Werbetricks der Hersteller Experten raten von Nahrungsergänzungsmitteln gegen Corona ab

Düsseldorf · Manche Hersteller suggerieren, dass Nahrungsergänzungsmittel vor einer Corona-Infektion schützen können. Experten erklären, mit welchen Tricks Verbraucher zum Kauf verführt werden und warum die Einnahme der Gesundheit sogar schaden kann.

 Viele greifen zu Nahrungsergänzungsmitteln, statt zu Obst und Gemüse. (Symbolfoto)

Viele greifen zu Nahrungsergänzungsmitteln, statt zu Obst und Gemüse. (Symbolfoto)

Foto: Shutterstock/inventbbart

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen ist weiterhin hoch, zudem ist die Erkältungszeit in vollem Gange - manch einer hegt da die Hoffnung, sich durch die Einnahme von Vitaminen, Mineralstoffen und pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln vor einer Infektion schützen zu können. Vor allem im Online-Handel kursieren seit Beginn der Pandemie zahlreiche Mittel, die genau das versprechen.

Botschaften wie „Zum Schutz vor Viren“ oder „Hilft gegen Corona“ suggerieren, die Mittel seien präventiv wirksam oder könnten gar eine Corona-Infektion heilen, moniert Friedel Cramer, Präsident des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Es gebe unter den Nahrungsergänzungsmitteln keine Wundermittel gegen Corona.

Lebensmittelüberwachungsbehörden gehen darum mit einem EU-weiten Aktionsplan solch unzulässigen Onlineangeboten nach. Denn was viele nicht wissen: Nahrungsergänzungsmittel zählen rechtlich nicht zu den Arzneimitteln, sondern zu den Lebensmitteln. Deshalb durchlaufen sie weder Zulassungsverfahren wie Arzneimittel, noch werden sie vor dem Verkauf von Behördenseite geprüft. Aus diesem Grund sind Werbeaussagen auf Nahrungsergänzungsmitteln verboten, die eine Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten versprechen.

Gesundheitsbezogene Aussagen auf Vitamindosen und Mineralstoffpackungen sind nach Angaben des BVL nur dann erlaubt, wenn diese nach aktuell wissenschaftlichem Stand als nachgewiesen gelten. Daran jedoch mangele es, sagt Anika Wagner, Leiterin des Instituts für Ernährung und Immunsystem an der Universität Gießen. Da das Sars-Cov-2-Virus erst seit kurzer Zeit bekannt sei, gebe es noch keine Interventionsstudien an Menschen, die eine Wirksamkeit von bestimmten Pflanzen, Vitaminen oder Mineralstoffen bewiesen, betont die Verbraucherzentrale NRW. Zitierte Studien beziehen sich den Verbraucherschützern zufolge entweder auf andere (Corona-)Viren oder es handelt sich um theoretische Abhandlungen möglicher Wirkmechanismen.

Doch die Hersteller und Vertreiber entsprechender Produkte sind findig und versuchen, auf der Corona-Welle mitzuschwimmen. Um das Werbeverbot zu umgehen, nutzen sie nach Angaben der Verbraucherzentrale NRW verschiedene Tricks. Besonders häufig:

  • Das Nutzen sogenannter Snippets wie „Corona Protect“ oder „Corona-Schutz“, die dann online bei Suchen über Suchmaschinen erscheinen.
  • Nach der Eingabe von Stichworten wie „Corona“ oder „Covid-19“ in die Suchfunktion von Webshops werden automatisch bestimmte Produkte selektiert.
  • Seiten zu allgemeinen Informationen über Corona werden geschickt mit Angeboten von Nahrungsergänzungsmitteln verlinkt.
  • In Webshops wird auf Blogs von Ernährungsexperten verlinkt, die über die „antivirale Wirkung“ bestimmter Inhaltsstoffe schreiben.
  • Es wird auf wissenschaftliche Studien verlinkt, die eine Wirkung bestimmter anitviraler Wirkstoffe nahe legen. Um was es hier genau geht, ist jedoch für den Verbraucher meist unklar und nicht überprüfbar.
  • Bildhafte Darstellungen wie die von Schwert und Schild in Abwehrstellung suggerieren eine Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln gegen Corona.

