Absichtlich verschluckt "Einem Patienten habe ich 22 mal Gegenstände herausoperiert"

Düsseldorf · Löffelstiele, Rasierklingen, Münzen – der Bielefelder Chirurg Siegfried Miederer erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, welche Gegenstände er aus den Mägen seiner Patienten geholt hat – und welche Geschichten sich dahinter verbergen.

Diese Gegenstände haben Patienten verschluckt
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Löffelstiele, Rasierklingen, Münzen — der Bielefelder Chirurg Siegfried Miederer erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion, welche Gegenstände er aus den Mägen seiner Patienten geholt hat — und welche Geschichten sich dahinter verbergen.

Herr Dr. Miederer, Sie haben ein Buch mit allen Gegenständen zusammengestellt, die Sie in Patienten gefunden haben. Warum? Kam das so häufig vor?

 Der Bielefelder Chirurg Siegfried Ernst Miederer hat 140 Gegenstände aus Patienten herausoperiert. Miederer arbeitete an der Medizinischen Poliklinik der Universität Bonn mit an der Entwicklung des ersten Desinfektionsgerätes für flexible Endoskope. Heute ist es ausgestellt in der Bonner Zweigstelle des Deutschen Museums - neben einer Reihe von "Magen-Funden" aus seiner Sammlung.

Der Bielefelder Chirurg Siegfried Ernst Miederer hat 140 Gegenstände aus Patienten herausoperiert. Miederer arbeitete an der Medizinischen Poliklinik der Universität Bonn mit an der Entwicklung des ersten Desinfektionsgerätes für flexible Endoskope. Heute ist es ausgestellt in der Bonner Zweigstelle des Deutschen Museums - neben einer Reihe von "Magen-Funden" aus seiner Sammlung.

Foto: Miederer

Miederer: Nein, das kommt selten vor. Ich habe 140 Gegenstände aus Patienten geholt — in 40 Jahren. Es ist also eine recht seltene Sache. Es sind vor allem drei Patientengruppen, bei denen dieses Phänomen auftrat. Das eine waren Gefängnisinsassen aus einer Vollzugsanstalt nahe Bonn, die ich zu betreuen hatte. Das zweite sind Kinder, die aus Versehen Gegenstände verschlucken, und dann Erwachsene, denen es aus Versehen passiert.

Wieso haben so viele Gefängnisinsassen Gegenstände verschluckt?

Miederer: Hauptsächlich, weil sie unbedingt eine Weile aus dem Gefängnis wollten und sich darüber eine Operation und somit einen längeren Krankenhausaufenthalt sichern konnten. Man muss bedenken, dass das Anfang der 70er Jahre war. Damals waren das noch sehr aufwendige Operationen, weil wir noch nicht richtig endoskopisch arbeiten konnten. Wir mussten uns viel einfallen lassen und spezielle Schlingen entwickeln, um die Gegenstände aus den Patienten zu bekommen, ohne weiteren Schaden anzurichten.

Und welche Gegenstände haben sie verschluckt?

Miederer: Hauptsächlich Löffelstiele, aber auch Rasierklingen, die sie mehrfach mit Tesafilm umwickelt haben, um die scharfen Kanten abzudecken. Der Tesafilm hat sich dann durch die Magensäure mit der Zeit aufgelöst und die scharfen Klingen freigegeben. Dann musste natürlich schnell gehandelt werden. Einem Patienten habe ich 22 mal Gegenstände herausoperiert. Der hat auch etwas gebaut, was wir "Sputnik" nannten. Das waren Kugelschreiberminen, die mit einem Faden zusammenhielten und in der Mitte ineinander verdreht waren. Nachdem der Faden durch die Magensäure aufgelöst wurde, haben sich die Mienen aufgespreizt und Schaden angerichtet. Aber diese Dinge haben ganz schnell aufgehört, als die Endoskopie aufkam und wir kleine und schnelle Eingriffe machen konnten. Dann hat sich das für die Häftlinge nicht mehr gelohnt.

Und welche Gegenstände haben die Kinder verschluckt?

Miederer: Vor allem Münzen, aber auch Knöpfe. Das passierte meistens ungewollt beim Spielen. Ich habe ein Fünf-Mark-Stück, das ein Junge in den Mund genommen hat, damit es sein Freund nicht bekommt — und dann hat er es versehentlich verschluckt. Ich habe es herausoperiert und wollte es dann in meine Sammlung aufnehmen. Aber der Vater sagte, Ärzte würden ohnehin so viel verdienen, und wollte es mir nicht geben. Da habe ich es ihm abgekauft.

Als dritte Gruppe nannten Sie Erwachsene, welche Geschichte ist Ihnen da in Erinnerung geblieben?

Miederer: Ich hatte einmal einen Medizinstudenten, der immer über Magenschmerzen klagte. Alle anderen Ärzte hatten ihm gesagt, er hätte nur einen nervösen Magen und das würde sich im Laufe des Studiums schon legen. Dann kam er zu mir und ich fand einen alten, halbverdauten Löffelstiel in seinem Bauch — und habe ihn natürlich direkt rausoperiert. Als ich ihn darauf angesprochen habe, sagte er: "Dann stimmte es also doch, dass ich vor ein paar Jahren auf einer Party so betrunken war, dass ich einen Löffel gegessen habe. Ich habe das meinen Freunden nie geglaubt."

(ham)
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