Nach dem Anschlag auf den Boston Marathon Was bei einer Bombenexplosion zu tun ist

Düsseldorf · Unglücke sind unberechenbar und können überall passieren. Das zeigt der Bombenanschlag auf den Marathon in Boston. Wie man sich in einer solchen Situation am besten verhält, erklärt Ludwig Geiger, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes.

 Ludwig Geiger ist Vizepräsident des deutschen Feuerwehr Verbandes und verantwortlich für Technik, Gesundheitswesen und Rettungsdienst.

Ludwig Geiger ist Vizepräsident des deutschen Feuerwehr Verbandes und verantwortlich für Technik, Gesundheitswesen und Rettungsdienst.

Foto: Deutscher Feuerwehr Verband

Herr Geiger, in den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu tragischen Unglücksfällen in Asien, den USA aber auch in Europa. Angenommen ich befinde mich auf einer Großveranstaltung wie einem Marathon, einem Festival oder auch einem Fußballspiel. Wie muss ich mich verhalten, wenn plötzlich eine Explosion stattfindet?

Geiger: "Im ersten Moment muss man davon ausgehen, dass erst einmal ein gewisser Schock zu verkraften ist, denn auf so ein Ereignis ist man ja nicht vorbereitet. Dann gibt es im Grunde drei wichtige Schritte: Zum einen gilt es Ruhe zu bewahren, auch wenn das natürlich leichter gesagt, als in der eigentlichen Situation getan ist. Zum anderen sollte man versuchen sich in Sicherheit zu bringen und drittens, wenn es geht, versuchen den Opfern zu helfen, die verletzt sind oder vielleicht am Boden liegen.

Sie sagen ja schon selbst, dass es im Realfall schwierig ist in einer solchen Situation einen kühlen Kopf zu bewahren. Gibt es irgendwelche Tricks, wie man sich selbst runterregeln kann?

Geiger: "Bevor man handelt, sollte man versuchen sich selbst daran zu erinnern, sicht nicht von der allgemeinen Panik mitreißen zu lassen. Sehen Sie, der Mensch ist ja ein Herdentier und deshalb immer erst einmal dazu geneigt, der Menge hinterher zu laufen. Wenn aber eine große Masse in eine Richtung stürmt und sich dort dann ein Hindernis auftut, kann es zu einer noch größeren Katastrophe kommen. In der Menge werden viele Menschen umgeworfen, bleiben am Boden liegen, verletzen sich oder werden gar totgetrammpelt. Deshalb ist das A und O Ruhe zu bewahren, sich die Lage zu vergegenwärtigen und sich nach Möglichkeit in kontrollierten Bewegungen in Sicherheit zu bringen.

Und was wäre so ein sicherer Ort?

Geiger: Das ist natürlich so eine Sache. Denn zum Beispiel in Boston hat man ja drei weitere Bomben gefunden, die explodieren hätten können. Da ist es, ganz abgesehen davon, dass davon niemand wusste, natürlich schwierig gewesen so etwas wie einen sicheren Ort zu finden. Aber gehen wir mal von einem Unglücksfall wie einer Gasexplosion aus, bei der nach einer einzigen Explosion alles vorbei ist. Dann sollte man sich erst einmal von allem fernhalten was brennt oder in der Nähe der Explosion ist. Am besten hält man sich im Freien auf, wo wenige Gebäude oder Ähnliches sind bei denen potenziell Einsturzgefahr oder die Möglichkeit eines weiteren Anschlags besteht. In Gebäude hinein sollte man deshalb auf keinen Fall gehen.

Sie sagten, man solle versuchen Hilfe zu leisten. Wie kann man das am besten tun gerade, wenn der letzte Erste-Hilfe-Kurs schon eine Weile zurück liegt?

Geiger: Es gibt viele Leute, die von der Druckwelle der Explosion auf den Boden geschleudert werden oder sich hinwerfen, um sich zu schützen. Diejenigen sollte man motivieren aufzustehen und mitzukommen. Auch bei Verletzten geht es natürlich darum, sie aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich heraus zu bringen. An Erste Hilfe würde ich zunächst gar nicht so sehr denken. Denn man hat ja keinen Verbandskasten oder ähnliches zur Hand. Deswegen kann man medizinisch als Laie nur wenig tun.

Nun gab es ja auch Bombenanschläge in der U-Bahn wie etwa in London im Jahr 2005. Da ist man ja in einer Tunnelsituation. Wie sollte man sich hier am besten verhalten?

Geiger: In der U-Bahn ist es in der Tat extrem schwierig. Passiert etwas im Tunnelsystem können die Betroffenen nicht raus, und die Türen gehen auch nicht leicht auf. Am besten ist es dann in der U-Bahn auf Hilfe zu warten. Wenn die Hilfskräfte an der U-Bahn sind, ist nämlich auch sicher gestellt, dass der U-Bahn-Verkehr in dieser Region eingestellt wurde. Und so können keine weiteren Unfälle auf den Schienen passieren.

Und auf dem Bahnsteig?

Geiger: Auf dem Bahnsteig ist es ähnlich wie im freien Gelände. Allerdings dadurch erschwert, dass die U-Bahn-Aufgänge natürlich nicht dafür konzipiert sind, dass sich eine große Menschenmenge hindurch drückt. Auch hier würde ich deshalb empfehlen, lieber am Bahnsteig auf die Helfer zu warten, als in mit der Panik der Masse mitzugehen.

Herr Geiger, noch zwei Fragen. Zum einen gibt es etwas, dass man gar nicht tun sollte?

Geiger: Alles was die Panik, die sicherlich ohnehin herrscht vergrößern könnte sollte man unbedingt lassen. Schreien und wildes Gestikulieren kann sich beispielsweise auf andere Menschen übertragen. Besser ist es weniger zu tun, und einfach auf Hilfe zu warten. Wie gesagt, ist das natürlich in der Theorie einfacher, als dann in der Praxis umgesetzt.

Was ist zu tun, wenn man Kinder dabei hat?

Geiger: Da die Kinder die Situation als wesentlich schockhafter erleben, als Erwachsene sollte man unbedingt beruhigend auf sie einwirken. Außerdem ist es wichtig darauf zu achten, dass sie sich nicht losreißen, oder auch fortgerissen werden, da sonst eine sehr große Verletzungsgefahr besteht.

Das Gespräch führte Susanne Hamann.

(ham)
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