Fragen und Antworten Wie man eine RSV-Infektion bei Säuglingen und Kleinkindern erkennt
Köln/Neubrandenburg · Die Kinderkliniken in NRW sind am Anschlag, es sind kaum noch Plätze frei. Ein Grund dafür ist eine Welle von schweren, durch das RS-Virus verursachten Atemwegsinfekten. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu Symptomen, Alarmzeichen und Behandlung.

RS-Virus – Was Eltern über den Erreger wissen müssen
Was ist das RS-Virus?
Die Abkürzung RS-Virus steht für Respiratorisches Synzytial-Virus, kurz RSV. Fast jedes Kind macht laut Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in den ersten zwei Jahren eine RSV-Infektion durch.
Vor allem bei Säuglingen unter vier Monaten und Kindern mit chronischen Erkrankungen kann die Atemwegserkrankung so schwer verlaufen, dass sie im Krankenhaus behandelt werden muss.
RS-Viren verbreiten sich durch Tröpfcheninfektion. In winzigen infizierten Sekretbestandteilen überleben RS-Viren 20 Minuten auf den Händen, 45 Minuten auf Papierhandtüchern sowie Stoffen und bis zu mehreren Stunden auf Kunststoffoberflächen. Um eine Verbreitung des Erregers innerhalb der Familie zu vermeiden, sind deshalb regelmäßiges Händewaschen, hygienisches Husten und Niesen (in die Armbeuge) sowie die Reinigung möglicherweise verunreinigter Gegenstände wie Kinderspielzeug erforderlich, empfiehlt der BVKJ.
Die Inkubationszeit beträgt laut Robert-Koch-Institut (RKI) zwei bis acht Tage, im Durchschnitt fünf Tage. Das bedeutet, dass man das Virus bereits weitergeben kann, bevor erste Symptome auftreten.
Wie gefährlich ist das RS-Virus? Warum ist es gerade für die Kleinen so tückisch?
„RSV ist ein Atemwegsvirus, mit dem man sich in jedem Alter infizieren kann“, sagt Sven Armbrust. Er ist Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Dietrich-Bonhoeffer-Klinikums in Neubrandenburg.
Am meisten gefährdet seien jedoch die ganz kleinen Kinder – zwischen null und sechs Monaten. „Was beim großen Geschwisterkind vielleicht etwas Rotz in den oberen Atemwegen ist, kann bei den ganz Kleinen Atemnot sein“, sagt Armbrust.
Laut dem Kinderarzt greift das Virus das Lungengerüst an, was den Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid im Blut erschwert. Und: Bei Säuglingen ist die Anatomie der Atemwege ohnehin sehr viel feiner - und damit empfindlicher. Eine RSV-Infektion kann daher zu einer Bronchiolitis führen, einer Entzündung der kleinen Bronchien, oder zu einer Lungenentzündung – Fälle, die oft im Krankenhaus behandelt werden müssen.
Symptome: Wie erkennt man das RS-Virus? Welche Alarmzeichen sollten Eltern kennen?
Eltern sollten alle Anzeichen ernstnehmen, die auf Atemnot hindeuten – etwa wenn das Kind kurzatmig ist oder besonders schnell atmet. Manchmal bewegen sich laut Armbrust die Nasenflügel des Kindes beim Atmen besonders deutlich. Oder an den Rippen oder oben am Hals zieht sich mit jedem Atemzug die Haut nach innen.
Laut dem BVKJ ist auch ein giemendes Geräusch beim Ausatmen ein Alarmzeichen. Giemen heißt: Beim Atmen pfeift, knistert oder zischt es.
Bei den ganz Kleinen kommt oft Trinkschwäche dazu. „Die sollte man auf jeden Fall untersuchen lassen“, sagt Sven Armbrust. Manchmal steckt nur eine verstopfte Nase dahinter. Denn die Kleinen sind reine Nasenatmer. Ob es aber der Rotz in der Nase ist oder eine Entzündung der Atemwege infolge einer RSV-Infektion – das können nur der Arzt oder die Ärztin beurteilen.
Ein weiteres Alarmzeichen sind bläulich verfärbte Lippen. Sie weisen darauf hin, dass bereits ein Sauerstoffmangel im Gewebe vorliegt. „Das alles sind Alarmsignale, die Eltern auf jeden Fall dazu bringen sollten, das Kind beim Arzt vorzustellen“, sagt Armbrust.
Auch dann, wenn die Infektion mit hohem Fieber einhergeht. Denn das spricht oft dafür, dass im Körper noch eine zweite Infektion - mit Bakterien - vorhanden ist. Denn das RS-Virus ist ein Türöffner für andere Erreger wie etwa Pneumokokken.
Ist das RS-Virus meldepflichtig?
Nein. Laut Robert-Koch-Institut besteht in Deutschland „keine krankheits- oder erregerspezifische Meldepflicht gemäß IfSG“, also gemäß Infektionsschutzgesetz. Einzige Ausnahme ist das Bundesland Sachsen. Dort müssen gemäß Verordnung akute RSV-Infektionen dem Gesundheitsamt gemeldet werden.
Wann sollten Eltern beim RS-Virus Hilfe holen? Ab wann muss ein Kind zum Arzt oder in die Notfallambulanz?
