Was bei FMS hilft Fibromyalgie - die rätselhafte Schmerzkrankheit

Düsseldorf · Fast alle Patienten klagen über starke Schmerzen, Schlafstörungen sowie körperliche und geistige Erschöpfung. Die Symptome des Fibromyalgie-Syndroms (FMS) sind vielfältig. Und das Erkennen der Krankheit ist schwierig.

 Starke Schmerzen, wenig Schlaf: Fibromyalgie ist eine tückische Krankheit (Symbolbild).

Starke Schmerzen, wenig Schlaf: Fibromyalgie ist eine tückische Krankheit (Symbolbild).

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Es gibt keinen spezifischen Bluttest und keine Röntgenuntersuchungen für die Diagnose FMS, erklärt Prof. Winfried Häuser von der Klinik für Innere Medizin 1 am Klinikum Saarbrücken.

Um Fibromyalgie festzustellen, müssen sich Mediziner die Vorgeschichte des Patienten gründlich ansehen und eine komplette körperliche Untersuchung sowie mehrere Labortests machen. Nur so können sie sicherstellen, andere körperliche Erkrankungen als Ursache oder Mitursache der Schmerzen und Müdigkeit nicht zu übersehen.

Wörtlich übersetzt bedeutet Fibromyalgie „Faser-Muskel-Schmerz“. Nach Angaben der offiziellen Leitlinie zur Behandlung von FMS tritt die Krankheit in den westlichen Industrienationen bei rund zwei Prozent der Bevölkerung auf - größtenteils Frauen zwischen 40 und 60 Jahren. Es können aber auch andere Altersgruppen sowie Männer und Kinder betroffen sein.

Die Patienten leiden zum Beispiel unter langandauernden Schmerzen, Ein- und Durchschlafstörungen und Erschöpfung. Hinzu kommen psychische Probleme: „So erfüllen etwa 60 bis 80 Prozent von ihnen die Kriterien einer depressiven oder Angststörung“, sagt Häuser. „Aber nicht jeder FMS-Patient hat eine psychische Störung, und nicht jeder Patient mit einer depressiven oder Angststörung hat chronische Schmerzen in mehreren Körperregionen.“

Die Ursachen für die Erkrankung können vielfältig sein. Experten gehen davon aus, dass eine genetische Veranlagung sowie verschiedene biologische und psychische Faktoren für das Fibromyalgie-Syndrom verantwortlich sind. Zu diesen Faktoren gehören unter anderem Infekte, Depressionen, traumatische Ereignisse und Lebensstilfaktoren - Bewegungsmangel und Übergewicht zum Beispiel.

Auffällig ist zudem, dass viele Betroffene ähnliche Persönlichkeitsmerkmale haben: „Die meisten Fibromyalgie-Patienten sind sehr sensibel, leistungsbereit und ehrgeizig“, erklärt Thomas Weiss aus Mannheim, Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychiatrie sowie Psychotherapie und psychosomatische Medizin. „Häufig kommt im Laufe des Lebens eine Überforderung dazu, die Personen geraten an ihre Grenzen - und dann geschieht etwas, das für sie schwer verständlich ist.“

Plötzlich schlafen die Betroffenen nicht mehr gut, sie reagieren empfindlicher auf Reize und haben vegetative Beschwerden - Nervosität etwa. „Wir gehen davon aus, dass die Körper der Patienten die Reizschwelle herunterfahren, was in stressigen Situationen evolutionsbedingt ein sinnvolles Verhalten ist“, sagt Weiss. Nachts nicht mehr zu schlafen war früher zum Beispiel mal notwendig - als Schutz vor Gefahren. „Im Kern geschieht also eine Freischaltung von angeborenen, epigenetisch vererbten Programmen, die eigentlich fürs Überleben in einer ursprünglichen Umgebung notwendig waren.“

Den Patienten kann diese Erklärung vielleicht helfen, die Erkrankung zu verstehen. Die Symptome beseitigt sie jedoch nicht. „Wir geben zur Behandlung häufig sehr niedrig dosierte Antidepressiva“, sagt Weiss. „Das soll nicht bedeuten, dass es sich bei Fibromyalgie um eine verkappte Depression handelt, aber die Mittel haben eine leicht schmerzstillende Wirkung.“ Entspannende Techniken können ebenfalls helfen - zum Beispiel Meditation und progressive Muskelentspannung. Und so schwer es Patienten bei starken Schmerzen und permanenter Erschöpfung oft fällt: Bewegung kann helfen, die Symptome zu lindern.

Diese Erfahrung hat auch Ulrike Eidmann aus Wuppertal gemacht. 1990 wurde bei ihr Fibromyalgie festgestellt. „Ich war vorher für längere Zeit wegen Rücken- und Muskelschmerzen krankgeschrieben, aber kein Arzt hatte eine Erklärung“, erzählt sie. „Erst ein dreiwöchiger Klinikaufenthalt brachte mir eine Diagnose.“ Zunächst verordneten die Ärzte Schmerzmittel, das half aber kaum. Seit vier Jahren verzichtet die Patientin auf diese Medikamente. „In einer Reha habe ich erstmals seit der Diagnose angefangen, mich viel zu bewegen“, erzählt Eidmann. „Ich habe mit Nordic Walken und Fahrradfahren begonnen, außerdem bin ich viel geschwommen.“

Die Symptome wurden besser und verschwanden schließlich weitgehend. Phasenweise ist sie inzwischen komplett schmerzfrei. Heute sagt sie: Jeder Patient müsse für sich selbst herausfinden, was ihm hilft. „Für mich war es sehr wichtig, auf mich zu hören und so zu erkennen, was mir gut tut.“ Außerdem solle man selbst erleben, dass sich Bewegung lohnt. „Auch ich muss mich immer wieder aufraffen, aber ich weiß, dass ich mich im Anschluss besser fühle“, sagt Ulrike Eidmann. „Wenn man das gelernt hat, dann fällt es leichter, sich trotz Schmerzen aufs Rad zu setzen.“

Wichtig ist es nach Ansicht von Häuser aber, es bei der Bewegung nicht zu übertreiben. „Training mit mittlerer und hoher Belastung führt bei vielen Patienten zur Schmerzzunahme“, sagt er. Ausnahmen gebe es nur bei Personen, die bereits vor Beginn der Erkrankung sehr gut im Ausdauertraining waren. Manchen Patienten könne es zusätzlich helfen, die Ernährung umzustellen - auch wenn die Wirkung wieder sehr individuell ist.

„Es gibt keine FMS-Diät“, sagt Häuser. „Wie für Gesunde auch wird eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse, Obst, Ballaststoffen und wenig Fleisch empfohlen.“ Einzelne Patienten profitieren von vegetarischer Ernährung oder glutenfreier Kost. Ob das die Symptome lindert, muss jeder selbst herausfinden. „Wenn nach vier Wochen keine für den Patienten spürbare Besserung eingetreten ist, sollte der Diätversuch beendet werden.“

(felt/dpa)
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