"Ich hab' Rücken" Kreuzschmerzen lassen sich durch Bewegung lindern

Köln · Millionen Deutsche leiden unter Rückenschmerzen. Mal kommen sie schleichend, mal plötzlich. Oft verschwinden die Schmerzen nach kurzer Zeit wieder. Massagen, Spritzen, Akupunktur können helfen. Um vorzubeugen, sind Sport und vielseitige Bewegung sinnvoll.

10 Dinge, die Sie über Ihren Rücken noch nicht wussten
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Foto: shutterstock/ Sebastian Kaulitzki

Die Wirbelsäule ist einer der am meisten strapazierten Körperteile des Menschen. Kein Wunder, dass Rückenschmerzen zu den häufigsten Krankheiten in Deutschland gehören. Mindestens einmal im Leben Schmerzen im Kreuz haben laut Robert-Koch-Institut bis zu 85 Prozent der Bundesbürger. Nach Angaben der Krankenkassen sind Bandscheibenvorfälle, Hexenschuss und Schmerzattacken im Rücken die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit. Und die Probleme nehmen zu: Seit Jahren steigt die Zahl der Rückenschmerzgeplagten.

Das liegt nicht nur am Alter mit seinen unvermeidlichen Verschleißerscheinungen. "Die Ursachen sind bei fast allen Betroffenen gleich: zu wenig Bewegung, untrainierte Muskeln, Stress und andere psychische Belastungen", sagt Prof. Ingo Froböse vom Zentrum für Gesundheit der Deutschen Sporthochschule Köln. Das gilt auch schon für Jugendliche und junge Berufsanfänger - und sogar Kinder haben immer mehr Probleme mit dem Rücken, stellen Kinder- und Hausärzte fest. Kein Wunder, meint Froböse: Wenn Kinder im Schnitt nur noch 900 Meter am Tag zu Fuß gehen und vier Stunden vor Computer und Fernseher sitzen, sind Schmerzen im Kreuz programmiert.

Rückenproblem Bürostuhl

Der moderne Lebensstil trägt dazu bei, dass der Rücken zur Problemzone Nummer eins geworden ist. Wer das Arbeitsleben auf dem Bürostuhl verbringt, keinen Sport treibt und überzählige Kilos auf den Hüften hat, mutet dem eigenen Körper viel zu. Der Rücken mit seinen Muskeln, Sehnen, Bändern, Bandscheiben und 24 beweglichen Wirbelknochen ist ein stabiles Gerüst und ein flexibler Stoßdämpfer zugleich. Er braucht vielfältige Bewegung und Belastung. Wird er unterfordert, verkümmern wesentliche Teile des Halteapparats - mit schmerzhaften Folgen für die Betroffenen.

Daher gilt: Bewegung hilft. Gehen, laufen, bücken, drehen, recken, dehnen tut dem Körper gut, in allen Altersklassen. "Turne bis zur Urne", rät der Rückenexperte und Autor Prof. Dietrich Grönemeyer von der Universität Witten-Herdecke. Er empfiehlt, jede Gelegenheit zur Bewegung zu nutzen: lieber Treppen steigen statt den Aufzug zu nehmen. Öfter mal das Auto stehen lassen und Fahrrad fahren, in der Freizeit die müden Knochen mit Sport in Schwung bringen. So lassen sich viele Schmerzattacken verhindern.

Rückenschmerzen sind ein Warnsignal des Körpers. Das Problem kann rein körperliche Ursachen haben, Verschleißerscheinungen der Bandscheiben, Knochenschwächen oder zu schwache Muskeln etwa. Die Ursachen können aber auch psychosomatisch sein: Stress und Kummer schlagen sich in Verspannungen nieder. Sie bringen das Zusammenspiel von Wirbelsäule und stützenden Muskeln aus dem Lot.

Für die Ärzte sind Rückenschmerzen ein Problem mit vielen Unbekannten. Röntgenbilder helfen meist nicht weiter, wenn die Psyche mitspielt. Nur bei 10 bis 20 Prozent der Rückenschmerzpatienten lässt sich eine strukturelle körperliche Ursache feststellen, schätzt Prof. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel. Er rät dazu, alle Faktoren zu prüfen, die zu Rückenschmerzen führen können. Dazu gehören häufig auch emotionale, soziale und verhaltensbedingte Aspekte wie Stress, Depressionen, Belastungen am Arbeitsplatz und Beziehungsprobleme.

Im Notfall Wärme

Im akuten Fall, wenn das Kreuz sich meldet, können einfache Mittel wie Wärmflasche und Schmerzmittel eine schnelle Linderung bringen. In den meisten unkomplizierten Fällen lassen die Schmerzen ohnehin nach ein paar Tagen wieder nach. Bis zu 90 Prozent aller Rückenschmerzen klingen nach Angaben der Deutschen Rheuma-Liga innerhalb von sechs Wochen ab - unabhängig von der Art der Behandlung. Früher hielt man Ruhe und Schonung bei Rückenschmerzen für richtig. Doch mittlerweile setzen die Mediziner darauf, dass die Wirbelsäule samt Muskeln, Bändern und Gelenken Bewegung braucht.

Oft verschreiben die Ärzte Massagen und Spritzen oder Medikamente. Stark zugenommen hat nach Angaben der Krankenkassen die Verschreibung von Krankengymnastik. Bewährt hat sich auch Akupunktur. Die chinesische Nadeltherapie ist sogar laut Studien erfolgreicher als herkömmliche Methoden. Rückenpatienten sollten verschiedene Angebote nutzen - "von der Massage über Akupunktur, Yoga, Tai Chi und Qigong bis hin zu Selbstbewusstseinsschulungen, Feldenkrais und guten Fitnessstudios", rät Grönemeyer. "Der Patient muss auch eigenverantwortlich seine Möglichkeiten nutzen, um muskuläre Verspannungen zu lösen. Also nicht zur Ruhe kommen, sondern sich wirklich bewegen, sich dehnen und Körperwahrnehmung schaffen."

Von übereilten Operationen wird abgeraten. Nach Bandscheiben-OPs kehren die Probleme bei vielen Patienten später wieder zurück, so der Münchner Rückenspezialist Martin Marianowicz. Er hat 12 000 Patienten mit Bandscheibenschäden behandelt und festgestellt, dass 80 Prozent der Operationen überflüssig sind. Nicht wenige Patienten hatten eine Odyssee bei Ärzten hinter sich und dennoch die eigentliche Ursache ihrer Rückenschmerzen nicht gefunden. Laut Marianowicz sind die wichtigsten Verbündeten bei der Behandlung die Zeit und die Natur, denn 90 Prozent aller Bandscheibenvorfälle heilten folgenlos ab. "Wir raten Patienten deshalb grundsätzlich zum Einholen einer zweiten Meinung von einem Spezialisten, um unnötige Operationen zu vermeiden."

(dpa/das)
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