Fortschritt in der Medizin Mit LED-Licht auf Polypenjagd

Düsseldorf · Mit modernster Technik lassen sich heute Darmpolypen noch frühzeitiger erkennen. Die Krebsvorsorge per Koloskopie ist damit hocheffektiv – und zugleich sicherer.

 Matthias Wenning, Chefarzt der Inneren Medizin am St. Martinus Krankenhaus in Düsseldorf, muss bei einer Koloskopie genau hinsehen.

Matthias Wenning, Chefarzt der Inneren Medizin am St. Martinus Krankenhaus in Düsseldorf, muss bei einer Koloskopie genau hinsehen.

Foto: Anne Orthen (ort)

Über den Fernsehbildschirm flimmert die Wiederholung einer Vorabendserie, aber es fällt mir schwer, der Handlung zu folgen. Obwohl ich weiß, dass es eigentlich keinen Grund gibt, nervös zu sein, schwelt da etwas, eine Art banges Grundrauschen. Immerhin lenkt der Fernseher im Wartezimmer ab und erfüllt damit seinen Zweck – die Aufmerksamkeit auf andere Dinge zu lenken als auf die bevorstehende Darmspiegelung. Bei der Neugestaltung des Endoskopie-Bereichs im Düsseldorfer St. Martinus-Krankenhaus wurde eigens darauf geachtet, etwaige Ängste der Patienten schon im Vorfeld durch ein angenehmes Interieur zu dämpfen. Statt sterilem Weiß herrschen warme Farbtöne vor, mit LED-Lichtleisten lassen sich im Untersuchungsraum verschiedene Lichtstimmungen zaubern, die Wände zieren Fotopanoramen vom Hafen. Es funktioniert. Bleibt es doch auch auf dem Endoskopie-Tisch bei nur leichtem Unbehagen, bis ich mit Hilfe des Narkotikums Propofol sanft ins Schlummerland entschwinde.

Matthias Wennings Aufgabe ist es, Licht ins Dunkel zu bringen. Und das gelingt dem Chefarzt der Inneren Medizin mittlerweile dank modernster Technik deutlich besser. Die für eine Million Euro umgebaute und gerade offiziell eröffnete Endoskopie-Abteilung sei die neueste in Düsseldorf, sagt er und zieht, was die Lichtleistung seiner Geräte angeht, den Vergleich zur Scheinwerfertechnik im Autobau. „Dort folgte auch auf Halogen erst Xenon und dann LED“, sagt er. „Für uns bedeutet das: Es wird immer heller.“

Nicht nur das. Die mit vier LED-Lichtbündeln ausgestatteten Endoskope und Koloskope können per Knopfdruck unterschiedliche Oberflächenstrukturen darstellen. Mit einem Blue-Light-Imaging-Filter lassen sich Blutgefäße darstellen, ein LCI-Filter verstärkt den Kontrast. „So können wir winzige Polypenknospen entdecken, die wir früher nie gesehen haben“, sagt Wenning. „Das ist Vorsorge, wie sie sich ein Mediziner wünscht.“

Denn selbst gutartige Polypen können sich über die Jahre zu bösartigen Karzinomen entwickeln. Ein bis zwei Millimeter wachsen solche Polypen pro Jahr, deshalb seien auch kleinste Befunde relevant, sagt Wenning. Solche Geschwülste werden mit Schlingen, durch die Hochfrequenzstrom geleitet wird, aus der Schleimhaut entfernt. Darmkarzinome zählen zu den häufigen Tumoren bei Männern wie Frauen, deshalb empfehlen Ärzte und Krankenkassen eine regelmäßige Vorsorge per Darmspiegelung ab dem 55. Lebensjahr.

