Tipps für Patienten Künstliche Hüfte - Was zu beachten ist

Berlin · Nach einem Oberschenkelhalsbruch oder bei Arthrose des Hüftgelenks ist oft ein künstliches Hüftgelenk fällig. Welches Material das richtige ist, hängt unter anderem vom Alter und der Knochensubstanz des Patienten ab.

Fünf Fragen zum künstlichen Hüftgelenk
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Fünf Fragen zum künstlichen Hüftgelenk

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Foto: dpa

Ein Oberschenkelhalsbruch oder der Verschleiß des Hüftgelenks sind bei älteren Menschen die häufigsten Gründe für ein künstliches Gelenk. Durch den Verschleiß (Arthrose) ist die natürliche Knorpelschicht so abgenutzt, dass Betroffene nur noch unter großen Schmerzen gehen können. Das künstliche Gelenk kann ihnen ein Stück Normalität zurückgeben.

Nach einem Oberschenkelhalsbruch geht es darum, den Patienten durch das Implantat rasch wieder auf die Beine zu bringen. In jüngeren Jahren führt meist Verschleiß aufgrund einer angeborenen Hüftgelenksverrenkung zum Gelenkersatz.

Verschiedene Prothesentypen und Materialien sind auf dem Markt. "Je nach Modell werden heute Standardimplantate aus Stahl, Kobalt-Chrom-Legierungen, Titanlegierungen, Kunststoff und Keramik mit- oder untereinander kombiniert", erläutert der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) in Berlin. Welche OP-Technik und welche Prothese für wen am besten geeignet ist, sei immer eine individuelle Entscheidung. Sie hänge unter anderem von der zugrundeliegenden Erkrankung und der Knochenqualität ab.

Natürlicher Hüftkopf wird entfernt

Ein künstliches Gelenk ist im Aufbau dem natürlichen nachempfunden. Das Hüftgelenk besteht aus dem Hüftkopf, dem halbkugelförmigen Abschluss des Oberschenkelhalses. Der Kopf gleitet beim Bewegen in der Hüftpfanne, einer Aushöhlung im Beckenknochen.

Bei einer Prothese wird eine Form aus Metall mit oder ohne Kunststoff- oder Keramikinlay oder nur aus Kunststoff in Aushöhlung eingesetzt. Der natürliche Hüftkopf wird meist entfernt und durch einen Prothesenkopf ersetzt, der mit einem Metallschaft im Mark des Oberschenkels verankert ist - entweder mit oder ohne Knochenzement.

Bei zementfreien Varianten ist der Schaft dem BVMed zufolge aus Titan, in das der Knochen einwächst und so dem Implantat Halt gibt. Dieses Verfahren wird eher bei jüngeren Patienten gewählt. "Die biologische Antwort auf die Fixierung im Knochen wird mit höherem Lebensalter schlechter", begründet Prof. Klaus-Peter Günther von der Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik die häufige Entscheidung, das Implantat bei älteren Menschen zu zementieren, damit die Prothese sofort fest sitzt. Der Schaft besteht dann aus Stahl oder Kobalt-Chrom.

Je jünger ein Patient ist, desto länger müsse die Prothese halten, ergänzt Prof. Fritz Uwe Niethard von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie. Fachleute gehen derzeit von einer sogenannten Standzeit von durchschnittlich 15 Jahren aus, bevor sich das künstliche Gelenk lockert oder aus anderen Gründen ausgetauscht werden muss.

Dann ist es von Vorteil, wenn das Ersatzgelenk nicht im Knochen einzementiert ist. "Bei einem Wechsel müsste man den Zement herausschlagen. Das ist so, wie wenn man Putz von der Wand schlägt - da geht immer Gestein verloren", erläutert er.

Ebenso wichtig wie die Verankerung im Knochen ist die Frage nach dem Material der gegeneinanderreibenden, beweglichen Teile der Prothese, Gleitpaarung genannt. Möglich sind die konventionellen Kombinationen Metall oder Keramik mit Polyethylen sowie die Hart-auf-Hart-Gleitpaarungen Metall mit Metall und Keramik mit Keramik oder mit hochvernetztem Polyethylen. Dabei handelt es sich dem BVMed zufolge um eine abriebärmere Weiterentwicklung des herkömmlichen Kunststoffes. "Je stärker die Prothese beansprucht wird, desto eher wird man sich für eine Hart-auf-Hart-Gleitpaarung entscheiden", erläutert Günther.

In 20 Jahren kaum Abrieb

Konventionelle Paarungen hätten akzeptable Verschleißraten. "Sie zeigen in 10 bis 20 Jahren kaum Abrieb. Eine längere Lebensdauer, aber spezifische Risiken, die man eventuell in Kauf nehmen muss, haben Metall-auf-Metall- sowie Keramik-auf Keramik-Gleitpaarungen."

Das könne zum Beispiel ein verstärkter Abrieb und eine dadurch bedingte erhöhte Konzentration von Metallionen im Blut bei Metall-Gleitpaarungen oder das Brechen des Materials bei Keramiken sein. Wegen einer erhöhten Metallfreisetzung mussten in den vergangenen Jahren schon Produkte eines bekannten Herstellers vom Markt genommen beziehungsweise bei Patienten ausgetauscht werden. "Die anderen Gleitpaarungen haben jedoch ein höheres Bruchrisiko."

"Es gibt sehr widersprüchliche Empfehlungen und nichts, was wirklich studienbasiert wäre", ergänzt Gerhard Schillinger, Geschäftsführer Stab Medizin im AOK-Bundesverband, mit Blick auf Pannen und Rückrufe von Metall-auf-Metall-Prothesen. "Man hat sehr oft etwas Falsches gedacht und empfohlen, ohne Studien dafür zu haben."

Daher habe die Metall-auf-Polyethylen-Gleitpaarung, die schon seit den 80er Jahren im Einsatz ist, weiterhin ihre Berechtigung. Und manchmal lasse sich eine Hüftgelenksarthrose sogar ohne Operation in den Griff bekommen. Der Mensch sei schließlich kein Auto, bei dem beliebig Ersatzteile ausgetauscht werden könnten.

(dpa)
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