Studie So schlägt Ihnen unfaire Bezahlung auf die Gesundheit
Lüneburg · Unfair bezahlt zu werden, zeigt sich nicht nur in barer Münze im Geldbeutel. Es sorgt einer neuen Studie zufolge auch für Schlafstörungen. Wie der Job uns den Schlaf rauben kann und welche gesundheitlichen Auswirkungen eine schlechte Bezahlung sonst noch hat, lesen Sie hier.
Nachts abschalten zu können und allen Ärger des Tages zu vergessen, das ist ein Geschenk. Manchmal aber gelingt es nicht. Jeder kennt Tage, an denen einen bestimmte Situationen bis ins Bett folgen und für eine unruhige Nacht sorgen. So hängt die nächtliche Erholung am seidenen Faden, wenn es Streit zu Hause oder am Arbeitsplatz gibt, man sich hoffnungslos überfordert fühlt oder stupide Tätigkeiten verrichten muss.
Doch auch ein gerade erst unterschriebener Arbeitsvertrag kann zum Schlafkiller werden. Dann nämlich, wenn man sich unfair bezahlt fühlt. Das fand jetzt Professor Christian Pfeifer, Ökonom an der Universität Lüneburg durch die Auswertung dreier großer repräsentativer Befragungen heraus. Sie geben Auskunft über das Schlafverhalten von Arbeitnehmern innerhalb der Woche und am Wochenende und andere Faktoren wie zum Beispiel das Haushalseinkommen, gesundheitliche Einschätzungen und arbeitbezogene Apsekte. Bei der Auswertung der über 28.000 Datensätze zeigte sich, dass ungerecht bezahlte Arbeitnehmer schlechter schlafen. An den Werktagen kommen sie nur mit einer Wahrscheinlichkeit von zehn Prozent auf eine normale Schlafdauer von sieben bis neun Stunden. Außerdem sind die Betroffenen unzufriedener mit ihrem Schlafverhalten.
Die Chance darauf, dass der Arzt ihnen eine handfeste Schlafstörung bescheinigt, liegt bei satten 36 Prozent. Noch etwas fiel auf: Je mehr man arbeitet, desto deutlicher werden diese Probleme. Dabei spielte die absolute Höhe des Stundenlohns keine Rolle. Entscheidend war, für wie gerecht sich der Betroffene bezahlt fühlt.
Dort endet die Verbindung zwischen Gesundheit und Entlohnung aber längst nicht. Vielmehr eröffnen Schlafmangel oder Schlafstörungen einen Teufelskreis: Sie setzen das Herz-Kreislauf-Risiko hinauf, können zu niedriger Lernfähigkeit führen, zu Fettleibigkeit und Diabetes. Außerdem ist die nächtliche Ruhephase ein wichtiger Faktor für eine intakte Immunabwehr und auch muskuläre wie kognitive Funktionen sind beeinträchtigt, wenn wir zu wenig schlafen. Menschen, die nicht genug nächtliche Ruhe bekommen werden unkonzentriert und nervös, neigen schneller zu aggressivem und können sogar Halluzinationen bekommen.
Schlafmangel treibt den Spiegel des Stresshormons Kortisol im Blut in die Höhe und auch der Hormonhaushalt gerät aus den Fugen. Das kann Schilddrüsenprobleme zur Folge haben ebenso wie eine Fehlsteuerung des Hungegerfühls. Indirekt kann zu wenig Schlaf also dick machen.
Warum aber interessieren sich neben Schlafforschern auch Ökonomen für die Schlafprobleme der Deutschen? "Wir wissen aus der medizinischen Literatur, dass Schlaf einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit und Konzentrationsfähigkeit hat und somit auch die Arbeitsproduktivität, das individuelle Wohlbefinden im Allgemeinen und öffentliche Gesundheitskosten", sagt Professor Pfeifer.
Wie eng Berufsleben und Schlaf miteinander verknüpft sind, zeigt sich auch in anderen Untersuchungen: Lastwagenfahrer schlafen am Steuer schneller ein, wenn sei zu wenig schlafen. Schätzungen zufolge gehen rund 25 Pozent der Autounfälle und die Hälfte aller Betriebsunfälle insgesamt auf das Konto mangelnden Schlafs. Ärzte stellen in Folge von Schlafdefiziten unrichtige Diagnosen und verabreichen falsche Medikamente.
Neben wechselnden Schichtdiensten wirkt die Arbeit auch in anderer Weise auf die Schlaflänge und Schlafqualität. Fühlen sich Menschen im Job nicht fair behandelt, ist das oft nicht nur der Grund für gedrückte Stimmung, die bis ins Privatleben strahlt. Ungerechtigkeiten bei der Arbeit verpassen der Gesundheit noch ganz andere Seitenhiebe: Sie sind schlecht fürs Herz, können Bluthochdruck verursachen und Depressionen auslösen. Das fanden der Bonner Ökonom, Armin Falk und der Düsseldorfer Soziologe Johannes Siegerist heraus.
In einem Experiment hatten sie eine Gruppe in Arbeiter und Chefs aufgeteilt. Die Arbeiter mussten auf Blättern mit Nullen und Einsen 25 Minuten lang die Nullen zählen, während die Chefs sich entspannen durften. Abhängig von der Zahl aller addierten Nullen erwirtschafteten die Arbeiter einen Gewinn für das Team. Dieser wurde schließlich von den Chefs aufgeteilt. Meist allerdings schnitten die Arbeiter dabei schlechter ab, als sie gedacht hätten. Das blieb nicht folgenlos. Die Arbeiter unter den Versuchsteilnehmern gerieten dadurch unter Stress. Wie sehr, das konnten die Wissenschaftler an ihrer Herzfrequenz messen.
Weitere Auswertungen auf Grundlage der Daten aus dem Sozio-Ökonomischen Panel ergaben, dass die Befragten, die ihren Lohn als unfair betrachteten, ihren Gesundheitszustand insgesamt schlechter bewerteten und deutlich öfter unter Herzerkrankungen, Bluthochdruck und Depressionen litten.
Der Einfluss einer fairen Entlohnung dürfe darum nicht unterschätzt werden, sagt Professor Christian Pfeifer. Je weiter die Lohnschere zwischen Managergehältern und dem Verdienst der Normalverdiener auseinander drifte, desto ungerechter wird der eigene Lohn empfunden. Er hält die Mitarbeiterbeteiligung für ein Mittel, die empfundene Fairness zu erhöhen. Vorteile würden sich daraus auch für das Unternehmen ergeben: "Unter anderem konnte mit Umfragedaten gezeigt werden, dass Arbeitnehmer, die ihren Lohn als gerechter Wahrnehmen, beispielweise zufriedener mit ihrer Arbeit sind und eine geringere Kündigungsabsicht besitzen."