besonders geschützt werden, so der Kölner Biologe.

Jan Hoeijmakers untersucht sehr intensiv, wie der Alterungsprozess seinen Spezial-Mäusen zu schaffen macht. Er lässt sie Gedächtnisübungen machen und auf drehenden Rädern laufen, um ihre Fitness und das Koordinationsvermögen zu testen. Für das Alter der Mäuse erwies sich ein anderer Faktor als besonders wichtig. Wenn er die Tiere auf Diät setzte und ihnen ein Zehntel oder ein Drittel weniger Nahrung gab, lebten sie deutlich länger.

(RP)
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