Das Fatale: Lediglich 20 Prozent der Menschen halten sich daran. Regelmäßig bedeutet, alle zehn Jahre, nur Risikogruppen wie etwa Colitis-Ulcerosa-Patienten beziehungsweise Menschen, die einen Darmkrebs-Kranken in der nahen Familie hatten, sollten häufiger beziehungsweise früher kommen. „Und zwar zehn Jahre vor dem Alter, in dem der Angehörige erkrankte“, erklärt Wenning. Generell gilt: Frauen gehen früher zur Vorsorge, Männer warten zu lange und haben deshalb oft schwerere Befunde. „Je früher aber Darmkrebs entdeckt wird, umso besser sind die Heilungschancen“, sagt der Mediziner.

Aus Wennings Sicht ist die Darmkrebs-Vorsorge dabei absolut sinnvoll und ersetzt nicht andere Diagnose-Möglichkeiten. Die Koloskopie verschaffe dem Patienten nicht nur auf Jahre hinaus Gewissheit, sondern sei auch mit extrem geringem Risiko verbunden. „Natürlich ist das Herausnehmen eines großen Polypen ein chirurgischer Eingriff“, sagt der 51-Jährige, „aber die Gefahr, den Darm zu verletzen, bewegt sich im Promille-Bereich.“ Bei einer Untersuchung ohne Gewebe-Entnahme seien solche Verletzungen eine Rarität, kämen also so gut wie gar nicht vor. Auch dass durch ein schlecht gereinigtes Koloskop Keime in den Darm getragen werden, ist heute so gut wie ausgeschlossen. Spezielle Spülmaschinen reinigen die Geräte nach jedem Einsatz mechanisch und chemisch. „Das überlebt kein Keim“, sagt Wenning. Rund 20 Minuten dauert eine Koloskopie, der etwa 1,5 Meter lange Schlauch wird dabei bis in den Dünndarm geführt. Zum Vergleich: Für eine Gastroskopie, also eine Magenspiegelung, veranschlagt Wenning fünf bis sechs Minuten.

Während der Untersuchung schläft der Patient, wird aber permanent über einen Monitor überwacht – genauso wie diejenigen im Aufwachraum, die es bereits hinter sich haben. Dazu kommt, dass Wenning und seine Kollegen nicht mehr Luft in den Darm oder Magen pumpen, um die Schleimhäute zu inspizieren, sondern CO2, also Kohlensäure. „Die baut sich schneller ab, reduziert das Blähgefühl nach dem Eingriff und verursacht auch weniger Übelkeit“, sagt Wenning. Was ich bestätigen kann. Im Grunde fühlt man sich nach einer Darmspiegelung so, als ob nichts geschehen wäre – abgesehen von einer leichten Benommenheit und einem etwas größeren Hungergefühl. Sind Magen und Darm doch durch die zugegeben etwas unangenehme Vorbereitung, die auch fast 24-stündiges Fasten beinhaltet, leergefegt. Das war aber schon alles. Es überwiegt das gute Gefühl, etwas für den Erhalt seiner Gesundheit getan zu haben.

Was ab einem gewissen Lebensalter den Erhalt der Darmgesundheit angeht, hält Chefarzt Wenning die Vorsorgeuntersuchung für einen ganz wesentlichen Aspekt. Selbstverständlich wirkt sich eine bewusste Lebensführung mit ausreichend Bewegung und vernünftiger Ernährung ebenfalls positiv auf den Darm aus. Nur lassen sich konkrete kausale Zusammenhänge wissenschaftlich oft schwer belegen. Die Koloskopie ist sozusagen eine flankierende Maßnahme, um sich zu vergewissern.

Generell gilt: Prozessiertes, also verarbeitetes Fleisch ist möglicherweise krebsfördernd, Ballaststoffe dagegen unterstützen den Darm. Zudem ist es empfehlenswert, nicht zu rauchen, möglichst wenig Alkohol zu konsumieren und sich viel zu bewegen. Eine Garantie, nicht an Darmkrebs zu erkranken, bietet aber auch eine vernünftige Lebensführung nicht.

„Die Vorsorgeuntersuchung ist dagegen ein bisschen so wie beim TÜV“, sagt Wenning ein wenig augenzwinkernd, „da muss man mit seinem Wagen ja auch regelmäßig hin. Und hat dann erstmal wieder Ruhe.“

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