Experten-Interview Was Sie gegen Rückenschmerzen tun können - ohne Arzt und Sport

Düsseldorf · Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten gesundheitlichen Problemen. Zum Arzt oder auch zum Sport gehen dennoch die wenigsten gerne. Wie Sie Ihre Rückenschmerzen am besten selbst in den Griff bekommen, haben wir in einem Experten-Interview herausgefunden.

 Dr. Linda Tan ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und Naturheilkunde mit dem Schwerpunkt Schmerztherapie.

Dr. Linda Tan ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und Naturheilkunde mit dem Schwerpunkt Schmerztherapie.

Foto: Dr. Linda Tan

Frau Dr. Tan, inzwischen gehen immer mehr Menschen auf eigene Kosten zu alternativen Massage-Behandlungen wie etwa der Thai-Massage, um ihre Rückenschmerzen auch ohne Arzt in den Griff zu bekommen. Wie hoch schätzen Sie den Erfolg dieser Therapien ein?

Dr. Tan: Das Problem mit Massagen ist meiner Erfahrung nach, dass sie zwar im ersten Moment gut tun, aber der Effekt nicht haften bleibt. Manche Patienten berichten, dass sich der Rücken schon nach wenigen Tagen wieder anfühlt wie zuvor. Hinzu kommt, dass die Behandlung auf eigene Rechnung auch schnell ins Geld geht. Am besten sind deswegen Bewegungstherapien, also mit anderen Worten sportliche Betätigung.

Das ist natürlich der gängige Rat, aber es gibt ja viele Menschen, die echte Sportmuffel sind, und die gleichzeitig auch nicht zum Arzt wollen, wenn es irgendwo drückt. Gibt es denn Möglichkeiten wie Betroffene ihre Rückenbeschwerden selbst lindern können?

Dr. Tan: Es kommt immer darauf an, wie schlimm die Probleme schon sind. Wenn es im Rücken einfach ziept, dann kann man schon einiges tun. Zum Beispiel im Alltag häufiger die Position wechseln, also mal aufstehen, gehen, sich anders hinsetzen, oder Abends eine Wärmflasche in den Rücken legen. Übrigens ist auch viel trinken hilfreich, da die Bandscheiben zu 80 Prozent aus Wasser bestehen, und bei einer Unterversorgung mit Flüssigkeit schlecht durchblutet werden. Womit ich außerdem gerade bei Sportmuffeln sehr gute Erfahrungen gemacht habe, ist eine Therapie mit Reizstrom.

Und das kann man selber machen?

Dr. Tan: Ja, das ist ganz einfach. Das so genannte Tens ist eine kleine Box mit Elektroden. Die werden an den Schultern oder an der Lendenwirbelsäule angebracht, und so der Strom über die Haut an Nerven und Muskulatur geleitet. Das kann man täglich bis zu dreimal machen, und die Patienten berichten, dass es ihre Wirbelsäule bei Alltagsproblemen aktiviert und entlastet. . Die Thai-Massage ist durch die verschiedenen Griffe ja eigentlich wie eine Mischung aus Physio-Therapie und Muskelarbeit, das kann sehr gute Ergebnisse bringen.

Welche Effekte haben Massagen denn?

Dr. Tan: Sie regen die Durchblutung und den Stoffwechsel an, und sorgen für eine Entspannung der Muskeln. Sanftere Massagen dagegen wie etwa die Hot Stone Massage, Klangschalen oder auch die hawaiianische Lomi Lomi Nui, haben eher einen Wellness-Effekt, das heißt sie beruhigen, sorgen für Stressabbau und die Berührung tut einfach gut. Das tut dann aber eher psychisch gut, als wirklich medizinisch zu wirken.

Sie empfehlen die Thai-Massage, die halten manche ja aber sogar für gesundheitsschädlich.

Dr. Tan: Die Thai-Massage ist eine sehr intensive und tiefe Massage, deshalb ist sie nicht für jeden geeignet. Menschen die beispielsweise Osteoporose haben, können durch den starken Druck sogar Frakturen erleiden. Patienten die Blutverdünner wie Marcumar nehmen, sollten ebenfalls besser eine andere Massageform wählen, da bei der Thai-Massage leicht Blutergüsse entstehen können. Vorsicht ist auch bei Krebs oder Arthritis geboten. Deshalb ist es wichtig, Vorerkrankungen mit dem Massage-Therapeuten und eventuell auch dem eigenen Arzt abzuklären.

Bei vielen sitzen die Rückenbeschwerden ja durchaus schon fester. Was können Menschen tun, die schon länger und auch stärkere Rückenschmerzen haben?

Dr. Tan: Wenn die Beschwerden anhalten ist auf jeden Fall Eigenbewegung gefragt. Das kann erst mal alles sein von Rückengymnastik über Yoga oder Kieser-Training, Hauptsache es macht Spaß - und der Betroffene bleibt deshalb auch dabei. Aber gerade wenn die Schmerzen anhalten oder gar schlimmer werden, muss doch abgeklärt werden, ob hinter den Muskelverspannungen nicht etwas ernsteres steckt. Man spricht da von einer magischen Grenze von sechs Monaten.

Was passiert, wenn jemand über sechs Monate hinaus Rückenschmerzen hat?

Dr. Tan: Das Problem ist, dass sich nach einem halben Jahr ein so genanntes Schmerzgedächtnis im Gehirn bildet. Der Schmerz wird also chronifiziert. Das heißt, die Ursache der Beschwerden ist zwar die gleiche, aber die Schmerzen werden häufiger und stärker wahrgenommen. Dann ist es wichtig die Sache auch ärztlich anzugehen. Und in diesem Stadium sind dann auch regelmäßige aktivierende Massagen sinnvoll, allerdings nur in Kombination mit sportlicher Betätigung. Das wird dann in der Regel aber auch vom Arzt verschrieben: Krankengymnastik in Kombination mit Massagen.

Reicht das denn?

Dr. Tan: Meistens bekommt man ein Rezept mit dem man etwa über drei Monate kommt. Allerdings braucht es meiner Erfahrung nach mindestens ein halbes Jahr, bis der Rücken sich wieder erholt hat. Und dann kommt wieder die Frage danach auf, wie lange die Maßnahmen vorhalten. Deshalb gilt, wer Rückenbeschwerden hat, der muss, so wie Menschen, die zu Kopf- oder Bauchschmerzen tendieren, sich darauf einstellen, langfristig daran zu arbeiten.

Das Gespräch führte Susanne Hamann.

(ham)
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