70 Prozent aller Hirnschläge wären insgesamt vermeidbar Schlaganfall trifft immer mehr junge Menschen

Hamburg · "Einen Schlaganfall mit 28 Jahren, das glauben mir viele Menschen nicht", beschreibt eine junge Frau ihre Situation. Sie ist der lebende Beweis dafür, dass man nicht alt sein muss, um einen Hirninfarkt zu bekommen. Die Zahl junger Menschen, die das Schicksal auf diese Weise zeichnet, steigt immer weiter an, sagt Prof. Dr. Matthias Endres vor der Deutschen Schlaganfallgesellschaft.

Rund Dreiviertel aller Schlaganfälle weltweit treffen Menschen jenseits der 70. Das sagt die Deutsche Schlaganfallhilfe. Der Schlaganfall ist in Deutschland die häufigste Ursache für Behinderung im Erwachsenenalter. Pro Jahr gibt es fast 300.000 Fälle. Ein Drittel der Betroffenen wird statistisch gesehen einen weiteren erleiden. Das aber, was am meisten aufschreckt ist die Zahl der jungen Menschen, deren Hirn in Folge einer akuten Blutunterversorgung kurzzeitig ausfällt.

In den USA erleiden immer mehr junge Menschen einen Schlaganfall, ein Trend, der auch für Deutschland befürchtet wird, erklärt Prof. Dr. Matthias Endres. In Deutschland geht man davon aus, dass es pro Jahr 10.000 unter 45-Jährige sind, die einen Hirninfarkt bekommen.

Risikofaktoren schon bei jungen Menschen

Eine deutliche Sprache sprechen amerikanische Studien: In den letzten 15 Jahren stieg die Zahl der Schlaganfallpatienten, die zwischen 18 und 45 Jahre alt sind an, weil in jüngerer Zeit die Zahl der typischen Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Fettleibigkeit, Fettstoffwechselstörungen sowie Tabakkonsum auffällig oft feststellbar waren. Sie tragen auch bei den jungen Menschen nach Einschätzung der Experten dort zum erhöhten Risiko bei.

Oft bleiben die Ursachen, die zur Ausnahmesituation Schlaganfall führen, jedoch im Dunklen. Trotz bildgebender Verfahren können die Mediziner sie meist nicht aufklären. Manchmal aber gibt es Auffälligkeiten, die das Risiko für einen Schlaganfall erhöhen. So haben zwischen 20 und 50 Prozent junger Schlaganfall-Patienten Bluthochdruck, gepaart mit weiteren Risikofaktoren. Rund 20 Prozent der jüngeren Patienten haben erhöhte Blutfettwerte. Auch Diabetes, Herzrhythmusstörungen oder Migräneattacken erhöhen das Schlaganfall-Risiko", erklärt die Schlaganfall-Hilfe.

70 Prozent der Schlaganfälle wäre vermeidbar

Im Unterschied zu älteren Betroffenen, löst bei jüngeren Patienten eine Blutung den Schlag aus. Bei den über 50-Jährigen sind es oft Gefäßverschlüsse, die in den gefährlichen Versorgungengpass führen. Insgesamt, so sind sich die Experten einige, könnte eine konsequente Behandlung von Risikofaktoren diese Zahlen deutlich senken. "Bis zu 70 Prozent dieser Schlaganfälle wären vermeidbar", sagt Prof. Dr. Karl Einhäupl, Stiftungsratsvorsitzender der Deutschen Schlaganfall-Hilfe. Besonders hoch ist das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden für Menschen mit Herzrhythmusstörungen, Vorhofflimmern, Arterienverkalkung, Diabetes oder Bluthochdruck. Aber auch Migräneattacken gelten als Zusatzgefahr. "Rund 20 Prozent der jüngeren Patienten haben erhöhte Blutfettwerte", sagt Dr. Hans-Christian Koennecke, der als Neurologe im Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth in Berlin arbeitet.

Aufgrund der allgemeinen Alterung der Bevölkerung steht in Deutschland ein deutlicher Anstieg der Schlaganfallzahlen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bevor; manche sprechen sogar von einem Tsunami.

Jeder kann sein persönliches Risiko senken

Die Risikofaktoren, die zu einem Schlaganfall führen, sind gut bekannt. Die wichtigsten sind Bluthochdruck, Herzerkrankungen, insbesondere das Vorhofflimmern, weiterhin Diabetes, Rauchen sowie Fettstoffwechselstörungen. Viele Schlaganfälle könnten verhindert werden, wenn solche Risikofaktoren konsequent reduziert würden. Die Deutsche Schlaganfallgesellschaft bringt es drastisch auf den Punkt:

"Würde der Bluthochdruck in Deutschland vollständig behandelt, sänke die Schlaganfallrate etwa um die Hälfte. Auch die gezielte Therapie des Vorhofflimmerns, ein Risikofaktor vor allem bei älteren Patienten, würde die Anzahl der Erkrankten deutlich verringern. - Programme, die die Patiententreue verbessern, sind wichtige Ansätze in der Therapie. Denn es hat sich gezeigt: Selbst bei Hochrisikopatienten sinkt die Behandlungsqualität schon wenige Monate nach dem ersten Schlaganfall massiv."

Das Zünglein an der Waage spielt zudem der persönliche Lebensstil. So haben Menschen mit einer gesunden Lebensführung, mit sportlicher Aktivität, gesunder Ernährung, ohne oder wenig Alkoholgenuss, Rauchen oder Übergewicht ein um 80 Prozent reduziertes Schlaganfallrisiko. Ermutigend ist laut der Schlaganfallgesellschaft die Tatsache, dass im Vergleich zu den Menschen mit dem höchsten Risiko schon ein einziger Faktor die Prognose deutlich verbessert.

(wat)
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