Studienergebnisse Vorsicht bei leicht erhöhten Schilddrüsenwerten

Düsseldorf · Schilddrüsenkranke sollten ihre Hormonwerte noch sehr viel genauer im Auge behalten als bisher. Denn schon Schilddrüsenwerte, die bislang als unbedenklich galten, sind gefährlich. Neue Studien warnen vor Schlaganfall, Herztod oder Demenz. Hier lesen Sie, wer gefährdet ist und warum.

 Schon kleine Abweichungen bei den Schilddrüsenwerten können schwere gesundheitliche Folgen haben.

Schon kleine Abweichungen bei den Schilddrüsenwerten können schwere gesundheitliche Folgen haben.

Foto: Shutterstock/Image Point Fr

Rund 27 Millionen Schilddrüsenkranke in Deutschland kennen es: Regelmäßig müssen sie zur Blutabnahme, um ihre Schilddrüsenhormonwerte bestimmen zu lassen. An den Blutwerten kann der Arzt ablesen, ob sie im Normbereich sind oder möglicherweise eine Über- oder Unterfunktion droht. Das zu beobachten, ist vor allem für einen gut funktionierenden Stoffwechsel wichtig. Doch nicht nur das: Neue Studien aus den Niederlanden und Dänemark zeigen, dass schon kleinste Abweichungen zur ernsten Gefahr werden können.

Schon leichte Abweichungen haben schwere Folgen

Darum schlägt nun der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner (BDN) Alarm: "Bislang war bekannt, dass eine Schilddrüsenüberfunktion die Risiken für Herz- und Kreislauferkrankungen ansteigen lässt", sagt Detlef Moka, Vorsitzender des BDN. Der Grund: Der Stoffwechsel läuft auf Hochtouren, der Herzschlag beschleunigt und der Blutdruck steigt. Das verursacht bei manchen Menschen Herzrhythmusstörungen.

Wissenschaftler der Universität Rotterdam zeigten darüber hinaus, dass auch diejenigen, die als gut eingestellt gelten, gefährlich leben. "Schon leicht erhöhte Hormonwerte potenzieren das Risiko für einen Schlaganfall, Herzstillstand oder Demenz um das 2,5-fache", sagt Detlef Moka. Die Gefahr, innerhalb der nächsten zehn Jahre an einem plötzlichen Herztod zu sterben, liegt für sie um vier Prozent höher.

Zu diesem Ergebnis kamen die Wissenschaftler, nachdem sie die Daten von rund 10.300 Testpersonen ausgewertet hatten. In den ersten neun Jahren starben 261 von ihnen an einem plötzlichen Herztod, der meist Folge von Herzrhythmusstörungen ist. Auffällig daran: Viele von ihnen hatten leicht niedrige TSH-Werte. Dieser Wert steht in Zusammenhang mit der gesteigerten Produktion des Hormons T4. Seine Produktion bremst die der Thyreoidea-stimulierenden Hormone (TSH), also Schilddrüsen-stimulierenden Hormone, aus. Auch eine dänische Untersuchung mit 500.000 Teilnehmern bestätigt einen Zusammenhang zwischen niedrigen TSH-Werten und dem Risiko für Herzrhythmusstörungen und Vorhofflimmern.

Bisher galt niedriges TSH als sicher

"Ein niedriges TSH weist deshalb auf eine Überfunktion hin. Bisher galten TSH-Werte bis 4,0 mU/l ("mU" bedeutet so viel wie Milli-Einheiten) als sicher", sagt Moka. Doch die Ergebnisse aus den Niederlanden lassen seiner Meinung nach hieran zweifeln. Moka rät darum Menschen mit einer vergrößerten Schilddrüse unbedingt zu einem Hormon-Check.

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Warum das wichtig ist, erklärt der Facharzt so: "Die Schilddrüsenhormone bestimmen die Betriebstemperatur des Stoffwechsels. Bei einem Mangel kommt es zu Abgeschlagenheit, Gedächtnisschwäche, depressiven Verstimmungen, Haarausfall, Verstopfung und Gewichtszunahme. "Vor allem auf die Gewichtszunahme reagieren insbesondere Frauen meist sehr schnell und suchen den Arzt auf."

Genau das Gegenteil ist bei der Überfunktion der Fall: Produziert das schmetterlingsförmige Organ im Hals zu viele Hormone, sorgt das für Ruhelosigkeit, Durchfall, übermäßiges Schwitzen oder Herzstolpern. Aus diesem Grund wird Menschen mit Symptomen einer Überfunktion dringend zu einer Überprüfung ihrer Schilddrüsenwerte und zur medikamentösen Behandlung geraten.

Schilddrüsenwerte anders interpretieren

Das allerdings scheint nach den neuen Erkenntnissen nun auch dann schon nötig, wenn die TSH-Werte noch im Normbereich liegen. Denn schon dann potenziert sich offenbar das Risiko für schlimme Erkrankungen oder den plötzlichen Herztod. Besonders dramatisch ist das laut Moka, "weil die meisten eine leichte Überfunktion als Steigerung der Lebensqualität wahrnehmen. Sie sind etwas fitter und aktiver und streben gar keine Veränderung an." Zudem fällt es ihnen sehr leicht, ihr Gewicht zu halten, denn ihr Stoffwechsel läuft aktiver, ohne dass sich aber die typischen Symptome einer Überfunktion offensichtlich zeigen. Man nennt das eine latente Überfunktion.

Bislang hat man niedrige TSH-Werte toleriert. Nun aber müsse man darüber nachdenken, wie Menschen mit latenter Überfunktion besser geschützt werden können. Dazu seien weitere Studien notwendig. Der Nuklearmediziner sieht auch Patienten mit einer Unterfunktion im Kreis der Betroffenen: "Denn die meisten Ärzte visieren einen TSH-Wert an, der einer latenten Überfunktion entspricht. Dazu kann nicht mehr geraten werden."

(wat)
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