Neue Erkenntnisse werden erwartet HPV-Test: Nutzt oder schadet er?

Köln/Hamburg · Schon lange erhitzen sich die Gemüter über die Frage, ob ein HPV-Test bei Frauen bei einer rechtzeitigen Krebsbekämpfung hilfreich sei, oder aber den Weg bereite für unnötige Folgetherapien. Neue Erkenntnisse will dazu der Abschlussbericht des Instituts für Qualitätssicherung im Gesundheitswesen liefern.

Zehn Fakten zur HPV-Impfung (Krebs)
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Foto: TK

Für das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ist mit seinem Abschlussbericht klar, dass es Hinweise darauf gebe, mit Hilfe eines Tests auf Humane Papillomaviren (HPV) Vorstufen des Gebärmutterhalskrebses früher erkennen und behandeln zu können. Dadurch würden dann in Folge weniger Tumore auftreten.

Schaut man allerdings auf die Argumentation, die das IQWiG vorbringt, bringt es die Diskussion um die Sinnhaftigkeit und Bedeutung solcher Tests nicht wirklich voran. Das zeigt allein die vorsichtige Formulierung, die gewählt wird. Nach Information des Instituts könne der HPV-Test allein oder zusätzlich zu einem sogenannten Pap-Test eingesetzt werden. Die Fachleute, die sich da neuerlich mit der Frage nach dem Nutzen der beiden Verfahren der Früherkennung befasst haben, beschreiben allerdings auch selbst Gefahr eines Schadens: Es bestünde das Risiko unnötiger Folgebehandlungen und einer damit verbundenen Übertherapie.

HPV-Test ist keine Kassenleistung

Zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs bieten die Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) derzeit einmal im Jahr eine zytologische Untersuchung der Schleimhautzellen aus einem Abstrich vom Gebärmutterhals (Zervix), den Pap-Test an. Seit bekannt ist, dass Humane Papillomaviren der Hauptrisikofaktor für ein Gebärmutterhalskrebs sind, diskutieren Experten darüber, ob sich auch ein HPV-Test für das Screening eignet oder einem zytologischen Test sogar überlegen ist. Den HPV-Test zahlt die GKV bislang nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel bei einem unklaren Pap-Befund. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte das IQWiG deshalb beauftragt, den Nutzen des HPV-Tests im Primärscreening zu bewerten und dabei auch verschiedene Screeningstrategien zu vergleichen.

Weniger Karzinome und ihre Vorstufen

Eine Krebsfrüherkennung wird üblicherweise danach bewertet, ob sie nachweislich dazu beiträgt krebsbedingte Todesfälle zu vermeiden. Das IQWiG sieht schon einen Vorteil darin, dass man Tumore, aus denen sich später Gebärmutterhalskrebs entwicklen könnte, schon in Vorstadien erkennen könne und nicht erst, wenn sie voll ausgebildet seien. Ähnlich funktioniert das Screening beim Darmkrebs. Es zielt darauf ab, bereits Zellveränderungen zu entdecken und zu behandeln, aus denen sich ein Krebsgeschwür entwickeln könnte. Die Behandlung solcher Krebsvorstufen sei - so das Institut für Qualitätssicherung - für die Patientinnen deutlich weniger belastend als die spätere Behandlung eines Tumors.

Das aber genau ist das, was schon seit Jahren die Expertengemüter bewegt: Ist es hilfreich, Menschen, die Krebsvorstufen zeigen zu behandeln? Kommt der Krebs bei ihnen jemals zum Tragen oder bleibt er in seiner Vorstufe bestehen?

Kritische Argumente

Prof. Ingrid Mühlhauser, Internistin und als Gesundheitswissenschaftlerin an der Uni Hamburg, bemängelt, dass es in Deutschland an einem qualitätsgesicherten Früherkennungskonzept fehle, das HPV-Impfungen inklusive einer Dokumentation einschließe, Pap-Tests und HPV-Tests. "So gibt es zwar derzeit verschiedene Instrumente zur Vorsorge und Früherkennung, doch diese greifen nicht durchdacht ineinander. Es ist nicht sichergestellt, dass Frauen die individuelle Vorsorge erfahren, die sinnvoll ist und dass auch nur die medizinischen Eingriffe vorgenommen werden, die wirklich nötig sind."