All die genannten Anzeichen sind Grund genug, rasch eine Einschätzung vom Profi anzustoßen – in der Kinderarztpraxis oder in der Notfallambulanz. „Es gilt die Faustregel: Je kleiner die Kinder sind, desto schneller sollte man jemanden draufschauen lassen“, sagt Armbrust.
Heißt: Hat der Anderthalbjährige Schnupfen und niest, ohne Anzeichen für Atemnot, „kann man bis zum nächsten Tag warten mit dem Kinderarztbesuch“, so Armbrust. Hat der Säugling aber Atemnot, sollte man mit dem Abklären nicht zu lange warten - und besser zur Notfallambulanz aufbrechen, wenn die Kinderarztpraxis gerade nicht geöffnet ist.
Welche Kinder sind bei einer RSV-Infektion besonders gefährdet? Gibt es einen Schutz oder eine Impfung?
Kinder mit angeborenen Erkrankungen des Herzens oder der Lunge oder neurologischen Erkrankungen haben ein erhöhtes Risiko dafür, dass die RSV-Infektion bei ihnen schwer verläuft. Das gilt auch für Frühgeborene.
Aber: Diese Kinder können durch eine passive Immunisierung geschützt werden. Palivizumab ist ein Antikörper, der Kindern in der RSV-Saison, alle vier Wochen gespritzt werden kann. Laut dem Robert Koch-Institut setzt die Schutzwirkung ein, wenn die ersten Dosis verabreicht wird. Nach der zweiten legt sie aber nochmal zu.
Doch: Diese passive Immunisierung empfehlen die medizinischen Fachgesellschaften nur Kinder, die den Risikogruppen angehören. Allerdings: Laut Armbrust sind rund zwei Drittel der Kinder, die derzeit stationär behandelt werden, kein Teil der Risikogruppe, sondern sogenannte „reife Säuglinge“.
Eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) für einen Impfstoff gegen das RS-Virus gibt es bislang nicht. Allerdings wurde mit Beyfortus kürzlich ein Impfstoff in der EU zugelassen. Weitere Informationen dazu lesen Sie hier.
Wie kann man das RS-Virus behandeln?
Eine eigenständige Behandlungsmethode gibt es bei einer RSV-Infektion laut RKI nicht. Am wichtigsten ist es demnach, ausreichend Flüssigkeit zuzuführen. Auch Nasenspülungen mit einer Salzlösung können helfen, die Atemwege freizuhalten.
Wichtig: Da es sich bei RSV um eine Virus-Infektion handelt, helfen Antibiotika nicht gegen die Krankheit und auch nicht gegen die Ansteckungsfähigkeit. Laut RKI sollten Antibiotika deshalb nur eingesetzt werden, wenn zusätzlich auch noch eine bakterielle Infektion vorliegt. Das sollte aber in jedem Fall der Arzt entscheiden.
Kann ich verhindern, dass mein Kind jetzt – in Zeiten überlasteter Kinderkliniken – in Kontakt mit den Virus kommt?
„Das ist ganz schwierig“, sagt Sven Armbrust. „Der Erreger ist da. Einigeln geht nicht.“ Schließlich zirkuliert das RS-Virus nicht nur unter den Kleinen.
Und: Das Virus kann in der Luft oder auf Oberflächen bleiben und sich auf diesem Wege übertragen. Zum Beispiel, wenn man einen Einkaufswagen berührt, auf den zuvor ein erkälteter Erwachsener mit RS-Viren geniest hat.
Aber die bekannten Hygieneregeln können das Risiko einer Infektion etwas senken. „Wer die Haustür durchschreitet - vom Einkaufen kommt oder von der Arbeit - geht Hände waschen“, so der Rat von Armbrust. „Damit lässt man eine gewisse Anzahl an Erregern nicht zu Hause rein.“ Auch das RS-Virus.
Was das Immunsystem aber unterstützt, damit es seinen Job möglichst gut machen kann: ausreichend trinken. Denn das hält die Schleimhäute feucht. „Ich sage den Eltern dann immer: Das Virus rutscht aus auf der glatten Oberfläche und kann sich nicht festbeißen.“
Hundertprozentigen Schutz vor einer RSV-Infektion gibt aber nicht. Vor allem dann nicht, wenn es noch ein Geschwisterkind gibt, das schon in die Kita geht.
Können sich auch Erwachsene mit dem RS-Virus infizieren?
Ja, RSV-Infektionen treten in allen Altersgruppen auf, Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen. Zudem schützt eine durchgemachte Infektion nicht vor der nächsten, denn es baut sich kein langfristiger Schutz auf. Allerdings sind – wie beschrieben – RSV-Infektionen vor allem für Kleinkinder besonders gefährlich.
Laut RKI zählen bei Erwachsenen solche Personen zu Risikopatienten, die an kardialen oder pulmonalen Vorerkrankungen leiden – also Vorerkrankungen des Herzens sowie der Lunge und Atemwege –, sowie alle immundefizienten und immunsupprimierten Personen, also mit einem geschwächten Immunsystem. Besonders gefährdet sind demnach Empfänger hämapoetischer Zelltransplantate (etwa Knochenmarktransplantierte), Empfänger von Lungen- oder anderen Organtransplantaten sowie stark immunsupprimierte Patienten mit maligner hämatologischer Erkrankung.