Forscher vermuten Aspirin-Wirkstoff senkt Krebsrisiko

Heidelberg (RPO). Menschen mit Autoimmunerkrankungen haben ein höheres Risiko, Krebs im Verdauungstrakt zu bekommen. Rheumapatienten hingegen haben ein geringeres Risiko. Wissenschaftler des Krebsforschungszentrums haben das unter die Lupe genommen.

Bei Mobrus-Crohn-Kranken ist das Krebsrisiko im Verdauungstrakt erhöht, bei einer bestimmten Form der Blutarmut, bei Schuppenflechte und vielen anderen Krankheiten, die dadurch entstehen, dass sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet. Während viele Autoimmunerkrankungen das Krebsrisiko erhöhen, senkt jedoch zum Beispiel Rheuma das Risiko für Darmkrebserkrankungen.

Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums vermuten ursächlich die Wirkungsweise von verabreichten Medikamenten hinter diesem Phänomen. Sie gehen nach einer groß angelegten Studie davon aus, dass der Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure, kurz ASS genannt, Krebs verhindert. Dieser Stoff ist in den meisten Rheuma-Mitteln enthalten.

33 Autoimmunkrankheiten unter der Lupe

Ein Zusammenhang von Autoimmunerkrankungen, bei denen das Immunsystem körpereigene Strukturen bekämpft, mit einem erhöhten Krebsrisiko wird seit Langem vermutet. Im Deutschen Krebsforschungszentrum untersuchte der Epidemiologe Kari Hemminki gemeinsam mit schwedischen Kollegen diese Wechselbeziehung zwischen 33 verschiedenen Autoimmunerkrankungen und 11 unterschiedlichen Krebserkrankungen des gesamten Verdauungstraktes (Mundhöhle, Speiseröhre, Magen-Darm-Trakt, Leber und Bauchspeicheldrüse). Dabei zeigte sich, dass die meisten Autoimmunerkrankungen das Krebsrisiko für die Betroffenen erhöhen.

So zeigen Menschen, die an Perniziöser Anämie, einer Form der Blutarmut, leiden, ein viermal höheres Risiko an Magenkrebs zu erkranken als die Allgemeinbevölkerung. Bei Myasthenia gravis, einer Störung der neuromuskulären Erregungsübertragung, treten sogar fünf verschiedene Krebsarten vermehrt auf: Beispielsweise haben Patienten, die an dieser relativ seltenen Autoimmunerkrankung leiden, ein fast dreifach erhöhtes Risiko für Speiseröhrenkrebs. Für Magen- und Darmkrebs ist das Risiko um etwa 30 Prozent höher als das der Allgemeinbevölkerung.

Auch bei Morbus Crohn, systemischem Lupus, bei der chronisch entzündlichen Darmerkrankung Colitis ulcerosa, sowie bei der Schuppenflechte Psoriasis fanden die Forscher erhöhte Risiken für mehrere Krebsarten des Verdauungstraktes. Bei Rheumatikern dagegen beobachteten die Epidemiologen ein um 30 Prozent vermindertes Darmkrebsrisiko.

Was das Krebsrisiko erhöht

Eine mögliche Ursache für die gesteigerten oder verringerten Krebsrisiken von Patienten mit Autoimmunkrankheiten liegt in der Medikation: Viele dieser Krankheiten werden mit immununterdrückenden Medikamenten behandelt. Das so gedrosselte Immunsystem ist nicht mehr in der Lage, Tumorzellen effizient zu bekämpfen. Das bedingt ein erhöhtes Krebsrisiko. Entzündungshemmende Medikamente dagegen können das Krebsrisiko mindern. So wurde etwa gezeigt, dass der Aspirin-Wirkstoff ASS, der in vielen Rheumamedikamenten enthalten ist, Krebserkrankungen vorbeugen kann.

Autoimmunkranke regelmäßig zur Vorsorge

Hemminki und seinen Kollegen standen die Daten des schwedischen Krebsregisters zur Verfügung, das mit zwölf Millionen Personen die gesamte schwedische Bevölkerung umfasst. Untersucht wurden Personen, die nach 1964 aufgrund einer Autoimmunerkrankung im Krankenhaus behandelt wurden und bis zum Jahr 2008 an Krebs erkrankten. Die enorme Größe der Studie erlaubte es, auch seltene Autoimmunerkrankungen mit einzubeziehen und die Krebsrisiken sehr differenziert zu untersuchen. Für Kari Hemminki ist die wichtigste Schlussfolgerung aus den Studienergebnissen: "Ärzte sollten ihren Patienten mit Autoimmunerkrankungen empfehlen, regelmäßig an Krebsfrüherkennungsprogrammen teilzunehmen."

(DKFZ/wat)
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