Paradox: Übergewicht kann vorteilhaft sein Schlaganfall — Dicke sterben seltener daran

Berlin · Zu viele Pfunde auf den Rippen schaden der Gesundheit. Das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden ist zum Beispiel für Fettleibige 60 Prozent höher als für Normalgewichtige. Verrückter Weise aber ist das Übergewicht zugleich auch vorteilhaft für Schlaganfallpatienten.

Die größten Irrtümer über den Schlaganfall
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Foto: AP

Es ist eine Studie, die in Kooperation mit der Charité-Universitätsklinik in Berlin durchgeführt wurde und Staunen hervorruft: Übergewicht kann lebensrettend sein, haben die Forscher herausgefunden. Denn Patientinnen und Patienten mit Übergewicht oder Fettleibigkeit sterben nach einem Schlaganfall seltener und tragen weniger Behinderungen davon als Idealgewichtige. Dieser scheinbar widersprüchliche Zusammenhang, auch Obesity Paradox genannt, wurde in der Vergangenheit bereits bei anderen chronischen Erkrankungen, wie zum Beispiel bei Herzinsuffizienz, beobachtet.

Im Fokus hatte Studienleiter Prof. Dr. Wolfram Döhner den Zusammenhang zwischen dem Körpergewicht und den Folgen eines Schlaganfalls. Dazu wertete er die Daten von über 1.500 Patienten aus und fand das Unfassbare heraus. Zwar steigt das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden bei Übergewichtigen um 20 Prozent und bei Fettleibigen sogar um 60 Prozent. Tritt der Ernstfall aber ein, ist es wiederum hilfreich, dicker zu sein. Im Vergleich zu Menschen mit vermeintlichem Idealgewicht ist das Risiko, an einem Schlaganfall zu sterben, bei Übergewichtigen dagegen um 14 Prozent verringert. Bei fettleibigen Patientinnen sinkt das Sterblichkeitsrisiko um 24 bis 45 Prozent.

Stoffwechsel profitiert von Energiereserven

Die Chancen, möglichst wenig Schaden durch den Hirnschlag zu erleiden hängen nach Einschätzung des Berliner Arztes mit den höheren Energiereserven zusammen, auf die der Stoffwechsel eins Übergewichtigen in einer solch lebensgefährlichen Situation zurückgreifen kann. Dennoch warnt der Forscher davor, dieses Ergebnis als Grund für eine Gewichtszunahme anzuführen. Zwar ist die Anzahl der Übergewichtigen geringer, die Behinderungen davontragen oder sogar pflegebedürftig werden, doch steigt mit jedem Schlaganfall das Risiko, einen weiteren zu erleiden.

Die Erkenntnis zu die der Prof. Döhner kommt ist allerdings neu. "Die Behandlungsleitlinien für Schlaganfälle in Deutschland, in Europa und in den USA empfehlen bisher alle eine Gewichtsreduzierung nach einem ersten Schlaganfall, sofern Übergewicht oder Fettleibigkeit besteht. Diese Empfehlungen stützen sich aber auf Expertenmeinungen basierend lediglich auf Erkenntnissen aus der Primärprävention, da tatsächliche Daten dazu bisher fehlen." Am schlimmsten trifft ein Schlaganfall nach den Studienergebnissen Menschen, die untergewichtig sind.

Die Ergebnisse der Studie sehen die Forscher im scharfen Kontrast zu der landläufigen Empfehlung für Patientinnen und Patienten, nach einem ersten Schlaganfall abzunehmen. Die Erkenntnis, die aus der Forschungsarbeit gezogen werden kann, "widerstrebt nur unserem eingehämmerten Mantra des Schlankseins als universellem Gesundheitsgaranten", sagt Prof. Döhner. "Bei Patienten mit bereits bestehenden Erkrankungen sollte das Gewichtsmanagement aber anders bewertet werden."

(wat)
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