Grundsätzlich empfehlen Ernährungsexperten, nur dann gezielt zu Nahrungsergänzungsmitteln zu greifen, wenn ein ärztlich diagnostizierter Mangel vorliegt. Mangelzustände können durch bestimmte Krankheiten – vor allem chronische Magen-Darm-, Leber- oder Nierenerkrankungen – ausgelöst werden. Eine weitere häufige Ursach ist laut Wagner eine einseitige Ernährung.

Vitamin-D-Mangel zählt zu den am häufigsten diskutierten Mangelzuständen. „Es ist bekannt, dass vor allem ältere Menschen darunter leiden können“, sagt Wagner. Der Körper produziert dieses Vitamin hauptsächlich selbst durch Sonneneinstrahlung über die Haut. Die Ernährung trägt nur zu rund zehn Prozent zu einer ausreichenden Versorgung bei. Es steckt vor allem in Eiern, fettem Seefisch und Pilzen.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) rät statt Vitamin-D-Tabletten dazu, vor allem zwischen März und Oktober zwei- bis dreimal die Woche für einige Minuten in die Sonne zu gehen. Der Körper sei so in der Lage, den akuten Bedarf zu decken und darüber hinaus Reserven im Fett- und Muskelgewebe anzulegen. Lediglich Personen, die sich nicht regelmäßig im Freien aufhalten können, haben laut RKI ein erhöhtes Risiko für einen Vitamin D-Mangel. Dazu zählen in vor allem Pflegebedürftige. Da im Alter auch die Eigenproduktion dieses Vitamins nachlässt, ist laut Wagner bei älteren Menschen eine gelegentliche Kontrolle durch den Hausarzt sinnvoll.

Einige Studien sehen in Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie zudem Vorteile in einer präventiven Vitamin-D-Einnahme. So zeigte etwa eine spanische Studie, dass mehr als 80 Prozent der im Krankenhaus behandelten Covid-19-Patienten einen Vitamin-D-Mangel aufwiesen. Experten sehen jedoch den Vitamin-D-Mangel eher eine Folge der Covid-19-Erkrankung als eine Ursache (mehr dazu hier).

Neben Vitamin D gehören vor allem Vitamin A, B 6 und B 12, Vitamin C, D und E sowie Zink, Selen, Eisen und Kupfer zu den Mikronährstoffen, die oft in Zusammenhang mit dem Immunsystem genannt werden. Auch hier gilt laut der Ernährungsexpertin jedoch, sich nur bei einem wirklichen Mangel gezielt und über einen vom Arzt bestimmten Zeitraum mit Nahrungszusätzen zu versorgen.

Diese vorsorglich zum Schutz vor einer Corona-Infektion oder zur Infektabwehr einzunehmen, macht nach Einschätzung von Ernährungsexperten, Medizinern und Verbraucherschützern keinen Sinn. Im Gegenteil: Es kann sogar schaden.

„Besonders fettlösliche Vitamine wie das Vitamin A, D, E und K speichert der Körper und kann sie nicht mehr ausscheiden“, sagt Anika Wagner. So könne es zu Überdosierungen kommen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung weist in einem Paper beispielsweise bei der Vitamin E-Einnahme auf nachteilige Effekte bei der Blutgerinnung hin.

In der Wissenschaft wird diskutiert, ob Vitamin C im Übermaß die Entstehung von Nierensteinen begünstigen könnte. Eine Überversorgung mit Kupfer führt bei kurzfristiger Überdosierung zu Erbrechen und Magen-Darm-Beschwerden. Bei längerfristiger Überdosis kann es zu bleibenden Schäden an Leber und Nieren bis hin zum Versagen der Organe führen. Ein Zuviel an Eisen über einen längeren Zeitraum kann möglicherweise die Infektanfälligkeit erhöhen. Darum müssen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln auf der Verpackung nicht nur angeben, welche Tagesdosis empfohlen wird, sondern auch, dass diese Menge nicht überschritten werden darf, heißt es seitens der Verbraucherzentrale.

Um diesen Risiken aus dem Weg zu gehen, rät Ernährungswissenschaftlerin Wagner, den Körper durch eine ausgewogene Ernährung mit allem zu versorgen, was er braucht. „Der Verzehr von frischem Gemüse und Obst tut Wesentliches, um das Immunsystem ausreichend zu unterstützen“, sagt Wagner. Zudem zahle sich der Griff zu Vollkornprodukten aus. Diese enthalten laut der Ernährungsexpertin Mikronährstoffe wie Zink und verschiedene B-Vitamine und wirken über die Darmmikrobiota unterstützend auf das Immunsystem.

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