Humane Papillomaviren Krebs-Impfung auch für Jungen

London/Heidelberg · Seit einigen Jahren gibt es die Impfung gegen Papillomaviren. Bislang bekommen aber nur Mädchen die Spritzen als Schutz vor Krebs. Experten - darunter ein deutscher Nobelpreisträger - wollen das ändern.

Zehn Fakten zur HPV-Impfung (Krebs)
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Zehn Fakten zur HPV-Impfung (Krebs)

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Foto: TK

Der Impfstoff gegen Humane Papillomaviren (HPV) könnte nach Ansicht von Wissenschaftlern auch Jungen vor gefährlichen Krankheiten schützen. Mädchen soll die Immunisierung vor Gebärmutterhalskrebs, der durch die HP-Viren ausgelöst werden kann, bewahren. Doch auch für Jungen und Männer sind die Erreger gefährlich, schreibt die Pathologin Margaret Stanley von der britischen Universität Cambridge im Fachjournal "Nature".

Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen (76) vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg setzt sich schon länger für die Impfung von Jungen ein. "Wenn wir wirklich die Viren in einem vorhersehbaren Zeitraum drastisch reduzieren oder ausrotten wollen, können wir das nur, wenn beide Geschlechter geimpft werden", sagte zur Hausen der Nachrichtenagentur dpa. Der Wissenschaftler hatte 2008 für seine Entdeckung, dass Papillomaviren Gebärmutterhalskrebs verursachen können, den Nobelpreis bekommen.

Haupterreger von Krebs

Die Viren seien auch die Hauptursache für Anal-, Mandel- und Zungenkrebs, schreibt die Expertin Stanley. Außerdem hätten sie oft wesentlichen Anteil an der Entstehung bösartiger Tumore an Penis und Kehlkopf. "Man vermutet, dass sie der Haupterreger von fünf Prozent aller menschlichen Krebserkrankungen sind." Hinzu kommt: Männer können die Viren beim Sex auf Frauen übertragen.

Stanley warnt in ihrem Beitrag vor allem vor den bösartigen Analtumoren. Diese Krebsart sei selten, doch die Zahl der Betroffenen steige vor allem bei den 20- bis 49-jährigen Männern. Am höchsten sei das Risiko für Homosexuelle. Bislang befürworteten jedoch nur die USA, Kanada und Australien die Impfung von Jungen.

Zur Hausen weist auf eine weitere mögliche Folge der Viren hin: "Genitalwarzen, vor denen zumindest einer der Impfstoffe schützt, sind eine äußerst unangenehme und unerfreuliche Infektion."

Doch was spricht dagegen, einen Impfstoff, der bereits auf dem Markt ist, auch Jungen zu verabreichen? Es gebe die Annahme, der sogenannte Herdeffekt reiche aus, meinte zur Hausen. Das sei aber "etwas naiv", wegen der zu geringen Impfraten bei Mädchen. "In Deutschland sind wir mit etwas unter 40 Prozent von der notwendigen Rate entfernt, in Österreich liegt sie bei knapp 5 Prozent." Vom Herdeffekt (Herdimmunität) sprechen Experten, wenn Impfungen einzelner Personen die weitere Verbreitung einer Krankheit stoppen oder bremsen - und so auch nicht geimpfte Menschen geschützt werden.

Außerdem seien die Kosten sehr hoch - zu hoch, wie zur Hausen findet. "Die sollten eigentlich durch Verhandlungen der Gesundheitsministerien oder Krankenkassen mit den Firmen auch reduziert werden können." In Ländern wie Großbritannien oder Vietnam sei das schon erfolgreich passiert.

"Impfung vor Einsetzen der sexuellen Aktivität"

Eine Möglichkeit, die HPV-Impfung für Jungen kosteneffektiv zu gestalten, wäre Stanley zufolge, nur Homosexuelle zu impfen. Doch das sei nicht nur ethisch kaum vorstellbar, die Impfung käme dann wohl in den meisten Fällen zu spät. Zur Hausen empfiehlt sie für 9- bis 14-Jährige - "vor Einsetzen der sexuellen Aktivität".

Funktionieren würde die Impfung für Jungen genau wie bei den Mädchen. Die bekommen bislang drei Spritzen mit einem der beiden zugelassenen Impfstoffe. "Jungen reagieren völlig gleich darauf, mir sind keine Besonderheiten bekannt", sagte zur Hausen.

Stanley hält in ihrem Beitrag ein wahres Plädoyer für die Impfung der Jungen: "Alle Männer, unabhängig von der sexuellen Orientierung, begegnen einem erheblichen und steigendem Risiko HPV-assoziierter Krankheiten." Es sei nicht ethisch, fair oder sozial verantwortungsvoll, Männer dazu zu zwingen, sich auf eine Herdimmunität zu verlassen, die für Jahrzehnte nicht erreicht werde.

(dpa)
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