Seit vielen Jahren setzt sich die Expertin mit dem Pro und Kontra rund um die HPV-Impfung auseinander und versucht, Objektivität in die Diskussion zu bringen und die Fakten in ein Verhältnis zueinander zu bringen. Ihrer Aussage nach durchleben die meisten Frauen eine Infektion mit HPV ohne es zu bemerken. Nach spätestens zwei Jahren sind bei 70 bis 90 Prozent der Frauen keine HP-Viren mehr nachweisbar.

Möglich sei nach Aussage der Internistin zum Beispiel, dass sich beim einem Pap-Abstrich Zellveränderungen ergeben, die sich aber - wie es häufig der Fall sei - von selbst wieder zurückbildeten. Die betroffenen Frauen allerdings würden dennoch in Alarmbereitschaft versetzt und weitere Untersuchungen anberaumt.

Studien mit insgesamt 235.613 Teilnehmerinnen einbezogen

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IQWiG trugen Studien zusammen, die die HPV-Diagnostik allein oder in Kombination mit einem zytologiebasierten Verfahren mit einer Strategie verglichen, die ausschließlich zytologiebasierte diagnostische Tests im Primärscreening einsetzt.

In die Bewertung einbezogen haben sie sechs randomisierte kontrollierte Studien, die in Finnland, Großbritannien, Italien, den Niederlanden und in Schweden durchgeführt worden waren. Insgesamt 235.613 Frauen waren für die Studien rekrutiert worden, um sie in wenigstens zwei Screeningrunden im Abstand von mindestens drei Jahren auf Vorstufen des invasiven Zervixkarzinoms zu untersuchen. Alle diese Studien waren jedoch anfällig für Verzerrungen, was die Aussagekraft ihrer Ergebnisse einschränkt.

Weniger Krebsdiagnosen in der zweiten Screeningrunde

Die Wissenschaftler untersuchten einmal Frauen herkömmlich mit dem Pap-Test und einmal mit HPV-und Pap-Test. Bei einem zweiten Screening wurden in der zweiten Gruppe weniger Frauen gefunden, die die Diagnose "Invasives Gebärmutterhalkarzinom" erhielten als in der Gruppe der Frauen, die in der ersten Screeningrunde allein mit einem zytologiebasierten Verfahren (z. B. Pap-Test) untersucht worden waren. Das IQWiG sieht deshalb hier jeweils einen Hinweis auf einen Nutzen.

Aussagen zum Gesamtüberleben, zu der durch den Gebärmutterhalskrebs bedingten Sterblichkeit oder zur Lebensqualität sind laut IQWiG nicht möglich, da zu diesen Kriterien in den Studien keine beziehungsweise keine verwertbaren Daten erhoben wurden. Auch für einen möglichen Schaden gibt es keine verwertbaren Daten. Beispielsweise können unnötige diagnostische Maßnahmen (z.B. die Entnahme von Gewebeproben) infolge falsch positiver Test-Ergebnisse, den Patientinnen schaden. Auch das Qualitätsprüfende Institut räumt ein, dass allein die Diagnose psychisch belastend sein könne, indem sie Ängste oder Schuldgefühle auslöse.

Schaden durch Übertherapie im Fokus

Schaden könne schließlich auch durch Übertherapie entstehen: Es fällt auf, dass in den eingeschlossenen Studien bereits mittelgradige (CIN 2), zum Teil auch schon niedriggradige Vorstufen behandelt wurden, die sich in den meisten Fällen von allein zurückbilden und nur selten zu Karzinomen weiterentwickeln. Wie häufig bei HPV- und/oder Pap-Test unnötig behandelt wird, lässt sich anhand dieser Studien jedoch nicht ermessen.

Im Endeffekt ist das Ergebnis des Abschlussberichtes enttäschend, bringt es doch immer noch kein Licht ins Dunkel: Die Studienergebnisse lassen laut IQWiG keine Empfehlung für eine bestimmte Screeningstrategie im deutschen Gesundheitssystem zu.

(wat)
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