Drei Prozent der Deutschen betroffen Stuhlinkontinenz - die verheimlichte Krankheit

Düsseldorf · Über Stuhlgang spricht man nicht – obwohl das Entleeren des Darms ein ganz natürlicher Vorgang ist. Umso schlimmer ist es für Betroffene, wenn sie Stuhl und Winde nicht zurückhalten können. Stuhlinkontinenz betrifft etwa drei Prozent der Deutschen, darunter auch viele junge Menschen und deutlich mehr Frauen als Männer.

5 Fragen zur Inkontinenz
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Foto: dpa, Martin Gerten

Über Stuhlgang spricht man nicht — obwohl das Entleeren des Darms ein ganz natürlicher Vorgang ist. Umso schlimmer ist es für Betroffene, wenn sie Stuhl und Winde nicht zurückhalten können. Stuhlinkontinenz betrifft etwa drei Prozent der Deutschen, darunter auch viele junge Menschen und deutlich mehr Frauen als Männer.

Eine schwere Geburt, Entzündungen oder Hämorrhoiden können der Beginn einer Stuhlinkontinenz sein. Die Chirurgin Prof. Gabriela Möslein beschäftigt sich seit Jahren mit der Tabu-Krankheit und weiß, wie es dazu kommt: "Bei einer Stuhlinkontinenz spielen oft mehrere Faktoren zusammen, wie Schließmuskelschädigungen, ein Enddarmvorfall oder Nervenschädigungen", so die Expertin. Stuhlinkontinenz zeigt sich in verschieden schweren Graden. Während bei einer leichten Form nur Winde unkontrolliert abgehen, kann es im zweiten Grad auch dünnflüssiger Stuhl sein. In schweren Fällen zeigen Patienten einen unkontrollierbaren Abgang von geformten Stuhl.

Für die Betroffenen gehen diese Symptome mit viel Scham einher. "Obwohl die Stuhlinkontinenz ein häufiges Problem darstellt, redet in der Öffentlichkeit kaum jemand darüber", so Prof. Gabriela Möslein. "Der unkontrollierbare Abgang von Stuhl und Winden und der damit verbundene Geruch wird von vielen Menschen als äußerst peinlich empfunden — obwohl sie keinerlei Schuld trifft."

Selbst gegenüber Ärzten sprechen viele Betroffene das Problem deshalb nicht an. "Das Geheimhalten führt oft zu der Angst entdeckt zu werden, weshalb Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl leiden und oft in Unsicherheit, Ängstlichkeit und Depressionen münden. Viele Patienten empfinden auch Trauer, Wut und Ärger", so Möslein. Dabei kann Stuhlinkontinenz — je nach Ursache - äußerst erfolgreich behandelt werden.

Verschiedene Gegenmittel

Bei einer Entzündung kann eine medikamentöse Behandlung helfen; ist die Inkontinenz auf eine Beckenbodensenkung zurückzuführen, spielt die Stärkung der betroffenen Muskulatur durch Krankengymnastik eine wichtige Rolle. Wenn Tumore, ein Vorfall der Schleimhaut oder Darmwand für die Stuhlinkontinenz verantwortlich sind, kann eine Operation Abhilfe schaffen, indem der Tumor beseitigt, der Beckenboden gestrafft, der Schließmuskelschaden repariert, oder Hämorrhoiden "geliftet" werden.

Auch Nervenschäden können behandelt werden. Mit einer sogenannten "sakralen Nervenstimulation", die ähnlich wie ein Herzschrittmacher arbeitet, können bei einer Stuhlinkontinenz laut Möslein gute Erfolge erzielt werden. Bei schwerer Stuhlinkontinenz kann aber auch ein künstlicher Schließmuskel helfen. Es gibt zwei verschiedene Grundprinzipien, wobei beide Systeme unter die Haut gelegt werden — eines davon funktioniert passiv, das andere aktiv per Knopfdruck.

Lebensfreude durch Offenheit

Am Anfang jeder Behandlung steht jedoch das Gespräch mit einem Arzt. "Indem sie die Inkontinenz nicht verleugnen, können Patienten ihre Lebensfreude mit ärztlicher Unterstützung wieder zurückzuerobern. Wichtig dabei ist, dass die individuelle Ursache festgestellt wird, um Behandlungsmöglichkeiten frühzeitig mit einem Spezialisten abzuklären. Oft kann durch kleine Maßnahmen in diesem Bereich eine große Wirkung erzielt werden", so Prof. Gabriela Möslein. "Zur Verbesserung der Lebensqualität kommen gute Planung und Vorbereitung von Freizeitaktivitäten und Reisen hinzu. Außerdem ist es wichtig, dass Betroffene Menschen finden, mit denen sie sich über die Inkontinenz und die Erfahrungen mit verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten austauschen können. Das kann auch bedeuten, dass sie unterstützende Angebote wie Selbsthilfegruppen oder eine psychologische Beratung nutzen."

Der größte Erfolg ist dennoch durch die Nutzung der zahlreichen, neuen Behandlungsmöglichkeiten zu erwarten. "Trauen Sie sich, mit Ihrem Arzt darüber zu reden", sagt die erfahrene Chirurgin.

(anch)
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