Medikamente und Sport Immer langsam bei Antibiotika

Wer mit Medikamenten behandelt wird, sollte auf körperliche Anstrengung verzichten. Zu frühe Belastung birgt gesundheitliche Risiken, die vor allem das Herz schädigen können.

 Auch wer sich nach einem Infekt wieder fit fühlt, sollte es zunächst ruhig angehen lassen. Der Körper braucht seine Energie zur Regeneration.

Auch wer sich nach einem Infekt wieder fit fühlt, sollte es zunächst ruhig angehen lassen. Der Körper braucht seine Energie zur Regeneration.

Foto: dpa/dpa, Bodo Marks

Jeder, der Spaß am Sport hat und sich gerne regelmäßig bewegt, kennt die Zwickmühle: Gerade kommt man nach der Winterpause langsam in Form und freut sich auf das nächste Training, bremsen Erkältungsviren alle guten Vorsätze aus. Der Klassiker in dieser Jahreszeit ist ein grippaler Infekt mit Schnupfen, Husten, Halsweh. Das bedeutet – auch wenn’s noch so schwerfällt – eine Zwangspause für den Sport, Aktivitäten runterfahren und hoffen, dass die Sache schnell ausgestanden ist.

Wer Pech hat, muss länger aussetzen. Vor allem dann, wenn sich auf den zunächst harmlosen viralen Krankheitsherd Bakterien setzen. Dann werden die Beschwerden schlimmer, der Erkrankte bekommt häufig Fieber. Meist wird dann die Einnahme eines Antibiotikums nötig. Das bedeutet für den Betroffenen erst recht körperliche Schonung. Denn Antibiotika und Sport sind eine gefährliche Kombination. Auch und gerade dann, wenn man sich nach kurzer Einnahme schon wieder deutlich besser fühlt.

„Das Antibiotikum ist ja nur ein Hilfsmittel, um die Infektion zu bekämpfen“, erklärt Heribert Brück, Kardiologe in Erkelenz und Sprecher des Bundesverbandes Niedergelassener Kardiologen. „Der Körper muss die Infektion trotzdem noch selbst bekämpfen. Und dafür braucht er Energie, die er sich nicht durch sportliche Aktivitäten rauben sollte.“ Das gelte übrigens genauso für virale Infekte, bei denen Antibiotika generell keinen Sinn machen, weil sie nicht gegen Viren wirken.

Bei einer Antibiotikatherapie gilt aber ein weiterer wichtiger Aspekt: Ein Antibiotikum verabreicht der Arzt immer, um eine bakterielle Infektion in den Griff zu bekommen. Je nach Wirkprinzip tötet das Medikament die Bakterien direkt ab oder verhindert deren weitere Vermehrung. Entscheidend ist, dass jegliche Gabe von Antibiotika (Antibiose) Bakterien generell bekämpft, nicht nur gezielt die akuten Krankheitserreger.

Das bedeutet, auch alle nützlichen und für unsere Gesundheit wichtigen Bakterien werden stark dezimiert. Besonders im Darmtrakt leben Billionen von Bakterien, die für unsere Verdauung und eine funktionierende Immunabwehr essentiell wichtig sind. Auch diese hilfreichen Mikroorganismen greift jede Antibiose an.

Die Folgen wird jeder kennen, der schon einmal eine Zeit lang ein Antibiotikum nehmen musste: Übelkeit, Durchfälle, allgemeine Verdauungsprobleme sind die häufigsten Nebenwirkungen. „Ein Grund mehr, sich während der Therapie zu schonen und Energie zu sparen“, so der Internist Brück. Es braucht Zeit und Energie, um die Darmflora wieder zu stabilisieren, in der rund 80 Prozent aller Immunzellen beheimatet sind. Deshalb gilt unbedingt: Auch wenn der Arzt das richtige Medikament verschrieben hat und es dem Patienten nach wenigen Tagen schon merklich besser geht, sollte er Geduld haben und nicht gleich mit körperlicher Belastung beginnen.

