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Sri Lanka Mysteriöse Nierenkrankheit befällt Hunderttausende

Rajanganaya/Sri Lanka · In Sri Lanka geht seit Jahrzehnten eine schwere Nierenkrankheit um. Rund 20.000 Menschen sind der mysteriösen Erkrankung bereits zum Opfer gefallen. Forscher schätzen, dass die Ursache in den genutzten Pestiziden und Düngemitteln liegt.

 Ein Farmer aus Sri Lanka liegt krank im Bett. Er leidet an einer mysteriösen Nierenkrankheit.

Ein Farmer aus Sri Lanka liegt krank im Bett. Er leidet an einer mysteriösen Nierenkrankheit.

Foto: ap

"Nieren dringend gesucht!" In den Zeitungen von Sri Lanka stechen verzweifelte Appelle ins Auge. Die Suchenden werben mit Fotos um Aufmerksamkeit, auch die Blutgruppe steht gleich mit dabei. Die Zahl der Hilferufe steigt, denn auf der Tropeninsel an der Südspitze Indiens geht eine mysteriöse tödliche Nierenkrankheit um.

"Sobald man Bauchschmerzen bekommt, denkt man: Sind es die Nieren?" sagt die 47-jährige Kalyani Samarasinghe vor dem Gesundheitszentrum von Rajanganaya im Norden Sri Lankas. Rund 20 000 Menschen sind dem Nierenversagen in den vergangenen 20 Jahren zum Opfer gefallen, bis zu 400 000 weitere könnten erkrankt sein. Ähnliche Massenerkrankungen gibt es auch bei Landwirten in Zentralamerika, Indien oder Ägypten.

In Sri Lanka häufen sich die Fälle inzwischen in sieben Bezirken. In dieser trockenen Region hat sich der Ackerbau seit den 1960er Jahren stark verändert - unter anderem mit dem massiven Einsatz von Pestiziden und Dünger. In anderen Landesteilen wurden noch keine Fälle des Nierenleidens bekannt. Ein Zusammenhang scheint plausibel, doch die tatsächliche Ursache der Krankheit liegt nach wie vor im Dunkeln.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fand vor zwei Jahren erhöhte Kadmium- und Pestizidrückstände im Urin von Betroffenen. In drei untersuchten Bezirken waren 15 Prozent der Erwachsenen erkrankt.
Insgesamt traf es mehr Frauen, doch bei Männern über 39 waren die Symptome stärker. Die Autoren zogen den Schluss, dass die entdeckten Rückstände in Kombination mit anderen Giftstoffen wie etwa Arsen über längere Zeit die Nieren entsprechend schwer schädigen könnten.

Der Hauptverdächtige damals war das Trinkwasser. Ihm wurde in dem Bericht die Absolution erteilt, die Proben waren in Ordnung. Dennoch mahnt die Autorin Shanthi Mendis, der Wasserqualität neben der Regulierung von Chemikalien in der Landwirtschaft höchste Priorität zu geben. Auch Anwohner fürchten, dass gefährliche Bestandteile der Düngemittel immer wieder ins Grundwasser durchsickern. Nach wie vor tränken die Bauern ihre Felder mit Chemikalien, oft vermengt mit Kerosin oder einem Mix von Insektengiften. Schutzkleidung tragen sie nicht, wenn sie ihren Cocktail versprühen. "Ohne ist es schwierig, das Unkraut los zu werden", sagt Ajith Welagedara.

Er mischt deutlich mehr Glyphosat, Hauptbestandteil des populärsten Pflanzenschutzmittels in Sri Lanka, in seiner Sprühflasche an, als es für den Einsatz in der Landwirtschaft empfohlen wird. Dann schultert er die Lösung und macht sich an die Arbeit: barfuß, ohne Handschuhe, ohne Mund- oder Atemschutz. "Ich mache mir Sorgen", gesteht er. "Aber es gibt keine andere Möglichkeit." Seit dem WHO-Bericht wurden zwar einige Chemikalien verboten. An der Durchsetzung aber mangelt es, und die Pestizide sind nach wie vor erhältlich.

Das Gesundheitsministerium versucht nun zu erfassen, wie viele Menschen in der Region von dem chronischen Nierenleiden betroffen sind. Die Angst treibt viele in Kliniken, wo sie ihr Blut und ihren Urin untersuchen lassen. Sie hegen die Hoffnung, dass ein frühes Erkennen den Verlauf der Krankheit bremsen kann. In Rajanganaya warten Hunderte im Schatten der Bäume vor dem Gesundheitsposten.

Aus einem Dorf sind fast alle der 1000 Einwohner gekommen. Viele haben miterlebt, wie Angehörige und Nachbarn einen grausamen Tod starben, nachdem die Nieren aussetzten. In den am stärksten betroffenen Orten sind wöchentliche Todesfälle der Normalfall. Wer erkrankt ist, kann kaum mit ausreichender medizinischer Versorgung rechnen. In dem Inselstaat mit seinen rund 20 Millionen Einwohnern gibt es gerade einmal 183 Dialyse-Maschinen - viel zu wenig für die empfohlenen drei Blutwäschen pro Woche.

(ap)
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