Medizin US-Forscher wollen mit Stammzellen Hirntote wiederbeleben

Düsseldorf · Es klingt wie die moderne Version von Frankenstein: US-Wissenschaftler versuchen in Indien, hirntote Patienten wiederzubeleben. Profitieren könnten auch Menschen, die an Parkinson oder den Folgen eines Schlaganfalls leiden.

 Das Gehirn ist ein komplexes Gebilde, das beim Hirntod bislang als unwiderruflich verloren gilt. US-Wissenschaftler der Unternehmen Bioquark und Revita Life Sciences glauben aber, dass es eine Möglichkeit gibt, das Nervensystem zu reaktivieren.

Das Gehirn ist ein komplexes Gebilde, das beim Hirntod bislang als unwiderruflich verloren gilt. US-Wissenschaftler der Unternehmen Bioquark und Revita Life Sciences glauben aber, dass es eine Möglichkeit gibt, das Nervensystem zu reaktivieren.

Foto: Shutterstock.com/ Naeblys

Zugegeben, der Name "Bioquark" klingt nicht vertrauenserweckend. Aber so heißt das US-Biotech-Unternehmen, das in einem Joint Venture von der amerikanischen Gesundheitsbehörde und der Ethik-Kommission die Erlaubnis erhalten hat, an 20 hirntoten Patienten zu experimentieren. Was verstörend klingt, geschieht mit der Erlaubnis der Angehörigen und in Zusammenarbeit mit dem Anupam Hospital in Rudrapur im indischen Bundesstaat Uttarakhand.

Mit Stammzellen, Lasern und Nerven-Stimulationstechniken, die bei Koma-Patienten bereits Erfolge zeigten, möchte man eine Reaktion des Nervensystems provozieren - an 20 Menschen zwischen 15 und 65 Jahren, die nach einem Unfall für hirntot erklärt wurden. Das heißt, es gibt keine messbare Aktivität mehr im Gehirn, und die Betroffenen werden nur noch mithilfe von Maschinen an Leben gehalten. Eine weitere Bedingung für den Versuch ist, dass die Patienten keine Organspender sind. Angesichts des unsicheren Ausgangs des Experiments möchte man niemand anderem die Chance nehmen, durch eine Organspende zu überleben.

"Das ist der erste Versuch seiner Art und eine weiterer Schritt, um schlussendlich den Tod umzukehren", sagt Dr. Ira Pastor, Vorstandsvorsitzender von Bioquark, dem Magazin "Science World Report". In dieser ersten Phase des sogenannten ReAnima-Projekts erwarten die Forscher allerdings noch keine bahnbrechenden Ergebnisse. "Unsere langfristige Vision ist, dass eine vollständige Genesung möglich ist", sagt Pastor dem Fachblatt "Medical Daily". Aber darauf liege in der erste Studie nicht der Fokus. Es sei dennoch der erste Stein in der Brücke zu dem Ziel.

Generell gehe es nun darum, das Verfahren zu testen und zu zeigen, dass es tatsächlich eine minimale, aber feststellbare Reaktion auf die Behandlung gibt. Dafür werden die Patienten regelmäßig in einem Magnetresonanztomographen untersucht, um Veränderungen im Gehirn und vor allem im oberen Rückenmark festzustellen. Das geht fließend über in die unterste Region des Hirnstammes: der Bereich, der die Atmung steuert und den Herzschlag kontrolliert. Sollte sich dort das tote Hirngewebe wiederbeleben lassen, müsste sich eine Reaktion zeigen.

Die Nervenzellen sollen durch die Therapie eine Art Neu-Start durchführen und ihre Arbeit wieder aufnehmen. Vorbild dafür sind Amphibien wie die Salamander, die tatsächlich in der Lage sind, substanzielle Teile ihres Gehirns und Gehirnstammes nicht nur zu reaktivieren, sondern nach einer Verletzung sogar nachwachsen zu lassen.

Allerdings warnen die Wissenschaftler vor zu großen Erwartungen. Zwar ist man überzeugt, irgendwann hirntote Patienten wiederbeleben zu können. Aber der Weg sei noch lang, bis man in echte klinische Tests mit zufällig ausgewählten Patienten treten kann und nicht, wie in dem Versuch, mit gezielt ausgesuchten Menschen. Zudem sind einige Ärzte skeptisch, ob es überhaupt funktioniert. So sagte Dr. Dean Burnett, Neurowissenschaftler an der Universität Cardiff, der britischen Zeitung "Daily Mail": Auch wenn man in den vergangenen Jahren gelernt habe, dass das Gehirn und das Nervensystem nicht so irreparabel sei, wie lange angenommen wurde. "Der Gedanke, dass der Hirntod relativ einfach umgekehrt werden kann, scheint sehr weit hergeholt angesichts unseres neurowissenschaftlichen Verständnisses."

Doch selbst wenn das große Ziel nicht erreicht werden kann, wäre es für die beteiligten Unternehmen auch ein Erfolg, wenn man beschädigte Hirnareale zumindest teilweise wieder herstellen kann. Für die Opfer unter anderem von Schlaganfällen oder auch für Patienten, die unter neurodegenerativen Krankheiten wie Parkinson leiden, würde das neue Hoffnung bedeuten.

(jov)
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