Aber wann darf der Sportler wieder laufen, radfahren, schwimmen? „Es gibt keine einheitliche verbindliche Anleitung“, sagt Brück. „Als Faustregel gilt: Wer zuvor Fieber hatte, sollte unbedingt die gleiche Zeit fieberfrei sein, bevor er wieder Sport treibt. Also: drei Tage Fieber, drei Tage fieberfrei abwarten.“ Wer kein Fieber hatte, kann diese Regel trotzdem anwenden und die Anzahl an Tagen, die er sich schlecht gefühlt hat, in fitterem Zustand abwarten. „Man muss einfach auch ein Stück weit auf seinen Körper hören“, so der Internist. „Wer sich nach einem Infekt auch längere Zeit nicht richtig fit fühlt, Luftnot bei geringen Anstrengungen verspürt und einfach insgesamt geschwächt ist, der sollte sich gründlich untersuchen lassen.“

Körperliche Belastung zu einem zu frühen Zeitpunkt belastet nicht nur das Immunsystem des angeschlagenen Organismus und verzögert den Heilungsprozess. Sie birgt auch erhebliche Risiken. Ein verschleppter Infekt kann Jahre später zu ernsthaften Komplikationen führen. „Bei etwa einem Drittel aller Infekte reagiert das Herz mit“, erläutert Brück. Dabei müsse es sich nicht zwingend um Infekte in Herznähe, also im Hals-Nasen-Ohren-Trakt oder in den Bronchien handeln. Ganz häufig seien virale Erreger im Darm an späteren Beschwerden beteiligt.

Die gefährlichste Spätfolge ist eine Herzmuskelentzündung (Myokarditis). Dabei verlaufen die allermeisten Fälle völlig symptomlos. Gerade weil die Anzeichen wenig charakteristisch sind, ist es schwierig, die Diagnose zu stellen. Betroffene klagen häufig lediglich über Müdigkeit oder allgemeine Symptome eines grippalen Infekts. Nicht immer leiden die Betroffenen zusätzlich unter Atemnot und Brustschmerzen. Bleibt die Entzündung unerkannt, können eines Tages schwere Herzrhythmusstörungen auftreten, die zum plötzlichen Herztod führen. Auch viele Jahre nach einem verschleppten Infekt kann dies passieren – immer wieder hört und liest man von plötzlichen Todesfällen, gerade auch bei Sportlern.

„Meist lässt sich allerdings nicht eindeutig nachweisen, dass ein nicht verheilter Infekt die Ursache für den plötzlichen Herztod war“, betont der Mediziner Brück. Daher gebe es auch keine verlässlichen Statistiken zur Häufigkeit. „Bei jungen Menschen ist die Ursache für einen plötzlichen Herztod oft ein angeborener Herzfehler, der zuvor nie erkannt wurde“, erklärt der Internist. Bei älteren Menschen sei eine Myokarditis als Todesursache wahrscheinlicher. Nicht unmittelbar tödlich, aber sehr belastend und die Lebensqualität einschränkend ist eine dauerhafte Herzschwäche als mögliche Spätfolge einer nicht auskurierten Infektion.

Wer nicht sicher ist, ob sein Körper wieder bereit ist für Sport und körperliche Belastung, sollte in jedem Fall einen Arzt aufsuchen. „Ein Ultraschall vom Herzen und ein EKG geben schnell Aufschluss, ob das Herz Schaden genommen hat“, so Heribert Brück.

In jedem Fall, egal wie fit der Patient sich wieder fühlt und wie groß der Drang nach Bewegung ist, sollte er immer zuerst sein Antibiotikum komplett zuende nehmen. Unbedingt. Immer. Alleine schon deshalb, um möglichen Resistenzen vorzubeugen (siehe infokasten). Zum Wiedereinstieg sollte die Belastung sehr moderat sein. Denn häufig sind die Arzneien viel länger im Körper, als sie eingenommen wurden. Manche Antibiotika muss der Kranke nur wenige Tage schlucken. Sie wirken aber zehn Tage lang im Körper nach.

Fazit: Wer Antibiotika einnimmt und nicht die Geduld aufbringt, schweißtreibende Aktivitäten ruhen zu lassen, der verzögert seine Genesung und riskiert Spätfolgen. Dann dauert es noch länger bis zum nächsten Training.

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