Bahnbrechende Operation Spender-Niere zweimal verpflanzt

Chicago · Erstmals ist in Chicago die Weiterverpflanzung einer bereits gespendeten Niere gelungen. Das berichtete das Fachmagazin "New England Journal of Medicine". Bei dem bisher einzigartigen und spektakulären Fall geht es um die Spenderniere von Cera Fearing, die zunächst ihrem 27-jährigen Bruder Ray eingepflanzt wurde und später dem 67-jährigen Erwin Gomez (67) zugutegekommen ist. Für die beteiligten Ärzte - natürlich auch für Gomez - war der Eingriff ein bahnbrechender Erfolg.

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Foto: dpa, Jan-Peter Kasper

Immerhin ist der ursprüngliche Empfänger Ray Fearing am Leben - wenn auch erneut auf Dialyse angewiesen. Der junge Mann aus dem US-Staat Illinois leidet seit geraumer Zeit an einem schweren Nierenleiden. Seine Schwester spendete ihm im vergangenen Jahr eine ihrer Nieren.

Bereits wenige Tage nach der Operation stellte sich jedoch heraus, dass das Organ von der Krankheit Fearings ebenso angegriffen, beschädigt und letztlich zerstört werden wäre wie zuvor das Original. Vor diesem Hintergrund baten die behandelnden Ärzte der Northwestern University in Chicago Patient und Spenderin um die Erlaubnis, die Niere weiterverpflanzen zu dürfen.

Nach anfänglichem Zögern stimmten die Geschwister zu. Am 1. Juli 2011 wurde die Niere von Cera Fearing daraufhin bei Erwin Gomez aus dem Staat Indiana installiert. Sein Körper nahm das Organ an, und der Patient kommt bis heute ohne Dialyse aus.

Den Sinn solcher Eingriffe dokumentieren die nackten Zahlen: Mehr als 73.000 US-Bürger warten derzeit auf eine Spenderniere. Die Kapazität an verfügbaren Organen liegt weit darunter. Lorenzo Gallon, einer der Transplantationsspezialisten an der Northwestern University, sagt: "Der Bedarf überschreitet die Menge an Spendernieren bei weitem. Viele Menschen sterben während ihrer Wartezeit an der Dialyse."

In Deutschland warten aktuell etwa 8.000 Menschen auf eine Niere. Im vergangenen Jahr konnten nur 2.850 Patienten versorgt werden. Davon erhielten knapp 800 eine Lebendspende, die Betroffenen hatten also einen Angehörigen, der ihnen eine Niere spendete. Die Wartezeit für eine postmortale Spende liegt derzeit hierzulande zwischen fünf bis sechs Jahren, wie aus einer Studie der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) hervorgeht.

Zweiter Einsatz macht Organe noch deutlich empfindlicher

Der bislang einzigartige Fall in den USA mag vielen Patienten Hoffnung geben. Von einem echten Durchbruch kann aber aus medizinischer Sicht noch keine Rede sein. Ärzte führen an, dass recycelte Nieren bei einem Zweiteinsatz zwangsläufig noch wesentlich empfindlicher reagieren als bei der ersten Transplantation.

Nach der Einpflanzung setze ganz automatisch ein Vernarbungsprozess rund um das Organ im Körper ein. Das erschwere eine erfolgreiche Weiterverwendung innerhalb kurzer Zeit erheblich. Jonathan Blomberg von der University of Maryland lobt das Vorgehen seiner Kollegen in Chicago und unterstreicht den Erfolg. Von einem in naher Zukunft alltäglich möglichen Organ-Recycling will er jedoch vorerst nicht sprechen. Zu oft seien bisher die gespendeten Nieren so stark beschädigt, dass sie für einen zweiten Einsatz nicht mehr in Frage kämen.

Seit den 1980er Jahren sind erfolgreiche Fälle von Organtransplantationen im zweiten Anlauf dokumentiert. Voraussetzung war allerdings immer der Tod des Erstnutzers. So starb 2009 ein Patient in Boston kurz nach der Einpflanzung eines Spenderherzens.
Dieses war noch in guter Verfassung und schlägt bis heute in der Brust eines Dritten. In einem medizinischen Fachartikel von 2005 werden drei Fälle erfolgreicher Weitertransplantationen der Leber detailliert beschrieben.

Elf weitere vergleichbare Operationen im Berichtszeitraum zwischen 1987 und 2005 werden in dem Beitrag angeführt. In der Fachliteratur lässt sich überdies ein Report zur erfolgreichen postmortalen Weiterverpflanzung einer Niere in Spanien und eines Herzens in der Schweiz finden. Die Fallzahl ist insgesamt jedoch sehr überschaubar und keineswegs repräsentativ.

Wayne Shelton, Bioethiker am Albany Medical College in New York, führt darüber hinaus moralische Aspekte an. Er unterstreicht, dass Ärzte die ein Organ wiederverwerten wollen, den Patienten alle damit verbundenen zusätzlichen Risiken ganz deutlich machen müssen. Gomez wurde ausgewählt, weil er aus medizinischer Sicht die besten körperlichen Voraussetzungen für die Niere von Cera Fearing hatte. Gomez - selbst Mediziner - hatte zuerst Bedenken. Nach ausführlichen Gesprächen mit den Spezialisten der Northwestern University zu Chancen und Risiken des Eingriffs ließ er sich jedoch darauf ein. Mit Erfolg.

(APD)
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